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Geschichtspflege Geschichtspflege: Ein Bayer kauft DDR-Grenztürme statt Ferraris

Von Christiane Gläser 25.06.2012, 06:23
Ein ehemaliger DDR-Wachturm steht auf dem Gelände des Deutsch-deutschen Freilandmuseums in Behrungen an der bayerisch-thüringischen Grenze. (FOTO: DPA)
Ein ehemaliger DDR-Wachturm steht auf dem Gelände des Deutsch-deutschen Freilandmuseums in Behrungen an der bayerisch-thüringischen Grenze. (FOTO: DPA) dpa

Behrungen/Üchtelhausen/dpa. - Grau und kantig steht der Turm mitten im Nirgendwo zwischen Bayern und Thüringen. Er ist Zeugnis der deutsch-deutschen Trennung. Auch die 300 Meter rund um den Koloss zeugen von der Geschichte der Teilung. Die gut erhaltenen Anlagen des ehemaligen Grenzabschnittes 44 repräsentieren einen von fast 1400 Grenzkilometern zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland.

„Fast nirgendwo sonst sind sie in dieser Gesamtheit noch erhalten“, sagt Andreas Erhard. Der Bayer und seine Familie haben den Turm und das Land drum herum gekauft. Aus eigener Tasche. Aus purem Interesse für Geschichte. Mittlerweile besitzt die Familienstiftung drei denkmalgeschützte Grenztürme, rund einen Hektar Land und die Errungenschaften sind Teil des deutsch-deutschen Freilandmuseums im thüringischen Behrungen und bayerischen Hendungen (Landkreis Rhön-Grabfeld).

Vor 30 Jahren noch hatte Unterfranke Erhard mit der DDR nicht viel am Hut. Der Mauerfall kam unerwartet, die Außendiensttätigkeit in den neuen Ländern auch. Bei seinen Dienstreisen durch das unbekannte Land, entdeckte er zufällig den Grenzturm. Zerfallen, vernagelte Türen, unbenutzbar. „Für mich stand relativ schnell fest: Dieser Turm der DDR-Geschichte muss erhalten werden“, erinnert sich der 52-Jährige.

Mehr als 4000 Arbeitsstunden steckte er mit seiner Familie in die Sanierung. Heute strömen im Jahr bis zu 12 000 Besucher nach Behrungen und lassen sich durch die Anlagen führen. Meist sind es Schulklassen und ältere Menschen. Die jüngsten Besucher sind etwa zehn Jahre alt. „Für die Kleinen ist das ähnlich, als wenn ich hier Dinosaurier vorbeilaufen lasse. Für die ist das etwas aus einer ganz fernen Zeit.“ Für die älteren Schüler ist es dagegen Pflichtlektüre - praktisch erzählt.

Die Grenzanlagen hat die Familie aus Nordbayern komplett in Eigenregie instand gesetzt. Und auch eigenfinanziert. Ohne staatliche Fördergelder. Das war der Familie wichtig. Zum einen wollten sie sich nicht abhängig machen und zum anderen wollten sie zeigen, dass bürgerliches Engagement im größeren Stil auch ohne Finanzspritzen vom Bund möglich sind. Wie viel Geld Erhard investierte, will er nicht sagen. Er hatte einen guten Job in der Mineralölwirtschaft, lautet seine Antwort stattdessen.

In den Anfangsjahren seien sie viel belächelt worden. Mittlerweile jedoch seien ihre Bemühungen anerkannt. „Wenn wir die Türme und Anlagen nicht erhalten hätten, wären sie jetzt weg oder gänzlich verfallen“, ist sich der 52-Jährige sicher. Die Grenzanlagen stehen heute alle als Ensemble unter Denkmalschutz, der Unterfranke schreibt wissenschaftliche Bücher, dem Thüringischen Landesamt für Denkmalschutz steht er eigenen Angaben zufolge als Experte für Bodendenkmäler zur Seite.

Mit einem der rund 30 Grenzmuseen entlang der rund 1400 Kilometer langen ehemaligen Grenze will die Familie ihr Engagement nicht verglichen wissen. „Die erläutern alles und dann steht da ein Bratwurststand und es wird Cola verkauft“, kritisiert der Unterfranke. Bei ihnen stehe stattdessen der Charakter des Denkmals im Mittelpunkt. Ohne Schnickschnack, ohne Geschäftssinn, ohne Ablenkung.

Bei den Besuchern der Gemeinde Grabfeld, zu der Behrungen gehört, kommt das Konzept an, weiß Bürgermeister Ingo Hein zu berichten. „Es ist schade, dass die Grenzanlagen nicht durchgängig geöffnet sind. Die Nachfrage ist groß und sie nimmt zu“, sagt er. Der 51-Jährige findet das private Engagement der Familie bemerkenswert. „Es ist immer wichtig, die Geschichte zu bewahren. Leider ist die innerdeutsche Grenze nur noch an wenigen Stellen erhalten“, sagt Hein. Es sei gut, dass es Leute wie die Erhards noch gebe.

Andreas Erhard steht in einem ehemaligen DDR-Wachturm in Behrungen an der bayerisch-thüringischen Grenze. (FOTO: DPA)
Andreas Erhard steht in einem ehemaligen DDR-Wachturm in Behrungen an der bayerisch-thüringischen Grenze. (FOTO: DPA)
dpa