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«Hindukusch» in Leipzig «Hindukusch» in Leipzig: Würziges Afghanistan

Von Ralf Böhme 21.09.2012, 16:07

Halle (Saale)/MZ. - Wenig bis nichts soll auf den kahlen Bergen wachsen. Hindukusch - irgendwie fremd klingt dieses Wort, das in Sanskrit-Sprache so viel wie "Massiv von Hindu" bedeutet. Zugleich macht es aber neugierig. Hindukusch - der geografische Begriff für eine 1 200 Kilometer lange Bergkette steht hierzulande vor allem für einen Konflikt mit internationaler Beteiligung. Darüber hinaus weiß man aber herzlich wenig. Beispielsweise, was isst man so am Hindukusch?

Auf diese Frage gibt es eine bodenständige Antwort - im sehr lebendigen gleichnamigen Restaurant von Mustafa Abdul im Leipziger Norden. Gut zwei Meter hohe Fotos schmücken den Gastraum in der Möckernschen Straße. Zu sehen sind schroffe Hindukusch-Gipfel, deren höchste Spitzen schon Himalaya-Niveau erreichen - weit über 7 000 Meter. Geologen behaupten sogar, der Hindukusch würde noch wachsen. Diese Erkenntnis überrascht freilich sogar den Küchenchef, der in der Drei-Millionen Metropole Kabul, der Hauptstadt Afghanistans, aufgewachsen ist.

Exotische Namen

Viele Verwandte von ihm wohnen indes in allen Ecken und Enden des zentralasiatischen Landes. Dass der Mann da die Vielfalt der Rezepte kennt, ist nicht nur anzunehmen, sondern in Leipzig unkompliziert und absolut ungefährlich zu überprüfen. So viel vorweg: Die Karte ist übersichtlich. Das Personal gibt gerne Auskunft, was sich hinter den oftmals exotisch anmutenden Namen konkret versteckt. So gerät der Abend gleich noch zu einem kleinen landeskundlichen Ausflug.

Dabei kann der Gast sicher sein, dass das kulinarische Abenteuer sowohl geschmacklich als auch preislich ein günstiges Ende findet. Denn der Herr vom Hindukusch lebt mittlerweile seit einem guten Dutzend Jahren in Sachsen, weiß, womit man den hiesigen Gaumen beanspruchen und trotzdem positiv überraschen kann. Eine alte afghanische Tradition besagt: Der Gast ist König und entscheidet - sogar über die Musik.

Schärfe nach Wunsch

Fingerzeig darauf ist ein kleiner, dezenter Hinweis in der Karte, der die Schärfe eines Gerichtes betrifft. Scharf, schärfer, am schärfsten - nichts ist unmöglich. Mustafa Abdul und seine Kollegen beraten gern. Nur so viel: Für einen Anfänger empfiehlt sich die Entscheidung zugunsten einer eher mild gewürzten Variante.

Zur Orientierung: Nicht nur politisch oder kulturell, auch in punkto Küche ist Afghanistan ein Schnittpunkt der unterschiedlichsten Einflüsse. An Pakistan kann man sich erinnern, wenn es um Gewürze geht. Garam Masala beispielsweise ist ein klangvoller Name für eine Mischung aus Safran, Zimt, Nelken, Paprika und Chili. Das ist aber erst der Anfang. Kardomom, Dill, Minze, Kreuzkümmel und Koriander lassen sich als persischer Beitrag deuten. Koriander, so ist im Restaurant zu hören, wird besonders reichlich eingesetzt und gilt als die afghanische Petersilie. Immer der Nase nach - auch Knoblauch findet sich nicht selten in Pfannen und Töpfen und kann getrost als Anleihe an Russland verstanden werden. Selbst die Mongolen hinterließen am Hindukusch ihre Spuren, unter anderem durch ihr Rezept für Teigtaschen mit Joghurt und Lauch. Afghanisch essen für Anfänger - im Hindukusch beginnt das ganz einfach mit dem Brot. Es ist im wahrsten Sinne ein Grundnahrungsmittel - hier Fladen, gebacken aus Weizenmehl.

