Franz Prinz zu Salm-Salm Franz Prinz zu Salm-Salm: So tickt Grünen Politikerin Claudia Dalberts knorriger Gegenspieler

Wittenberg - Über dem Eingang des alten Forsthauses hängt ein kleines weißes Schild „Casa Sophia“. Die Türen des 1924 errichteten Gebäudes sind niedrig, in den Räumen stehen schwere braune Holzmöbel, die Dielen sind schon etwas abgewetzt. „Mit meiner Frau Sophia habe ich das Haus hergerichtet“, sagt Franz Prinz zu Salm-Salm.
„So wohnt der Adel heute“, fügt er lächelnd hinzu. Der 53-Jährige besitzt rund 830 Hektar Wald nahe Wittenberg. In Sachsen-Anhalt ist Salm-Salm vor allem als lautstarker Kämpfer für die Forstwirtschaft und den ländlichen Raum bekannt. In den vergangenen Monaten machte er kräftig außerparlamentarische Opposition gegen die Grüne Landwirtschafts- und Umweltministerin Claudia Dalbert. Damit hat er es sogar in die bekannte Talk-Sendung „Hart aber Fair“ von Frank Plasberg geschafft.
„Massentierhaltung“ von Bäumen?
In einem kleinen Wintergarten sitzt Salm-Salm mit kariertem Hemd, brauner Cordhose und Jägerjacke. Auf dem Tisch stehen noch die Kaffeetassen vom Frühstück mit den drei Söhnen. Dazwischen liegen Papiere zum Waldbesitzertag an diesem Samstag in Wittenberg. Das Einladungsschreiben ist ganz im Duktus vom Salm: „Wahl und Wohlleben – keine ,alternativen Fakten’ im Privatwald“. Die „Wahl“ bezieht sich auf die Bundestagswahl im September 2017.
„Wohlleben“ –ist der Name des Baum-Autors und Försters Peter Wohlleben, der mit Büchern über das Seelenleben von Bäumen und Tieren Millionenauflagen erreicht. Doch wenn Wohlleben vom modernen Wald als „Massentierhaltung von Bäumen“ spricht, geht Salm-Salm der Jägerhut hoch. Dabei ist der Chef des Waldbesitzerverbandes eigentlich ein Öko.
Salm-Salm stammt von einer alten Grafenfamilie aus Rheinland-Pfalz ab. Sein Vater besaß vor dem Zweiten Weltkrieg Wälder in Böhmen, die verloren gingen. Aufgewachsen ist der Prinz mit sieben Geschwistern in Wallhausen (Rheinland-Pfalz). „Die Kleinen mussten immer die Kleider der Größeren auftragen.“
Salm-Salm ist also nicht als Waldbesitzer geboren. Er studierte Jura und arbeitete einige Jahre als Rechtsanwalt. Sein Spezialgebiet: die Übergabe von Landwirtschafts- und Forstflächen innerhalb von Familien. Von seinem Vater bekam er einen kleinen Bauernhof mit 70 Hektar im Münsterland überschrieben. „Mein Traum war es jedoch, dass unsere Familie wieder Wald besitzt“, sagt Salm-Salm.
Bei tiefen Holzpreisen zugeschlagen
Im Jahr 1999, als halb Deutschland wie im Wahn Technologie-Aktien, Stichwort T-Aktie, kaufte, sah der passionierte Jäger seine Chance gekommen. Die Holzpreise lagen auf einem Tiefststand. In Bäume zu investieren, kam kaum jemandem in den Sinn. Mit seiner Frau kaufte Salm-Salm 800 Hektar Wald in Sachsen-Anhalt und lebte zwei Jahre zeitweise in einem Bauwagen aus einem ehemaligen Tagebau. Als erstes fiel ihm auf, dass sich in seinem Wald die Bäume nur wenig natürlich vermehrten, weil der Wildverbiss zu hoch war. „Zäune um Jungbäume zu ziehen, damit sie geschützt sind, kannte ich aus meiner Heimat nicht“, sagt er.
Also setzte er sich dafür ein, dass mehr Rehe, Hirsche und Wildschweine geschossen werden. Schon damit eckte er bei den alteingesessenen Jägern an. Bei den Waldbesitzern kam das allerdings gut an. Einer, der die Probleme offen anspricht. Sie machten ihn 2008 zum ehrenamtlichen Chef des Waldbesitzerverbandes.
