Fall Görgülü Fall Görgülü: Protest gegen ungehorsames Amt
Wittenberg/MZ. - Sein Sohn wird bald in die Schule kommen. Christofer, so heißt er, ist jetzt schließlich schon fünfeinhalb. Vor drei Jahren hat Kazim Görgülü ihn das letzte Mal gesehen. Das Treffen fand in einem Amtsbüro statt. Dass der fremde Mann sein Vater ist, erfuhr das Kleinkind nicht. Das war auch nicht vorgesehen. Jetzt steht Kazim Görgülü im dunklen Wintermantel am Rande des Obi-Parkplatzes in Wittenberg. Der Mann trägt ein Transparent: "Keine Zwangsadoption von Christofer durch die Pflegeeltern" steht darauf.
Unzählige Verfahren
Seit 1999 kämpft der im sächsischen Krostitz mit einer Deutschen verheiratete Türke vor unzähligen Gerichten bis hin zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte um das Sorge- und Umgangsrecht für seinen Sohn (die MZ berichtete). Das uneheliche Kind war kurz nach der Geburt von seiner Mutter zur Adoption freigegeben worden. Seither lebt Christofer unter Vormundschaft des Jugendamtes bei Pflegeeltern im Landkreis Wittenberg.
Ende Dezember 2004 hatte das Bundesverfassungsgericht schließlich eine Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg als "Willkür" gerügt, das Görgülü den Umgang mit seinem Kind untersagen wollte. Zugleich ordneten die Karlsruher Richter an, dass Görgülü ab 8. Januar 2005 unter Aufsicht jeden Samstag zwei Stunden Kontakt mit Christopher zu gewähren sind.
Doch das verhinderte der Amtsvormund bislang mit Erfolg. Deshalb stehen Görgülü und seine Ehefrau Celestina an diesem eiskalten Januartag mit einigen Freunden aus der Türkei und mit Funktionären verschiedener Väter-Verbände an einem Parkplatz in Wittenberg. Zur dreistündigen Mahnwache aufgerufen hat der "Väteraufbruch für Kinder". "Die Rechte der Kinder müssen gestärkt werden" und "Väter sind nicht schlechter geeignet als Mütter", sagt Dietmar Nikolai Webel vom "Väteraufbruch". Er spricht von etwa 150 000 Vätern in Deutschland, die ihre Kinder nicht sehen geschweige denn für sie sorgen dürften. Keine Frage, das Mitgefühl der Passanten, Frauen zumeist, ist mit den Protestierenden.
"Wie kann ein Amt ein Urteil des höchsten deutschen Gerichtes de facto torpedieren?" Diese Frage will Görgülüs Anwältin Azime Zeycan vom Landkreis Wittenberg beantwortet wissen. Zeycan spricht von "absoluter Willkür" und "Rechtsbruch". Um 10.50 Uhr startet eine kleine Expedition mit der Anwältin an der Spitze zum nahe gelegenen Jugendamt. "Die Amtsleiterin ist leider in einer Besprechung", erklärt die Dame vom "Tagesdienst" nach Rücksprache hinter verschlossener Tür.
Am Nachmittag verteidigt Landkreis-Pressesprecher Ronald Gauert das Vorgehen des Amtsvormundes, der eine Mitarbeiterin des Jugendamtes ist und damit auch des Landkreises. Der Amtsvormund habe Widerspruch gegen die "einstweilige Anordnung" aus Karlsruhe eingelegt und den Pflegeeltern "angeordnet, das Kind nicht zum Umgang zu geben".
Neues Gutachten?
Zur Begründung des amtlichen Ungehorsams zieht Gauert ein, wie er sagt, "neues Gutachten", heran. Demnach wäre der Umgang des Vaters mit seinem Sohn dem "Kindeswohl" abträglich. Das Gutachten stammt von den gleichen Ärzten aus Halle, die in der Kontaktaufnahme Görgülüs mit seinem Sohn schon früher eine "massive Gefährdung des Kindeswohls" attestiert hatten. Doch diese "fachmedizinischen Einschätzung" hielten die Karlsruher Richter nicht für ausreichend, um eine Gefährdung des Kindeswohls zu begründen.
Wann Görgülü seinen Sohn sehen kann, steht weiter in den Sternen. Seine Anwältin kündigte Strafanzeige an.