1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Gustav-Adolf Schur: Gustav-Adolf Schur: Rastlos mit 80

Gustav-Adolf Schur Gustav-Adolf Schur: Rastlos mit 80

Von RÜDIGER FRITZ 22.02.2011, 20:16

HEYROTHSBERGE/MZ. - Die Pose ist eindeutig. schwingt sein Rennrad, mit dem er 1958 Radsportweltmeister der Amateure wurde, über seinen Kopf, als gäbe es für ihn nichts Leichteres. Schaut her, will er damit sagen, Täve ist noch bestens drauf. Ein scheinbarer Kontrast sind die Worte kurz darauf. "Das Alter", sagt er. Schur meint aber nicht seines. Obwohl das denkbar gewesen wäre. Denn Täve, wie ihn alle nennen, wird 80. "Ich rede erst von Alter, wenn ich 100 Jahre bin und dann vielleicht nicht mehr Rad fahren kann."

Es ist das Alter von anderen, das ihn wenige Tage vor seinem Geburtstag mit seinem Kleinwagen auf Tour gehen lässt. Rudi Schumann, einen früheren Turntrainer, inzwischen 103-jährig, besucht er in Leipzig in einem Altersheim. Tags darauf den Bäckermeister Eberhard Dennhard in Schurs Wohnort Heyrothsberge nahe Magdeburg zu dessen 75. Geburtstag. "Aus dem Eberhard ist wieder ein richtiger Mensch geworden", sagt Täve Schur. Er meint damit: Dem rundlich gewordenen Bäcker hat er vor Jahren geraten, wieder Sport zu treiben. Seitdem fährt Dennhard ausgiebig Rad und hat dabei etliche Pfunde verloren.



"Das Alter", hebt Täve Schur nochmals an, "macht mir noch nicht zu schaffen. Das Leben hat es gut mit mir gemeint." Er setzt dabei das typische Lächeln auf, wie es auf den Fotos von seinen ersten großen Rad-Erfolgen Mitte der 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts zu sehen ist. Diese Zeit wird ihn ewig verfolgen, den populärsten Sportler im deutschen Osten. Da, wo er groß geworden ist, ist Schur noch immer eine Identifikationsfigur. 5 000 Menschen waren zu seinem 70. Geburtstag ins Berliner Velodrom gekommen, um ihm zu gratulieren. Zu Hunderten werden sie in das Friedensfahrt-Museum in Kleinmühlingen zwischen Schönebeck und Calbe anreisen, um mit ihm eine Party zu feiern.

Der Clou vom Sachsenring

Sehr hat er sich auf das Wiedersehen mit seinen früheren Radsport-Kumpels gefreut, auf Egon Adler, Günter Lörke, Lothar Meister II, Hannes Schober oder Manfred Weißleder und natürlich Bernhard Eckstein. Mehr noch als seine beiden Weltmeistertitel und die zwei Friedensfahrt-Gesamtsiege hat Schur das uneigennützige Zusammenspiel mit Eckstein bei der Weltmeisterschaft 1960 auf dem Sachsenring unsterblich gemacht.

So, wie der Rand-Magdeburger aus dem Kopf noch jede Kleinigkeit, jedes Schräubchen seiner Rennräder erklären kann, so ist ihm allgegenwärtig, was sich damals vor 200 000 Zuschauern abgespielt hat. "Ich war der große Favorit, fuhr in der Spitzengruppe mit Bernhard Eckstein und Willy Vandenberghe", erzählt er. "Eckstein war dann einige Meter vor uns. ,Fahr los', habe ich ihm hinterher gebrüllt. Der Belgier dachte, das sei nur eine Finte und blieb an meiner Seite, belauerte mich und wartete auf meinen Antritt. Als der spurtstarke Vandenberghe merkte, dass ich keine Anstalten machte, auch nur einen Meter aufzuholen, war für ihn alles zu spät. Mein Freund Bernhard war uneinholbar weg und wurde Weltmeister." Schur selbst kam auf den zweiten Platz. Für seinen Verzicht, zum dritten Mal das Regenbogentrikot des Weltmeisters zu gewinnen, wurde er bis in die letzten Tage der DDR gefeiert, hofiert und 1990 zum größten Sportler in der Geschichte des Landes gewählt.

Täve Schur ist beliebt wie eh und je, als Sportler und - zumindest bei den Linken - auch als Parteipolitiker. Als SED-Funktionär war er 32 Jahre Mitglied in der Volkskammer der DDR. Und von 1998 bis 2002 saß Schur für die PDS im Bundestag. Politisch ist er sich treu geblieben. "Die Gesellschaft war richtig - nur nicht stark genug", bewertet er rückblickend die DDR. Seine zweite Autobiografie, die er vor kurzem in Berlin präsentiert hat, brachte Klaus Ullrich Huhn zu Papier, früherer beinharter Sportchef des Neuen Deutschland.

Mehr Zeit für Sport

Schur will jetzt kürzer treten. Noch ist er Vorsitzender der Linken in Biederitz-Heyrothsberge und gehört dem Gemeinderat an. Aber für ihn steht fest: "Ich werde mich nach und nach von Ämtern verabschieden." Er habe zu wenig Zeit, um sich sportlich zu betätigen, beklagt Schur. Das könnte gefährlich werden für einen wie ihn, der die 100 Jahre erreichen möchte. Er, der mit 71 Kilo nicht mehr wiegt als in der Zeit seiner Sportlerlaufbahn, gibt einen seiner Lieblingssprüche zum Besten: "Man bewegt sich nicht weniger, weil man alt wird, sondern man wird alt, weil man sich nicht bewegt."



Er möchte pro Woche einmal 70 Kilometer am Stück radeln "mit einem Stundenmittel von 28 bis 30 Kilometern", einmal joggen und wandern - "dann wäre ich ein noch zufriedenerer Rentner".