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Gimritzer Damm Gimritzer Damm: Halles Deichgraf muss vor Gericht

Von jan möbius 24.07.2013, 22:53
Oberbürgermeister Bernd Wiegand (rechts) und Ministerpräsident Reiner Haseloff während der Flut am Gimritzer Damm.
Oberbürgermeister Bernd Wiegand (rechts) und Ministerpräsident Reiner Haseloff während der Flut am Gimritzer Damm. Kison Lizenz

halle (saale)/MZ - In Halle wird es für Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) ernst. Am Verwaltungsgericht soll ab Donnerstagnachmittag darüber verhandelt werden, ob er den Bau eines Hochwasserschutzdeichs am Rande der Neustadt in Auftrag geben durfte, ohne den Stadtrat einzubeziehen und ohne ein Planfeststellungsverfahren einleiten zu lassen. Drei Wohnungsinhaber wehren sich mit einem Eilantrag gegen dieses Vorgehen. Sie befürchten ein erhöhtes Überflutungsrisiko, weil der neue Damm zu nah an der Saale ist. In der Verhandlung tritt Wiegand aber auch als Kläger auf. Der Oberbürgermeister geht seinerseits gegen einen am Dienstag vom Landesverwaltungsamt verhängten Baustopp für den Deich vor.

Der Gimritzer Damm an der gleichnamigen Straße in Halle-Neustadt sorgt nicht erst für Diskussionen, seit Wiegand am 15. Juli mit der Begründung, Gefahr für Leib und Leben abwenden zu müssen, im Alleingang den Baustart für den Deich verkündete. Spätestens seit dem Winter-Hochwasser Anfang 2011 steht nämlich fest, dass der Deich seine Bezeichnung längst nicht mehr verdient. Die Saaleflut drückte damals mit einem Pegel von 6,90 Meter auf den Wall. Seinerzeit wurde die Sieben-Meter-Marke als kritischer Wert angesehen. Was Wiegand als damaligen Innendezernenten dazu veranlasste, im Eilverfahren einen mobilen, 1,6 Kilometer langen Schutzschlauch zu kaufen, um damit den Deich schnell und unkompliziert erhöhen zu können. Zum Einsatz kam die 45?000 Euro teure Sperre zunächst nicht. Wiegand aber geriet in die Kritik, nachdem das Rathaus damals seinen Flut-Bericht vorgelegt hatte. Daraus ging hervor, dass er als Chef des Krisenstabes den Kauf ohne Abstimmung mit der 2011 amtierenden Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados (SPD) in die Wege geleitet hatte.

Wiegand wollte zunächst eine mobile Schutzwand kaufen

Genutzt wurde der sogenannte Doppelkammerschlauch beim Juni-Hochwasser in diesem Jahr. Parallel zu den etwa 120?000 Sandsäcken wurde er auf dem Gimritzer Damm aufgebaut. Doch was niemand ahnte: Der Hochwasserscheitel der Saale rollte in der Nacht zum 5. Juni mit einem Pegel von 8,10 Meter durch Halle. Am Gimritzer Damm mussten Feuerwehrleute, Bundeswehrsoldaten und freiwillige Helfer aufgeben. Als das Wasser erstmals über die Dammkrone lief, hielten die Hallenser den Atem an - Neustadt war in akuter Gefahr. Doch der verschlissene Damm, über dessen Sanierung seit dem Hochwasser 2011 diskutiert wird, hielt den Wassermassen stand. Nach dem Sinken der Pegel aber kam der Landesbetrieb für Hochwasserschutz zu dem Schluss, dass der Gimritzer Damm der nächsten Flut nichts mehr entgegenzusetzen hat. Der Stadt wurde jedoch mitgeteilt, dass eine Sanierung noch in diesem Jahr nicht mehr möglich sei. Wiegand wollte deshalb zunächst eine mobile Hochwasserschutzwand kaufen. Mit diesem System, das andernorts genutzt wird, sollte Neustadt Schutz geboten werden. Doch Gasleitungen entlang des Gimritzer Damms machten die Pläne zunichte. Wiegand, der während der Flut den Namen Deichgraf bekam, holte „Plan B“ aus der Schublade. Er ließ im Eiltempo ein Vergabeverfahren laufen und den Bau eines 4,9 Millionen Euro teuren Deichs starten. Begründung: „Es besteht Gefahr für Leib und Leben.“

Wiegands Eilantrag gegen den verhängten Baustopp könnte allerdings zu weiteren Spannungen zwischen dem OB einerseits und der Kommunalaufsicht sowie dem Stadtrat andererseits führen. Nach Auffassung von Rechtsexperten darf Wiegand Rechtsstreitigkeiten von erheblicher Bedeutung nicht ohne Auftrag des Stadtrats führen. Wiegand sieht das anders: „Es handelt sich nach wie vor um einen Eilfall“, so Stadtsprecher Drago Bock.