Handwerk Handwerk: Kleinste Porzellanmanufaktur Europas in Wernigerode
Wernigerode/dpa. - Durch die Schaufenster können die Besucher Heidi und Jürgen Hütterbeim Arbeiten beobachten. «Ich bin gerade beim Dekorieren», sagtHeidi Hütter mit einer Vase in der Hand, auf die sie einStiefmütterchen malt. Die 59-Jährige betreibt zusammen mit ihrem Manndie wohl kleinste Porzellanmanufaktur. «Mit weniger als zwei Leutenkann man das gar nicht machen», sagen die beiden zur Begründung.
Was in großen Fabriken wie in Meißen viele Beschäftigte zeitgleichmachen, müssen die Hütters in Etappen absolvieren. Formen gestalten,Stücke produzieren, brennen und dekorieren. Dabei hat das Paar eineklare Arbeitsteilung: «Deko kann mein Mann überhaupt nicht», sagtHeidi Hütter. «Entweder jemand ist künstlerisch begabt, dann ist ertechnisch nicht begabt oder umgekehrt.» Jürgen Hütter ist für denOfen zuständig, aber nicht nur.
Designer sind beide. Sie haben Anfang der 70er Jahre an derHochschule für Formgestaltung Burg Giebichenstein in Halle studiert.1979 wurden sie in den Verband bildender Künstler der DDRaufgenommen. Seit mehr als 30 Jahren sind sie selbstständig undstellen Porzellan her. «Wir wollten nicht ins Industriedesign, wirwollten was auf die Beine stellen», sagt Heidi Hütter. Heutegestalten sie sowohl Geschirr als auch dekorative Gegenstände undPorzellanbilder, die an die Wand gehängt werden können. Inzwischenhaben sie ein Geschäft direkt am Wernigeröder Markt. Ihr Plan ist,demnächst einen Internet-Shop zu eröffnen.
Im Gegensatz zu den Anfängen müssen sie heute viel stärkerwirtschaftlich denken. «Wir müssen von unserer Hände Arbeit leben.»Seit zwei bis drei Jahren kaufen die Touristen als eine derwichtigsten Kundengruppen deutlich weniger, sagen Hütters. ChristinaBeyer, Geschäftsführerin des Bundesverbands Kunsthandwerk bestätigtdie Einschätzung: «Es geht der Branche insgesamt nicht gut, derangewandten Kunst und dem Kunsthandwerk.» Der Trend der vergangenenJahre habe sich ihrer Einschätzung nach aber auch nicht beschleunigt.Dem Bundesverband mit Sitz in Frankfurt/Main gehören rund 600Kunsthandwerker an, vom Goldschmied über den Keramik- bis zumGlasgestalter.
Der jüngere Sohn der Hütters, der wie sie einst auf der BurgGiebichenstein Porzellandesign studiert, werde auf keinen Fall dieManufaktur in Wernigerode übernehmen. «Das hat keine Zukunft», istsich das Paar einig. Jürgen Hütter sieht speziell das Porzellanabgewertet angesichts der billigen Massenproduktion aus Asien. Frühersei es als «weißes Gold» wertgeschätzt worden.
«Hassliebe» nennen Heidi und Jürgen Hütter ihre Beziehung zumPorzellan. «Es ist das edelste aller keramischen Werkstoffe», sagtJürgen Hütter. Die Ästhetik sei unvergleichlich, die Oberfläche feinund homogen. «Auf der anderen Seite macht es, was es will», sagtHeidi Hütter. Weich wie Pudding wird es, wenn es im Ofen bei 1400Grad brennt. «Aber wir haben gelernt, es zu überlisten.» Tierfigurenzum Beispiel müssen mit Stützen gebrannt werden, damit sie nichtzusammenfallen. Dass das Überlisten nicht immer funktioniert, zeigtHeidi Hütter anhand einer Brennplatte, auf der dicke Klekse Porzellanund die umgekippte Figur einer eleganten Frau kleben. Vasen solltendas werden. «Wir wissen nicht, warum das schief gegangen ist.»