Flugzeug-Enthusiast Clemens Aulich Flugzeug-Enthusiast Clemens Aulich: Wernigeröder baut Cockpit für Steven Spielbergs "Bridge of Spies"

Berlin - Eine Rakete trifft ein Flugzeug. Splitter durchschlagen das Leitwerk. Beide Tragflächen reißen ab. „Mein Gott, ich bin getroffen!“ Der Pilot hat Todesangst, seine Maschine kippt nach unten weg. Letzter Blick auf den Höhenmesser - 20 000 Meter über der Sowjetunion.
Als Ausweg bleibt dem US-Spion Gary Powers, dem verzweifelten Mann im Cockpit, nur der Fallschirm. Was folgt: die Festnahme - und Jahre später der Austausch gegen einen in den USA festgesetzten russischen „Kundschafter“, auf einer Brücke zwischen Potsdam und Westberlin.
Flugzeug in der eigenen Werkstatt nachgebaut
Der Abschuss ist eine Schlüsselszene aus „Bridge of Spies“, dem neuesten Wurf von Film-Genie und Milliardär Steven Spielberg. Seit Donnerstag zieht der Streifen - zwei Stunden und zwölf Minuten - mit Tom Hanks in der Hauptrolle die Fans in die Kinos.
Es geht um den Abschuss eines Spionageflugzeuges des CIA-Geheimdienstes im Kalten Krieg über der Sowjetunion. Keine Erfindung, der Dreh handelt von historischen Ereignissen zu Beginn der 60er Jahre. Spielberg macht daraus ein Drama, das unter die Haut geht. Einen Anteil daran hat Clemens Aulich aus Wernigerode. Der Flugzeug-Enthusiast aus dem Harz hat für die Aufnahmen den halben Jet nachgebaut. In der eigenen Werkstatt. Nach seinem Entwurf fertigten bei ihm angestellte Handwerker zunächst ein Modell aus Kunststoff und Holz. Nach Sitzproben mit Stuntmen in den Filmstudios Babelsberg folgte die Ausführung in Metall und mit Ausrüstung, darunter Funkgerät, Steuerhorn und Radar.
Platz neben E.T.
U2 - die Abkürzung steht für strategisches Aufklärungsflugzeug. Nicht nur die Kinozuschauer staunen, auch die Fachwelt zollt der detailgetreuen Arbeit ihren Respekt. Spielberg ist so angetan, dass Aulichs Werk in seinem Privatmuseum einen Ehrenplatz einnimmt. Zwischen Requisiten aus anderen Welterfolgen wie „Schindlers Liste“ oder „E.T. - der Außerirdische“.
Stolz zeigt Clemens Aulich ein Foto. Es zeigt drei Männer. Der Mittfünfziger selbst steht in der Mitte, rechts von ihm der ausführende Produzent Adam Somner, an seiner linken Seite ein älterer Herr mit Hut - Steven Spielberg (69), gemessen am Einspielergebnis der erfolgreichste Filmemacher der Welt. Im Hintergrund glänzt metallisch die U2, im Cockpit der Piloten-Darsteller Austin Stowell. Für den Flugzeugbauer genauso wichtig ist der Kameramann auf dem Gerüst, Janusz Kaminiski. Dessen Wunsch bleibt in Erinnerung: Er brauche drei Zentimeter mehr Platz im Cockpit. Erst dann könne man perfekt drehen, zitiert Aulich den Oscar-Preisträger.
Also habe er kurzfristig seinen Entwurf geändert. Möglich sei das gewesen, weil er längst nahezu jede Einzelheit der U2 kennt. Kein Wunder, zu diesem Zeitpunkt beschäftigte sich der Flugzeug-Experte schon ein Jahr mit dem Projekt. Nächtelang studiert er originale Baupläne und auch das Betriebshandbuch. „Ich musste in allen Fragen rund um die U2 fit sein, denn die Leute der Film-Crew, das waren Profis.“ Zeit ist Geld, auch bei einem 300-Millionen-Dollar-Projekt: Ein Tag für die Proben, ein 20-Stunden-Tag zum Drehen - im Film ist dann gerade mal gut eine Minute davon zu sehen.
Ausbau bis zum Sommer
Aulichs Motiv: „Mein Hobby ist alles, was mit der Fliegerei zu tun hat.“ So gehört ihm das private Luftfahrtmuseum Wernigerode, eröffnet 1999. Es zeigt mehr als 50 teils spektakuläre Flugzeuge, zum Beispiel das Schulflugzeug von Prinz Charles. Jüngste Erwerbung ist ein russisches MIG-Jagdflugzeug von 1954 - aus Polen. Die Ausstellungsfläche soll bis nächsten Sommer durch einen Hallenneubau um ein Drittel erweitert werden.
Vom Großvater gelernt
Im Alltag nennt sich der 54-Jährige schlicht Unternehmer. Zu seinen Geschäftsfeldern zählt er Automobilität, Medizintechnik und Elektroantriebe. Geschäftlich geht die Rechnung offenbar auf. Der Ertrag ist so hoch, dass ein nicht gerade preiswertes Freizeitvergnügen mitfinanziert werden kann: „Selber fliegen, meine große Leidenschaft.“ Mancher behaupte von ihm, er habe Kerosin im Blut. Ein wenig, setzt er verschmitzt hinzu, das gehöre sozusagen zur Erbmasse. Sein Großvater sei ihm da ein Vorbild. „Der war ein begnadeter Flugzeugbauer.“
Steigen andere in ihr Auto, klettert der gebürtige Braunschweiger Aulich heute am liebsten in seinen Hubschrauber. Das Fluggerät steht startklar im heimischen Garten. Auch sonst kann der Pilot so ziemlich alles steuern, was fliegen kann und verfügt über nahezu alle erreichbaren Fluglizenzen. Ob seine beiden Söhne, acht und zehn Jahre jung, darüber staunen oder ihm nacheifern wollen? Aulich: „Schwer zu sagen, für meine Kinder ist die ganze Fliegerei vergleichsweise normal.“
Nur weniger Fachleute im Land
Warum Steven Spielberg ausgerechnet auf ihn gekommen ist, bedarf aber doch einer Erklärung. Und die fällt kurz aus. Wer in Deutschland einen Film mit Flugzeugen dreht, sagt Aulich ohne falsche Bescheidenheit, landet früher oder später bei ihm. Spätestens nach der erfolgreichen Mitarbeit an TV-Streifen wie „Starfighter - Sie wollten den Himmel erobern“ oder „The Lake“, eine demnächst in die Kinos kommende Produktion, spreche sich das in der Szene eben herum. „Die Zahl der Fachleute ist hierzulande recht überschaubar.“ (mz)

