Hohnstein Hohnstein: Stadt der Holzköpfe

Hohnstein/dpa. - Wer auf der Reise durch die SächsischeSchweiz den Berg zum Städtchen Hohnstein erklimmt, wird von einemHolzkopf begrüßt. Am Eingang der verträumten Burgstadt winkt demBesucher eine grinsende Kasperpuppe von einer Plakatwand zu -«Willkommen in Hohnstein». In dem Örtchen nahe der tschechischenGrenze haben Holzfiguren seit 1928 eine eigene Bühne. Manch einermunkelt sogar, es gebe dort mehr Kasperpuppen als Einwohner. Dochdie Handpuppen sind vom Aussterben bedroht: Der letzte Schnitzer dertraditionellen Figuren ist bereits 85 Jahre alt. Und nach einemneuen Puppenspieler suchten die Hohnsteiner bislang vergeblich.
Während die Tage der Hohnsteiner Kasper gezählt sind, steigtjedoch die Nachfrage nach den Handpuppen mit dem gütigen Blick. Vorallem die ersten Puppen aus den 1930er Jahren sind begehrt.Puppenspieler aus der Region machten sie auf ihren Reisenweltbekannt. «Das ist genauso wie mit Gemälden: Je länger derSchöpfer tot ist, desto wertvoller werden sie», sagt der HohnsteinerWolfgang Berger.
Sein Vater ist der einzige noch lebende Schnitzer. Zusammenverkaufen sie die Handpuppen in alle Welt. «Es gibt fanatischeSammler, die im Internet weitersuchen, wenn sie von uns alleshaben.» Dort böten sie bis zu 1000 Euro für Originale. Bei denBergers ist ein großer Kasper für 175 Euro das teuerste Exemplar.Kleine Handpuppen sind mit Preisen unter hundert Euro deutlichgünstiger.
Den Schnitzer Gerhard Berger interessiert das alles nur wenig.Völlig versunken bearbeitet er ein Stück Lindenholz - feilt,spachtelt und schneidet so lange, bis die Konturen eines Kopfessichtbar werden. «Ich mache die Köpfe, danach geht's mich nichtsmehr an», meint der 85-Jährige und streicht liebevoll über dasglatte Holz. Wegen des Geldes tue er seine Arbeit schon lange nichtmehr. Vielmehr wolle er die Tradition noch ein wenig erhalten. DenVerkauf überlasse er lieber seinem Sohn.
Vielleicht hat er sich in all den Jahren auch einfach zu sehr andie Holzköpfe gewöhnt? Seit er 14 Jahre alt ist, schnitzt Berger dieHohnsteiner Kasperpuppen. Früher waren die Schnitzer einmal zudritt. Berger selbst hat 60 bis 70 verschiedene Köpfe im Repertoire.«Man muss eben die Phantasie haben», meint er. «Man muss diefertigen Köpfe vor sich sehen.» Auf einem Holzklotz hat er mitBleistift bereits die nächsten Konturen aufgemalt. «Damals wurdendie Puppen für die geschrieben Bühnenstücke gemacht», erzählt der85-Jährige. Das sei heute anders.
Der letzte feste Puppenspieler verließ den Ort bereits 1948. Nunwill die Stadt endlich einen Nachfolger finden - nicht zuletzt wegender Touristen. «Der Hohnsteiner Kasper ist unser Aushängeschild»,sagt Bürgermeister Daniel Brade (SPD). «Das ist das, was Hohnsteinbekanntgemacht hat, eine zeitlang geschlafen hat und jetzt wiedergeweckt werden muss.» Ein Wanderweg auf den Spuren des Kaspers, einkleines Kaspermuseum und ein eigenes Puppenspielhaus bietet dieStadt dafür auf.
«Für die Zukunft gibt es große Pläne», beteuert auch Ines vonBardeleben, die sich um das Marketing der Stadt kümmert. «Es ist einHighlight, das ganz klar vermarktet wird.» Was Touristenausgerechnet ins Puppentheater locken soll? «Dass man sichangesprochen fühlt», meint Heike Krause vom TraditionsvereinHohnsteiner Kasper. «Es ist kein Fernsehen, es findet direkt voreinem statt.» Nicht zu vergessen der Anblick: «Lange Zipfelmütze,lachender Mund, strahlende Augen, lange Nase.» Wer könne so einemHolzkopf schon widerstehen?
Ende Mai findet zunächst einmal das traditionelle Puppenspielfestauf der Burg Hohnstein statt. Vielleicht lockt das ja einen Profidauerhaft in den Ort, hofft die 45-Jährige. Glaubt man GerhardBerger, ist zumindest für die Puppen vorerst gesorgt: «Ich habe nochnicht genug Holzköpfe gemacht.»