Es kommt noch heiß an den Tisch - direkt aus dem Tandoor-Ofen. Dies ist ein spezieller, mit Holzkohle geheizter Backofen der indischen und afghanischen Küche. Er besteht aus einem großen, zylindrischen Tonkrug, der im Boden versenkt oder mit einer Mörtelschicht isoliert wird. Die Holzkohle wird am Boden entzündet und der Ofen mindestens zwei Stunden vorgeheizt, bis er im unteren Bereich glühend heiß ist. Die Fladenbrote werden an die heiße Seite des Ofens gedrückt und bleiben dort, bis sie herrlich knusprig sind.

Zu einer der drei Suppen im wechselnden Angebot ist das Brot als Beilage bestens geeignet. Wer sich dann beispielsweise an einer gut gewürzten Lammfleischsuppe labt, dem kommt dabei schon der Gedanke, wie bringt man so eine köstliche Mixtur zustande. Ein Geheimnis ist es nicht, aber ein wenig Geschick gehört schon dazu, die Empfehlung des Küchenchefs gut umzusetzen. Folgendes gehört für denjenigen, der sich die Kochmütze aufsetzen will, sozusagen zum Einmaleins: Das Lammfleisch klein würfeln und in Öl anbraten. Mehl darüber stäuben. Möhren, Zwiebeln und Erdnüsse fein hacken und dazugeben. Fleischbrühe angießen. Die Kichererbsen abgießen und ebenfalls dazugeben. Mit Lorbeer, Kurkuma, Ingwer, Rosenpaprika sowie etwas Soja-Soße kräftig würzen. Eine Dreiviertelstunde sollte das Ganze dann köcheln. Reine Geschmackssache, aber wer möchte: Joghurt mit einer gepressten Knoblauchzehe und Koriander verrühren und zur Suppe servieren. Im Hindukusch steht dazu ein Joghurtgetränk mit Gurkenstücken auf dem Tisch, das dem Gaumen schmeichelt und zugleich erfrischt.

Das wichtigste Getränk ist allerdings Tee, entweder Grüner Tee oder Schwarzer Tee - auf Wunsch wird er mit Kardamom gewürzt. Jeder kann, aber niemand muss - das verrät ein Blick auf die Getränkekarte. Hierzulande Bewährtes wie Krostitzer Bier fehlt ebenso wenig wie diverse preiswerte, europäische Weine, von denen zwar keiner so richtig hervorsticht, die sich dafür aber ausgesprochen leicht wegtrinken. Gerade vom Merlot darf es gern eine Halbe-Liter-Karaffe mehr sein, die man für 6,80 Euro das Stück bestellt.

Hähnchen butterweich

Inzwischen herrscht in der Küche am Tandoor-Ofen wieder reges Treiben. Das Gerät dient nämlich auch zur Zubereitung von Fleischgerichten. Die Stücke werden zum Garen auf Spieße gesteckt, die in den Ofen gestellt werden, um so den nötigen Abstand zur Glut zu haben. Die bevorzugte Fleischsorte ist Lammfleisch, außerdem werden Ziege, Rindfleisch, Geflügel und Wildbret gegessen. Hähnchen, das in Afghanistan eher selten auf den Tisch kommt, gelingt dem Wahl-Leipziger geradezu butterweich. Gebettet auf ein Beet aus buntem Gemüse und Obst - bei diesem Anblick darf sich das Auge mitfreuen.

Hinzu kommt eine Vielzahl von vegetarischen Gerichten zwischen acht und zehn Euro, die offenbar der einfallsreichen indischen Küche entlehnt und dann landestypisch aufbereitet sind. Auf der Zutaten-Liste fehlen weder Linsen, die später als Brei auf den Teller kommen, noch Kichererbsen oder Nüsse, Trauben und Melone. Wenn es um Reis geht, ist übrigens immer von Basmati die Rede - in seiner Kabuler Variante auch mit Rosinen.

Milchreis einmal anders

Gleiches trifft auf einige Desserts zu wie dem Shir Berenj, eine aus dem Iranischen überlieferte Zubereitung von Milchreis - aufgepeppt durch Rosenwasser und eine süße, orangefarbene Haube. Ein Genuss für 2,50 Euro. Das kann und sollte man sich einmal leisten.