Eier Eier: Kleingruppe statt Käfig
PRETZSCH/MZ. - Rechts und links des Ganges gackern und picken die Vögel auf drei Etagen und stecken ihre Köpfe durch die Gitterstäbe, um Futter vom Band zu picken, das vor den Gehegen montiert ist.
Die weißgefiederten Tiere sind in so genannten Kleingruppenkäfigen zu je 60 Hühnern untergebracht. Die herkömmlichen Käfigbatterien sind aus Gründen des Tierschutzes seit Jahresbeginn in Deutschland verboten. An ihre Stelle soll die Kleingruppenhaltung treten, mit 800 Quadratzentimetern Platz pro Huhn statt zuvor 550, abgedunkelten Legenestern, Sitzstangen und Scharr-Matten. "Artgerechter" nennen das ihre Befürworter - "Käfig ist Käfig" kontern Gegner wie der Deutsche Tierschutzbund. Die Unterschiede zur Käfighaltung seien marginal, heißt es. Die Hennen hätten weiter keinen Platz zum Scharren und die Sitzstangen seien zu niedrig angebracht, so die Tierschützer.
In Sachsen-Anhalt zeichnet sich inzwischen ab, dass die überwiegende Zahl der Legehennenhalter, die zuvor Käfighühner hielten, nicht auf die Kleingruppenhaltung umsteigen wird, sondern auf Bodenhaltung. "Der Hauptgrund ist, dass der Handel die Eier aus Kleingruppenhaltung nicht abnehmen will", sagt Ursula Schimmrigk, Geschäftsführerin des Wirtschaftsverbandes Eier und Geflügel Sachsen-Anhalt. Bereits im vergangenen Sommer hatten einige große Handelsketten angekündigt, nur noch Eier aus Boden-, Freiland- und Biohaltung anzubieten. Zwei der Verbandsmitglieder hatten schon zuvor auf Kleingruppenhaltung umgestellt, sie könnten nun im Landesverband die einzigen bleiben, so Schimmrigk.
Einer dieser beiden Betriebe ist die Agrargenossenschaft Pretzsch. 2006 wurden dort zwei neue Hühnerställe eingerichtet: Einer mit Bodenhaltung und einer mit Kleingruppenkäfigen. Genossenschafts-Vorsitzender Werner Gutzmer ist überzeugt, dass die Kleingruppenhaltung den Hühnern besser bekommt als die nun verbotenen Käfigbatterien. "Kleingruppenhaltung ist mit den alten Käfigen nicht zu vergleichen", sagt er. Das sehe man etwa an der Gefiederqualität der Hennen, die auch am Ende der Legeperiode von einem Jahr noch genauso gut sei, wie bei den Hühnern in Bodenhaltung nebenan.
Auch die Scharr-Matten in den Kleingruppenkäfigen, die deutliche Abnutzungsspuren aufweisen, zeigten, dass die Hühner arttypische Verhaltensmuster an den Tag legten. Gutzmer hat auch deshalb kein Verständnis dafür, dass einige Handelsketten die Kleingruppeneier nicht anbieten wollen.
"Der Handel entscheidet am Verbraucher vorbei", so Gutzmer. Sortimentsentscheidungen richteten sich immer nach der Nachfrage, sagt hingegen der Sprecher des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels, Hubertus Pellengahr. "Einzelne Handelsunternehmen sind zu dem Ergebnis gekommen, dass vermehrt Eier aus Boden- und Freilandhaltung gekauft werden", verteidigt er die Politik der Handelsketten, die Eier aus Kleingruppenhaltung nicht anbieten wollen. Das sei eine rein ökonomische Entscheidung. "Sollten Eier aus Kleinvolieren zu Unrecht in Verruf geraten sein, dann ist das nicht Schuld des Einzelhandels", so Pellengahr. Hier seien die Erzeuger gefordert, die Öffentlichkeit ausreichend zu informieren.
Die Agrargenossenschaft in Pretzsch habe bisher keine Probleme, auch die Eier aus Kleingruppenhaltung zu verkaufen, so Gutzmer. Sie seien bislang ebenso gefragt wie die aus den beiden Bodenhaltungsställen der Genossenschaft. Dabei ist die Erzeugung bei der Kleingruppenhaltung pro Ei fast vier Cent teuer als bei Käfigeiern. So fürchten laut Gutzmer viele Halter, nicht mehr kostendeckend produzieren zu können, mit Pleiten sei zu rechnen.
20 000 Eier verlassen pro Tag die Ställe der Genossenschaft. Gutzmer führt in den Raum, wo eine Sortiermaschine die Eier auf Papp-Paletten sortiert. Jede gefüllte Palette passiert eine Stempelanlage. Die Eier aus der Kleingruppenhaltung erhalten eine "3", genauso wie früher die Batterie-Eier. "Vor ein paar Jahren habe ich auch gedacht, die Drei muss vom Ei", sagt Gutzmer. Mit dem Verbot der Käfigbatterien sei das nun anders. "Jetzt steht die Drei für eine bessere Haltung der Hühner".
Das neue Haltungssystem sei für die Legehennen positiv, sagt auch Silke Rautenschlein von der Tierärztlichen Hochschule in Hannover. Sie ist Professorin an der Klinik für Geflügel und hat an den Forschungen zur Legehennenhaltung mitgewirkt. Natürlich könne noch nachgebessert werden. Wichtig sei etwa die Frage, wie groß die Hühnergruppen sein sollten. Hier habe die Bodenhaltung Schwächen, weil nicht alle Hennenarten den Stress dieser großen Gruppen verkrafteten. "Man weiß noch nicht genau, was die Legehenne wirklich glücklich macht", sagt Rautenschlein.
Die Hühner in Pretzsch, ob in der Kleingruppe oder in den Bodenhaltungsställen nebenan, scheinen dieses Geheimnis noch für sich behalten zu wollen. Äußerlich sind die beiden Gruppen kaum zu unterscheiden. Und unbeeindruckt vom Streit über ihr Glück legen sie ihre Eier - in abgedunkelte Nester hinter orangefarbenen Plastikfahnen.