Seither streitet Salm-Salm dafür, dass Naturschutz und Holznutzung im Wald keine Gegensätze sind. „Damit ein Wald gesund bleibt, ist es gut, ältere Bäume herauszunehmen.“ Nach seinen Worten seien diese besonders anfällig für Schädlinge. Seinen eigenen Wald will er mit 70 Prozent Nadel- und 30 Prozent Laubbäumen bestücken, damit dieser bei Stürmen widerstandsfähiger wird. „70 Prozent Laubbäume ginge aber nicht, weil die Holzindustrie vor allem Nadelbäume nachfragt.“
Den Wald in Sachsen-Anhalt hält er für gesund - noch. Das ist auch die Einschätzung des renommierten Thünen-Instituts für Waldökosysteme. Laut Institutsleiter Andreas Bolte könnte sich die Lage durch den Klimawandel mit Trockenheit, Hitze und Schädlingen aber verschlechtern. Nicht alle der rund 60 Baumarten in Deutschland können sich auf Wetterextreme einstellen. Durch Trockenheit ist es im Raum Dessau-Roßlau bereits im vergangenen Sommer zu einem mysteriösen Kiefernsterben gekommen. Der Diplodia-Pilz, der sonst nur einige Bäume nach schweren Stürmen befällt, raffte ganze Kiefernhaine dahin. Das treibt Salm-Salm um.
Heftig angeeckt ist er zuletzt mit Umweltministerin Dalbert. Aufgrund knapper öffentlicher Kassen wurden die Forstverwaltungen in den vergangenen Jahren personell stark ausgedünnt. Einige Reviere sind kaum noch in der Lage, alle ihre Aufgaben, gerade in der Schädlingsbekämpfung, zu erfüllen. Dennoch wollte die Grünen-Ministerin 100 neue Stellen, vor allem im Umweltbereich, besetzen - nicht im Forst. Salm-Salm rief zum Widerstand gegen Dalbert auf.
Anfang des Jahres initiierte der Waldbesitzer-Chef einen offenen Brief von 18 forst- und landwirtschaftlichen Verbänden an Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU). In dem fünfseitigen Schreiben klagten die Verbände darüber, dass es „keine konstruktiven Dialoge mit der Landesregierung“ gibt, sondern dort nur „Schnellschüsse und folgenschwere, ja katastrophale Entscheidungen“, getroffen werden.
Zwar platzte anschließend ein Krisentreffen zwischen Dalbert und den Verbänden. Bei den neuen Stellen bekamen die Bereiche Land- und Forstwirtschaft aber dann doch knapp 50 zugewiesen. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass in den Forstverwaltungen Salm-Salm seither geschätzter ist als die eigene Ministerin.
Nach seinen Worten hat er nichts gegen Frau Dalbert persönlich. Er hat Respekt davor, dass „die Ministerin zuvor schon als Uni-Professorin beruflich viel erreicht hatte“. Doch wirft Salm-Salm ihr vor, die Anliegen der Forstwirtschaft „nicht ernst genug zu nehmen, nicht richtig zuzuhören“. Mit seiner zugespitzten, manchmal auch poltrigen Art macht es Salm-Salm seinem Gegenüber nicht immer einfach, Kompromisse einzugehen.
Auch Dalbert hat gute Argumente, warum einzelne Umweltbereiche gestärkt werden müssen. Der Präsident des Bauernverbandes, Olaf Feuerborn, sagt über ihn: „Er mag manchmal etwas impulsiv sein, doch es geht ihm immer darum, die fachlich beste Lösung zu finden.“
Patenonkel bei Hitler-Attentat dabei
Salm-Salm ist kein Gegner der Grünen - eher im Gegenteil. Im Münsterland betreibt er noch immer einen Bio-Gemüse-Hof. Eine gesunde Ernährung, ein gesunder Wald sind ihm wichtig. Für seine Überzeugungen streitet er gern. Das liegt wohl auch in der Familie. Sein Patenonkel war am Attentat vom 20. Juli 1944 auf Adolf Hitler beteiligt. „Wenn ich hier gemütlich vom Schreibtisch aus für die Forstwirtschaft streite, riskiere ich dennoch wenig.“ Er sagt das im Gespräch ganz locker und gelassen. Warum agiert er dann an anderer Stelle so verbissen?
Mit dem Kauf des Waldes und der Sanierung eines alten Forsthauses hat sich Salm-Salm einen Traum erfüllt. Seine Familie, die auch noch im Münsterland lebt, hat ein zweites Zuhause gefunden. Dafür hat er finanziell viel riskiert. Er reagiert allergisch, wenn ihm Umweltschützer oder Politiker vorschreiben wollen, wie er seinen Wald zu pflegen und zu bewirtschaften hat. Schließlich war es auch der sächsische Berghauptmann Hans Carl von Carlowitz, der 1713 als Erster den Begriff der Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft prägte. Es soll nicht mehr Holz aus dem Wald entnommen werden, als nachwächst. In dem Sinn ist auch Salm-Salm ein Grüner.