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Handwerk Handwerk: In Sachsen-Anhalt gibt es nur noch einen Rossschlächter

Von Friedemann Kahl 03.05.2007, 11:20
Metzgermeister Mario Walter zerlegt in seiner Rossschlächterei in Genthin Pferdeschenkel. (Foto: ddp)
Metzgermeister Mario Walter zerlegt in seiner Rossschlächterei in Genthin Pferdeschenkel. (Foto: ddp) ddp

Genthin/ddp. - Seit mehr als 100 Jahren und nun schon in der dritten Generationbetreiben die Walters eine Rossschlächterei. «Pferde sind großeSympathieträger, wenn es dann darum geht Pferdefleisch zu essen,spielt bei vielen der Kopf nicht mit», sagt der Metzger.

Mario Walter ist der letzte Fleischer in Sachsen-Anhalt der sichausschließlich auf Pferde spezialisiert hat, diese noch selbstschlachtet und das Fleisch verarbeitet. Anfang der neunziger Jahregab es in Sachsen-Anhalt noch 13 Pferdeschlächter. Übrig gebliebenist der Betrieb Walter. Auch bundesweit wir dieser Trend deutlich, sogibt es in Deutschland nicht einmal mehr 100 Pferdemetzger.

Neun Mitarbeiter sind heute in der Metzgerei Walter beschäftigt.Pro Jahr verarbeiten sie etwa 500 Pferde zu 20 verschiedenen SortenWurst. Rouladen, Bouletten, Wiener Würstchen, Blutwurst oderMortadella, aus Pferdefleisch lässt sich alles machen, was sich auchaus Schweine- oder Rindfleisch herstellen lässt. Dennoch fristetPferdewurst ein stiefkindliches Dasein. «Pferdefleisch ist zum großenTeil immer noch als Arme-Leute-Essen verschrien, nur für wenige giltes als Delikatesse», weiß der Metzger. In Deutschland liegt derPferdefleischanteil bei etwa zwei Prozent des gesamtenFleischkonsums. In Ländern wie Frankreich oder Italien dagegen istPferdefleisch in jedem Supermarkt zu bekommen.

Seine Pferde bezieht Mario Walter von Haltern aus Sachsen-Anhalt,aber auch aus Brandenburg und Niedersachsen bringen Pferdebesitzerihre Tiere nach Genthin. «Immer häufiger kommt es vor, dass dieBesitzer beim Schlachten daneben stehen wollen. Sie möchten sichersein, dass ihr Tier schmerzlos stirbt», erzählt der 43-Jährige.

Seine Kundschaft ist vielfältig. Der größte Teil sindPrivatkunden, aber auch Gastwirte, Hotelköche oder Markthändlerbeziehen von Walter die Wurst- und Fleischspezialitäten.Verkaufsschlager sind die Bockwürste und Bouletten. Eine steigendeNachfrage bescherte der Rossschlächterei die BSE-Krise. AlsRindfleisch als unsicher galt, stiegen viele Verbraucher aufPferdefleisch um. «Da wunderte ich mich schon, wie viele plötzlichPferdefleisch aßen», erinnert sich Mario Walter.

Bei der Herstellung der Wurst achtet der Meister darauf, dass derPferdefleischgeschmack noch erkennbar bleibt. Als Gewürze kommenhauptsächlich Pfeffer, Salz, Kümmel und Knoblauch zum Einsatz. Nurbei einigen Wurstsorten kommt noch etwas Schweinespeck alsGeschmacksträger dazu, da das Pferdefleisch sehr mager ist.

Rossschlächter war nicht unbedingt der Traumberuf von MarioWalter. «Erst wollte ich nicht richtig. Dann sagte mein Großvater:'Wenn du es nicht wirst, wird es ein anderer'. Heute bin ich froh,dass ich den Weg gegangen bin», gesteht der Metzger. Und das trotzzwölfstündigem Arbeitstag und lediglich acht Tagen Urlaub im Jahr.Die Chance, dass die Familientradition der Walters fortgesetzt wird,steht nicht schlecht. Mario Walter hat einen zwölfjährigen Sohn.