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Gesundheitsunternehmen Gesundheitsunternehmen: Krankenhäuser als kranke Häuser

Von Bärbel Böttcher und Hendrik Kranert-Rydzy 13.02.2013, 19:31

Halle (Saale)/MZ. - Schmuck sieht es aus, das Krankenhaus Martha Maria am Stadtrand von Halle. Mehr als 100 Millionen Euro hat das Land in den letzten 13 Jahren in den Standort investiert, wofür die Klinikleitung, wie sie betont, sehr dankbar sei. Das Haus ist heute mit moderner Technik ausgestattet. Die Betten in den neu gestalteten Krankenzimmern sind gut ausgelastet. Und Martha Maria gehört auch nicht zu dem Drittel der Krankenhäuser Sachsen-Anhalts, die wirtschaftliche Probleme haben.

Sorge um den Standard

"Wir schreiben eine schwarze Null", sagt Geschäftsführer Thomas Völker. "Und trotzdem blicken wir mit Sorge in die Zukunft", fügt er hinzu. "Können wir den hohen Standard der Krankenversorgung, den wir derzeit haben, auch in Zukunft halten?" Das ist die Frage, die alle 48 Krankenhäuser im Land umtreibt. Grund ist das derzeitige Finanzierungssystem. Krankenhäuser erhalten Geld aus zwei Richtungen. Da sind zum einen die Krankenkassen, die für die Betriebskosten aufkommen - dazu gehören Personalkosten, Sachkosten wie Medikamente und Verbandsmaterial oder die Stromkosten.

Ihren Niederschlag findet das alles in den sogenannten Fallpauschalen. Doch deren Entwicklung hält mit der Entwicklung der Kosten nicht Schritt. So sei im vergangenen Jahr in Sachsen-Anhalt die Vergütung eines Falles - ausgehend von einem Basiswert - um 2,5 Prozent gestiegen, sagt Markus Füssel, kaufmännischer Leiter von Martha Maria. Aber allein die Tarifsteigerung für die Mitarbeiter habe vier Prozent betragen. Nicht zu reden von den Stromkosten. "Irgendwann kann das auch das bestaufgestellte Haus nicht mehr kompensieren", resümiert er.

Bisher ist das der Klinik gelungen. "In den letzten Jahren sind wir stetig gewachsen. Durch die steigende Zahl von Behandlungsfällen konnten wir die Tarifsteigerungen ein Stück weit auffangen", sagt Völker. Doch diese Art Wachstum hat auch Grenzen, wie Sabine Schmitt, Chefärztin der Orthopädie betont. Die Fallzahlsteigerungen der letzten Jahre seien durch die Neustrukturierung der Abteilung möglich gewesen. Doch die sei nun abgeschlossen. Steigerungen wie in den vergangenen fünf Jahren seien nicht mehr möglich.

Um wirtschaftlich zu bestehen seien Krankenhäuser - auch kleinere - zunehmend bemüht, Spezialleistungen anzubieten, mit denen sie höhere Erlöse erzielen können, sagt Gösta Heelemann, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Sachsen-Anhalt. Auch das Krankenhaus Martha Maria hat sein "medizinisches Profil geschärft", wie Geschäftsführer Völker es ausdrückt. Neue Abteilungen seien dazugekommen. Aber die Abteilung für Geburtshilfe und die Kinderklinik seien geschlossen worden. "Wir haben gemerkt, dass andere da besser aufgestellt sind."

"Die Situation der Kliniken wird dadurch verschärft, dass in Sachsen-Anhalt seit fast zehn Jahren der zweite Teil der Krankenhausfinanzierung, nämlich die Finanzierung von Investitionen, fehlt", sagt Heelemann. Dafür ist das Land zuständig. Dadurch klaffe inzwischen eine Lücke von etwa 155 Millionen Euro. Und jedes Jahr kämen 30 bis 40 Millionen dazu. Nach Informationen aus dem Sozialministerium ist das bislang letzte Investitionsprogramm 2006 beschlossen worden. Die Projekte reichten bis ins Jahr 2017. Dennoch sieht Sozialminister Norbert Bischoff (SPD) hier für die nächsten Jahre eine "Riesenherausforderung". "Wir werden ab 2016 wieder mehr Landesmittel für Investitionen brauchen. Da hat die Krankenhausgesellschaft völlig recht."

