Grundstücksvermessung Grundstücksvermessung: Gericht verbietet den teuren Weg
Halle/Wanzleben/MZ. - Silke Schindler wollte ihren Augen nicht trauen. "Als die Rechnung auf dem Tisch lag, waren wir erschrocken. Das hatten wir in unserem Haushalt nicht einkalkuliert", sagt die Bürgermeisterin von Wanzleben im Bördekreis.
Rund 133000 Mark forderte der Magdeburger Ingenieur Wolfgang Marschner für die Vermessung von 19 nebeneinander liegenden bebauten Grundstücken. Das war im April 2001. Der Stadt, die den Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur mit den Arbeiten beauftragt hatte, war das zu teuer - nicht dem Gefühl nach, sondern anhand der Gebührenordnung. Die Crux: Die Gebühren für eine Einzelvermessung liegen wesentlich höher als für eine Sammelvermessung. Etwa dreimal so hoch. Marschner hatte in Einzelteilen abgerechnet, die Stadt aber eine Sammelvermessung in Auftrag gegeben.
Geldschneiderei eines Ingenieurbüros? Weit gefehlt. Vor dem Magdeburger Verwaltungsgericht kam es dieser Tage ans Licht. Marschner handelte - offenbar gegen seinen Willen - auf "aufsichtliche Anweisung" des Katasteramtes Magdeburg. In der Vermessungs- und Katasterverwaltung des Landes war man bisher der Ansicht, dass bei unvermessenen Grundstücken eine Sammelvermessung nicht zulässig ist. Die Ingenieure sahen das allerdings anders.
So dürfte ihnen zupass gekommen sein, dass die Stadt Wanzleben vor Gericht gezogen ist. Und von den Magdeburger Richtern Recht bekommen hat: Eine von benachbarten Eigentümern gemeinsam beantragte Vermessung inclusive dem Setzen der Grenzmarken ist auch nur als ein Antrag abzurechnen.
Silke Schindler: "Uns ist ein Stein vom Herzen gefallen. Nicht nur wegen der schmalen Stadtkasse. Es geht ja auch um die Rechnungen, die wir den Bürgern schreiben werden." Die Stadt hatte das Geld nur verauslagt, die Arbeiten im Rahmen der Stadtsanierung ausgelöst.
Was zunächst nach einem Wanzlebener Provinz-Stück aussieht, dürfte Bedeutung für ganz Sachsen-Anhalt haben. Über 40000 unvermessene Grundstücke, so schätzt der Bund der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure, gibt es noch immer im Land. "Ein Webfehler der Geschichte. Als um 1870 die Liegenschaftskataster erstellt wurden, vergaß man in der damaligen sächsischen Provinz Preußen die Hofstücke zu erfassen", so Ingenieur Wilfried Borchers aus Halle. Es ging um Steuern - nur große landwirtschaftliche Flächen wurden vermessen und die Gebäude selbst. "Im Laufe der Zeit wurden zwar Grundstücksgrenzen durch Zäune oder Hecken sichtbar, "exakt vermessen aber sind die bis heute nicht", sagt Borchers. Salzmünde im Saalkreis sei beispielsweise noch nicht vermessen, 80 Prozent von Wettin ebenfalls.
Schindler: "In den Grundbüchern stehen nur Etwa-Angaben zu den Flächen." Zu wenig für Kommunen, um für den Straßenausbau Gebühren verlangen zu können, zu wenig auch oftmals für Banken, um Kredite auszureichen. Bis 2010 muss damit Schluss sein, müssen die ungetrennten Hofräume vermessen sein. Wer das ganz exakt haben will - mit Grenzmarken und allem Drum und Dran, der darf nun nach dem Magdeburger Urteil darauf hoffen, kostengünstiger als bisher angenommen, wegzukommen. Wenn eine Sammelvermessung in Auftrag gegeben wird. . .
Weitere Informationen: Aktenzeichen 5A 202/02 MD