1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Hinter vorgehaltener Hand: Hinter vorgehaltener Hand: Ilse Junkermann muss gehen - aber warum eigentlich?

Hinter vorgehaltener Hand Hinter vorgehaltener Hand: Ilse Junkermann muss gehen - aber warum eigentlich?

Von Andreas Montag 13.12.2017, 11:00
Die evangelische Bischöfin Ilse Junkermann (r.), hier mit dem katholischen Bischof des Bistums Magdeburg, Gerhard Feige (l.), wird 2019 nach zehn Jahren an der Spitze aus dem Amt scheiden.
Die evangelische Bischöfin Ilse Junkermann (r.), hier mit dem katholischen Bischof des Bistums Magdeburg, Gerhard Feige (l.), wird 2019 nach zehn Jahren an der Spitze aus dem Amt scheiden. dpa/Archiv

Magdeburg - Für Paukenschläge ist die Evangelische Kirche eher nicht berühmt. Christen setzen, ihrem Heiland folgend, im Zweifel auf Güte und Sanftmut. Nun aber hat es ordentlich gerappelt im Karton.

Das Ergebnis, verkündet unlängst auf der in Erfurt tagenden Synode, dem Kirchenparlament der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), heißt bündig: Dem Ersuchen der seit 2009 hier tätigen Landesbischöfin Ilse Junkermann auf Verlängerung ihrer Amtszeit über 2019 hinaus wird nicht stattgegeben. Ende.

Das facht die Neugier an und nährt Verschwörungstheorien auch bei jenen, die der Kirche sonst eher fern stehen: Was ist passiert? Hat sich die 60-Jährige etwas zuschulden kommen lassen? Wird hier etwas vertuscht? Oder war es ein Putsch evangelischer, ostdeutscher Männer? Sind Junkermanns Fehler der Auslöser gewesen? Fehler, die zu vermeiden wenigstens in den ersten beiden Fällen jedoch nicht in ihrer Macht lag: Sie ist eine Frau. Sie kommt aus dem Westen. Und sie führt ein straffes Regiment.

Junkermann war seinerzeit zur quasi überparteilichen Leitung der neu gegründeten EKM von der Württembergischen Landeskirche aus Stuttgart „eingekauft“ worden, wo sie zuletzt das Dezernat Theologische Ausbildung und Pfarrdienst leitete.

Von Magdeburg aus, dem Bischofssitz der EKM, oblag es ihr fortan, aus zwei durchaus verschiedenen Partnern ein Ganzes formen zu helfen. Die preußisch geprägte Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und die Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen waren zwar, dem Zwang sinkender Mitgliederzahlen und Mittel folgend, freiwillig in diese Ehe gegangen, aber sie unterschieden sich eben doch sowohl in einigen kircheninternen als auch in Haltungsfragen.

Frage nach der Macht

Erstere zu erörtern ist etwas für Fachleute, bei den anderen wird es sehr schnell sehr politisch und führt zur Gretchenfrage: Wie hältst du es mit der Macht? Die NS-Zeit haben beide Kirchen nicht ruhmvoll überstanden. In der DDR hingegen fielen, in aller Vorsicht gesagt, eher Thüringer Kirchenfürsten wie Moritz Mitzenheim durch eine gewisse Eintracht mit den SED-Granden auf.

Dieser Vergangenheit, bezogen natürlich auf die gesamte EKM, ist ein viel beachtetes Bußwort zum Versagen der Evangelischen Kirche in der DDR gewidmet, das wesentlich durch Junkermanns Hinwirken zustande kam - und von dem manche Kirchenleute, meist hinter vorgehaltener Hand, nun sagen, das sei Quatsch und man hätte es gar nicht gebraucht. Verkündet wurde es bei einem Gottesdienst just auf jener Synode in Erfurt, die auch den faktischen Rauswurf für die Landesbischöfin öffentlich machte.

Hinter vorgehaltener Hand - dies ist überhaupt das Stichwort, das man den jüngsten Vorgängen um die Landesbischöfin als Motto voranstellen kann. Denn auf alle Fragen, die man stellt, scheint es nur raunende Antworten zu geben. Mit rechtem lutherischen Mumm bekennen will sich kaum jemand. Es ist, als hätte die Kirche ein kollektives Schweigegelübde abgelegt. Dabei heißt es in der Bibel doch: „Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein; was darüber ist, das ist vom Übel.“ Kann man das missverstehen?

Ilse Junkermann jedenfalls darf man das nicht fragen. Das heißt, man darf schon, sie antwortet auch. Aber sie wisse ja selbst nicht, was genau da passiert ist hinter den verschlossenen Türen des Landeskirchenrates, dem sie sonst qua Amt vorsitzt - und weiter vorsitzen wird, noch anderthalb Jahre.