Auch Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) räumt ein: "Der Investitionsstau in den Kliniken ist allen in der Landesregierung bekannt und wird auch seit längerem diskutiert." Er sehe aber keine Möglichkeit, die derzeit in Rede stehende Summe aus dem Haushalt des Landes zu leisten. Ob zumindest ein Teilbetrag im Haushalt 2014 eingestellt werde, sei derzeit noch völlig offen; die Etatberatungen beginnen erst im März.

Ist ein Grund für die schwierige Lage vieler Häuser die Krankenhauslandschaft selbst? Das Land habe zehn bis zwölf Krankenhäuser zu viel, hat Wirtschaftsministerin Birgitta Wolff (CDU) unlängst im MZ-Gespräch gesagt. Und auch die AOK Sachsen-Anhalt, die Jahr für Jahr steigende Kosten für Krankenhausbehandlungen verzeichnet - dieses Jahr werden es fast 966 Millionen Euro sein - fordert den Abbau von Überkapazitäten und eine weitere Spezialisierung. Das geschehe nicht immer. "Stattdessen wird versucht, sämtliche nur mögliche Leistungen in einem Krankenhaus anzubieten, um zusätzliche Patienten behandeln zu können", sagt AOK-Vorstand Ralf Dralle. "Dies löst die Probleme nicht; im Gegenteil. Die Strukturen werden weiter aufgesplittet und die wirtschaftliche Basis der Krankenhäuser nicht verbessert."

Die Krankenhausgesellschaft sieht das naturgemäß anders. "Wenn wir eine wohnortnahe und qualitativ hochwertige stationäre medizinische Versorgung wollen, müssen wir uns zur heutigen Krankenhauslandschaft bekennen", betont Geschäftsführer Heelemann. "Die Krankenhäuser sind gut im Land verteilt." Einer Studie zufolge, die das Institut für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung im Auftrag der Krankenhausgesellschaft angefertigt hat, wächst die Nachfrage nach Krankenhausleistungen in Sachsen-Anhalt bis zum Jahr 2025 um etwa fünf Prozent. Rein rechnerisch, so Heelemann, entspreche das einem Krankenhaus mit 700 Beschäftigten.

Bischoff widerspricht Wolff

Obwohl Minister Bischoff diese Zahlen bezweifelt, sieht er die Krankenhauslandschaft differenziert. Im ländlichen Raum sei sie für ihn okay. "Ich gehe weder von 15 noch von zehn bis zwölf zu schließenden Kliniken wie die Wissenschaftsministerin aus, sondern rechne mit drei bis vier Außenstandorten, die geschlossen werden müssen." Überkapazitäten sieht er dagegen in Magdeburg und Halle. Er fordert mehr Kooperation zwischen den Häusern. Da sei noch viel Luft nach oben. "Die bestehenden Krankenhäuser und die Unikliniken konkurrieren miteinander, statt miteinander zu kooperieren." Das Land könne dazu nur Empfehlungen geben, aber nichts anordnen. "Wir haben kein Druckmittel. Daher werde ich auch kein Medizinkonzept für das ganze Land mit klaren Standortansagen vorlegen können", so der Minister.

An der Basis sieht man das anders. Wer kritisiere, dass es in Halle fünf Krankenhäuser gibt, müsse genauer hinschauen, heißt es im Martha Maria. 60 Prozent der Patienten kämen gar nicht aus der Stadt, sondern aus dem Umland. "Dennoch - wir würden uns ein Eingreifen der Politik, eine Steuerung durchaus wünschen", sagt Walther Seiler, ebenfalls Geschäftsführer am Martha Maria. Die Klinikstruktur im Land, so fügt sein Kollege Völker hinzu, könne durchaus an manchen Stellen hinterfragt werden. Aber das könnten die Häuser nicht untereinander regeln. Da müssten alle Beteiligten - die Kliniken, die Krankenkassen und das Ministerium - an einen Tisch. "Dieser Prozess muss von der Politik moderiert werden." Und dafür sei es höchste Zeit.