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Harzkreis Harzkreis: Elektroautos im Praxistest

Von ALEXANDER SCHIERHOLZ 22.11.2009, 18:45

DARDESHEIM/MZ. - Aber einen großen chromglänzenden Kasten, der den ohnehin kleinen Kofferraum des knallgrünen Renault Twingo weiter schmälert: die Batterie.

Urban fährt ein Elektroauto. Nicht einfach so zum Spaß, sondern Tag für Tag. Zwischen ihrem Wohnort im Harzvorland, ihrer Arbeitsstelle an der Hochschule Harz in Wernigerode und Dardesheim bei Halberstadt, dort, wo einer der größten Windparks des Landes steht (siehe "Die Stadt der Öko-Energie"). Der könnte den Strom für ihr Auto liefern.

Familientauglichkeit ist gefragt

Es ist der Beginn eines groß angelegten Versuchs. 25 Elektroautos sollen in absehbarer Zeit im Landkreis Harz fahren. Im Alltagsbetrieb. Keine Twingos, die wären zu klein. Gedacht ist an den Audi A2. "Alltags- und familientauglich", sagt Ralf Voigt. Der Ingenieur arbeitet, wie Urban, beim Modellprojekt "ee-mobility", das vom Bundesumweltministerium gefördert wird. Dabei sind Hochschulen, Energieversorger, Forschungsinstitute. Ihr Ziel: zeigen, dass Elektromobilität praxistauglich ist. Dass die Stromer mehr sind als schöne Studien, mit denen sich die Hersteller auf der Automesse einen grünen Anstrich verpassen.

"Es geht nicht nur ums Fahren", sagt Ralf. Im Harz wollen sie auch die notwendige Infrastruktur aufbauen. Ein Netz von Ladestationen, das so dicht sein soll, dass kein Fahrer eines Elektroautos fürchten muss liegenzubleiben. Der Strom soll aus erneuerbaren Energien kommen - zum Beispiel aus dem Wind, der über Dardesheim bläst. Und wenn es möglich ist, soll überschüssiger Strom aus den Batterien sogar wieder ins Netz zurückfließen können.

Das Projekt steht erst am Anfang, es läuft bis 2011. Viele Fragen sind noch offen: Wie dicht muss das Netz der Stromtankstellen sein? Wie wird der Strom bezahlt, den man tankt? Wie die Energie vergütet, die zurück ins Netz geht? Wie wird sichergestellt, dass beim Laden Ökostrom fließt? Man werde neue Technologien entwickeln müssen, sagt Urban. Auch neuartige Abrechnungssysteme werde es geben müssen.

Vor allem aber wird man Menschen brauchen, welche die Autos tagtäglich fahren. Und vorher kaufen. Das Geld vom Bund nämlich - insgesamt sieben Millionen Euro - reicht nicht für alles. Wer eins der 25 Elektroautos fahren will, muss 15 000 Euro mitbringen. "Es gehört eine ganze Menge Enthusiasmus und Motivation dazu mitzumachen", sagt Voigt. Dennoch ist er optimistisch: Es werde kein Problem sein, 25 Testfahrer zusammen zu bekommen. "Wir haben eine ziemlich lange Liste."

Harz ist ideale Test-Region

Urban hält auch andere Probleme für lösbar. Die lange Ladezeit der Batterien, bis zu acht Stunden? "Kein Problem, wenn man überall laden kann." Die geringe Reichweite, schon nach 100 Kilometern muss wieder Strom getankt werden? "Es ist doch selten, dass jemand an einem Tag mehr als hundert Kilometer fährt ohne Stopp", sagt die Ingenieurin für Verfahrenstechnik. Deshalb sei eine Region wie der Harz zum Testen ideal. "Und für längere Strecken bleibt die Bahn."

Sie wissen, dass sie dafür bei vielen Menschen noch eine Menge Überzeugungsarbeit werden leisten müssen. Helmut Holzapfel zum Beispiel ist skeptisch. "Ich halte das Problem der Infrastruktur für sehr schwer lösbar", sagt der Verkehrswissenschaftler der Uni Kassel. Für einen Alltagsbetrieb müssten die Testfahrer nicht nur bei sich zu Hause über Ladestationen verfügen, sondern auch unterwegs, "und zwar so, dass immer eine frei ist". Im öffentlichen Raum, etwa vor Geschäften, müssten Plätze freigehalten werden, auf denen sonst niemand parken dürfe. Und gelinge es nicht, die Betankung mit Ökostrom sicherzustellen, ist aus Sicht von Holzapfel nichts gewonnen. Der Experte verweist auf Berechnungen der Europäischen Union, wonach Elektroautos, die den üblichen Strommix tanken, sogar umweltschädlicher seien als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Bleibt die Summe von 15 000 Euro, die Testfahrer aufbringen müssen. "Damit wird es nicht einfacher", meint Holzapfel trocken.

Ute Urban und Ralf Voigt kennen all diese Einwände. Sie wissen auch, dass das Projekt so erfolgreich sein muss, dass es fortgeführt werden kann, wenn die Förderung im Sommer 2011 endet. Schließlich sollen die Ladestationen und die Autos dann weiter genutzt werden. 25 Autos. Geht es nach der Bundesregierung, sollen deutschlandweit im Jahr 2020 eine Million Elektrofahrzeuge unterwegs sein. Auch das wäre - bei derzeit knapp 50 Millionen Pkw, Lastwagen, Bussen und Motorrädern - nur der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein. "Man muss immer klein anfangen", sagt Urban. Technologieveränderungen müsse man langsam angehen.

Spricht's, steigt in ihren knallgrünen Twingo und startet den Elektromotor. Man hört - nichts. Erst als sie anfährt, beginnt das Auto zu schnurren wie eine Katze. Neulich, erzählt sie, ist sie mal liegengeblieben mit dem Wagen. "Die Steuerung des Bordcomputers hat sich aufgehängt." Urban nimmt's gelassen: "Das ist eben so bei Technik, die noch nicht so häufig eingesetzt wird."