Das wird man sich auch nicht allzu gemütlich vorzustellen haben: Mit denen, die einen ausgemustert haben, fröhlich den Herrn lobend zum Wohle der Kirche zu arbeiten. Dabei hätte Ilse Junkermann das eleganter lösen können, bekommt man jetzt hinter vorgehaltener Hand zu hören. Der Oldenburger Bischof Jan Janssen hat es fast zeitgleich vorgemacht: Er verzichtet freiwillig auf sein Amt. Junkermann hingegen hat einen anderen Weg gewählt und auch die Öffentlichkeit gesucht. „Ich respektiere die Entscheidung. Aber sie schmerzt mich zugleich sehr“, gibt sie zu. Dieses Bekenntnis macht denen, die über sie entschieden, das Leben nicht gerade leichter.

Aber Junkermann sagt, sie müsse die Dinge jetzt trennen: Einerseits offensichtliche Unzufriedenheit mit der Art und Weise, in der sie das Amt führte, zur Kenntnis nehmen, über die man mit ihr zuvor offenbar nicht das Gespräch suchte. Und sich als Person gleichsam herausnehmen aus diesem Vorgang, um sich zu schützen. So etwas kommt Männern vielleicht spanisch vor. Man kann es aber auch tapfer finden.

Mangelnde Tapferkeit wird man der Bischöfin im Übrigen schlechterdings nicht vorwerfen können. Erinnert sei an den Fall des Jenaer Studentenpfarrers Lothar König, der von der sächsischen Justiz wegen seiner Beteiligung an Protesten gegen Naziaufmärsche in Dresden in einem Jahre währenden Verfahren mit einer Haftstrafe bedroht wurde. Aus diesem Grund hätte es Junkermann als Dienstherrin Königs rechtlich mindestens freigestanden, den Angeklagten bis zu einem Urteilsspruch von seinen Aufgaben als Seelsorger zu suspendieren. Sie hat es nicht getan. Auch das war eine Ansage.

Junkermann, studierte Theologin, ist eine offene, zupackende Frau, die das Evangelium, die Botschaft Gottes, sehr zugewandt vertreten kann. So hat man sie im Gespräch und in Gottesdiensten erleben können. Vielleicht hat sie aber manchmal auch ein wenig zu absolutistisch gewirkt - im Angesicht der Schwierigkeiten, zwei Kirchen mit all ihrem Kompetenzgerangel und den Männereifersüchteleien um Einfluss und Deutungshoheit auf einen einheitlichen Kurs zu bringen. Ist sie also den Mitgliedern des Gremiums, das nun entschied, sie nicht bis zu ihrem Ruhestandsbeginn 2023 weiterarbeiten zu lassen, zu sehr auf die Zehen getreten?

Strategische Entscheidungen

Friedrich Schorlemmer aus Wittenberg, selbst Theologe, bereits seit zehn Jahren im Ruhestand, aber äußerst aktiv als Publizist, hat immerhin ein paar Vermutungen zu den Vorgängen. Junkermann habe mit ihm zwar nie ein persönliches Gespräch geführt, er glaube aber, dass strategische Fehlentscheidungen der Bischöfin eine Rolle für das Votum des Landeskirchenrates gespielt haben könnten. Schorlemmer verweist auf Projektstellen und Teilzeitarbeit für Pastorinnen und Pastoren, „statt das Pfarramt als Prozess zu verstehen“. Er meint, um Pfarrer zu sein brauche es den ganzen Kerl oder die ganze Frau. Und er denkt auch, es genüge nicht, darauf zu vertrauen, dass das Amt einen schon trüge: „Man muss das Amt selber tragen.“

Im Übrigen hat Schorlemmer Verständnis für beide Seiten: Dass die Bischöfin „in eine nicht leichte Lage geraten sei - in einer ihr fremden Welt“, sagt er und meint den Osten. Und dass man die Schweigsamkeit des Landeskirchenrates in der Sache Junkermann auch als Schutz der Betroffenen interpretieren könne.

Da mag ja etwas dran sein. Aber es bleibt dennoch die Frage: Warum ist nicht offen über die Probleme gesprochen worden? Mit Junkermann. Oder war die Atmosphäre heillos vergiftet?

Der Stellungnahme, die Junkermanns katholischer Amtsbruder, der Magdeburger Bischof Gerhard Feige, nach der Erfurter Entscheidung abgab, ist jedenfalls das Gegenteil zu entnehmen, was die Zusammenarbeit mit der evangelischen Schwester betrifft: Ohne sich in innere Angelegenheiten der EKM einmischen zu wollen, könne er doch nicht verschweigen, „dass mich die Entscheidung des Landeskirchenrates irritiert und innerlich sehr berührt“, schreibt Feige. Zu Junkermanns 60. Geburtstag hatte er Dankbarkeit geäußert, „dass Gott sie in unser Gebiet geführt hat“. Und von seiner Hoffnung gesprochen, „dass wir uns auch weiterhin den Herausforderungen unserer Zeit vertrauensvoll, mit Herz und Verstand sowie auf Augenhöhe stellen werden“. (mz)

Landesbischöfin Ilse Junkermann führt die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland seit 2009.
Landesbischöfin Ilse Junkermann führt die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland seit 2009.
dpa