"Espitas" in Halle "Espitas" in Halle: Anders und schön scharf

Halle/MZ. - Das hat irgendwie was. Da fährt man auf der B 6 unweit der halleschen Messe gerade noch am Einkaufscenter-Komplex vorbei - da leuchtet eine Silhouette an der Straße, die so gar nicht in die Gewerbe-Landschaft passt: Ein stattliches, ockergelbes Gebäude auf Stelzen mit einem Glockenturm. Umrandet von einem Teich. Deko-Geckos klettern die Hauswände entlang. Seit gut fünf Monaten gibt es das Großrestaurant „Espitas“ in Halle - kein Haute-Cuisine-Tempel, eher ein Stück Erlebnisgastronomie. Und authentisch mexikanisch, wie man hört. Gerade zu beliebten Zeiten soll es hier schwierig sein, noch einen Tisch reserviert zu bekommen.
Doch an diesem Abend ist es ruhig im Espitas. Ein paar Grüppchen verteilen sich in dem Haus, das auf zwei Etagen 300 Gästen Platz bietet. Und noch einmal 300 auf der Terrasse, aber das steht an diesem kalten Tag nicht zur Debatte - zumal die Sache mit der B 6 vor der Haustür einen Platz im Freien erst einmal mittelmäßig attraktiv erscheinen lässt. Wir werden offenbar schon erwartet - jedenfalls ist sofort eine freundliche Service-Kraft zur Stelle, die uns an einen Tisch im oberen Teil führt.
Was für ein Interieur! Eingangstür, Mobiliar und sämtliche Deko-Elemente - vom Wand-Gecko bis zur Lampe - werden direkt aus Mexiko importiert, wird später Robert Laskowski von der Geschäftsleitung der Espitas-Kette sagen. Und voller Überzeugung hinzufügen: „Das ist 100 Prozent Mexiko.“ Wir jedenfalls sind angetan. Auch, als sich die Kellnerin höflich vorstellt - und gleich den Margarita des Hauses zum Selbermixen empfiehlt. Das macht dann zwar eher den Eindruck, als sei dieser Tipp Standardempfehlung, aber: Wir probieren. Und stellen später fest: Auf das Selberschütteln könnten wir verzichten, der Cocktail, der seine tiefrote Farbe von einem Hibiskusblütenkonzentrat bekommt, schmeckt gut - aber nicht außergewöhnlich.
In der ersten Speise-Runde soll es natürlich ebenfalls etwas Mexikanisches sein. Also bitte gleich beide Vorspeisenteller, bei denen je typische Starter zusammengestellt werden - von den „Flautas“ genannten Röllchen mit Chili-con-Carne-Füllung bis zur Quesadilla. Auch die Süßkartoffelsuppe (3,90 Euro) soll es sein - was sich bald schon als gute Entscheidung herausstellt: Sie ist zwar weniger mild und süßlich als erwartet, aber hat mit der Chorizo-Wurst darin einen angenehm scharf-würzigen Geschmack. Auch die Happen des „Vorspeisensamplers No. 2“ (6,90 Euro) zum Salsa-Dip überzeugen. Zwar kommen die Molletes mit Hühnchen und Avocado etwas zäh daher, doch Flauta und vor allem die warmen Quesadillas mit Chorizo und geschmolzenem Käse machen Appetit auf mehr.
Schade nur, dass die freundliche Bedienung den anderen Vorspeisenteller glatt vergessen hat. So wird uns bereits das Hauptgericht präsentiert, als für Gang Nummer eins noch gar nicht alles auf dem Tisch steht - und wir im Übrigen noch mit den servierten Vorspeisen beschäftigt sind. Auf das Versehen angesprochen, sind gleich zwei Damen vom Service zur Stelle. Sie bieten an, entweder noch die Vorspeise in Auftrag zu geben oder das Hauptgericht sofort zu servieren und ein Dessert auf’s Haus dazu - was ihnen angesichts der auch gleich erwähnten Zubereitungszeit des bereits vor uns stehenden Steaks offenbar lieber ist. Wir lassen das „Rumpsteak Mole Poblano“ (15,90 Euro/220 Gramm) nicht zurückgehen, es wäre in der Tat auch viel zu schade darum. Denn das Grillen haben die Espitas-Köche drauf: außen eine köstliche Kruste und innen saftig medium gegart. Die mexikanische Kakaosoße dazu klingt aufregend, hat aber einen Geschmack, an den man sich erst gewöhnen muss. Zumal davon etwas zu viel serviert wird: Das Steak und auch der Süßkartoffelstampf sowie das Zucchini-Zwiebel-Tomaten-Gemüse liegen komplett in der Soße. Trotzdem: Das Gericht hat seinen Reiz.
So sieht es auch auf der anderen Tischseite aus: Dort stehen kross ausgebackene Weizenteigfladen mit dem hübschen Namen „Chimichangas“. In Sachen Geschmack ebenfalls neues Terrain, besteht die Füllung doch aus Hühnchen in Ingwer-Orangensoße und Rucola (9,90 Euro) zum Sour-Cream-Dip. Eine Entdeckung, diese köstliche Kombination!
„Bei uns wird authentisches Essen serviert“, betont Robert Laskowski. Allerdings würden die mexikanischen Gerichte etwas abgewandelt, damit sie auch den Gewohnheiten der hiesigen Gaumen entsprechen. Das lässt sich in Sachen Schärfe bestätigen: Die Speisen auf unserem Tisch hatten oft eine scharfe Note, nie aber zu stark - sondern angenehm.
Wieso eigentlich Mexiko? Der Gründer der mittlerweile sechs Espitas-Restaurants war 1997 nach seiner Lehre zum Restaurantfachmann als 19-Jähriger auf große Reise nach Mexiko gegangen, erzählt Laskowski - auch, um die typisch mexikanische Küche kennenzulernen. Und war begeistert. So begeistert, dass er 1999 das erste Espitas in Zwickau eröffnete.
Die Lage an großen Straßen gehöre übrigens zum Konzept, erzählt er. Die Stelzen, die das Gebäude in die Höhe heben, vermittelten dabei den Gästen auf der Terrasse ein gewisses Sicherheitsgefühl. Zum Konzept gehört neben dem mexikanischen Ambiente auch die Kategorie „Systemgastronomie“, zu der man sich selbst zählt. Dabei sind Organisation und Speisen zwar vereinheitlicht, doch trotzdem gebe man sich natürlich große Mühe, auf die Gäste einzugehen, sagt Laskowski: „Wir wollen die Leute nicht abfertigen.“ Vielmehr wolle man ihnen ein Erlebnis bieten - vor allem natürlich in kulinarischer Hinsicht.
Und das wird dann bei Gang Nummer drei noch einmal unter Beweis gestellt: Dem in der - leider etwas zu bunten und damit teilweise unübersichtlichen Karte - heftig beworbenen „Mexico City Cheesecake“ (3,90 Euro) können wir nicht widerstehen. Zu Recht: Warm serviert, mit einer fruchtigen Komponente dank Cranberrys und dann dem keksartigen Boden zur weichen Käsekuchendecke ist er ein Genuss. Das lässt sich leicht auch vom Chocolate Brownie mit Eis (3,90 Euro) sagen, der zwar nicht an Mexiko erinnert - aber toll schmeckt. Dafür dürfen es auch noch einige „Tortilla Caliente“ (3,90 Euro) sein, die kulinarisch wie eine mexikanisch-deutsche Verbindung anmuten: Die Weizenteigchips sind mit Zimt und Zucker bestreut. Dazu gibt es einen Karamell-Dip. Auch das hat was.
