Edelmetall Edelmetall: Wie sich Gold versilbern lässt
Halle (Saale)/MZ. - Die Lupe klemmt bei Jürgen Krause am Auge, als ob sie in seinem Gesicht festgewachsen ist. Ein Blick genügt dem 67-Jährigen: "585er Weißgold besetzt mit einem Triplette aus Onyx, Opal und Bergkristall." Den Ring, den ich ihm mitgebracht habe, möchte ich loswerden. Genauso wie das Armband, die Kette mit Granatanhänger und einen anderen schmaleren Ring aus Weiß- und Gelbgold.
Längst weiß ich, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Aber glänzend ist schön und anziehend - zumindest für das weibliche Auge. Oder eben lukrativ für den Besitzer. Angesichts des hohen Preises ist es derzeit ein verlockender Gedanke, Ohrringe, Armbänder und Ketten beim Juwelier zu versilbern. Das Edelmetall verteuerte sich am Montag um bis zu 1,5 Prozent auf 1 622,49 Dollar je Feinunze (31,10 Gramm). Seit Monatsbeginn ist der Preis um etwa acht Prozent - oder mehr als 100 Dollar - gestiegen.
Deshalb bin ich mit den alten Schmuckstücken bei Juwelier und Uhrmacher Jürgen Krause in Halle gelandet. Doch der bestimmende Herr macht mir gleich einen Strich durch die Rechnung. "Wir nehmen keine Schmuckstücke. Für uns ist das Altgold - nichts weiter." Nach dem Ankauf würde es nicht weiterverkauft oder verarbeitet, sondern eingeschmolzen. Daher müssen auch die kleinen Granat-Steinchen aus dem Anhänger meiner Kette herausgelöst werden. Dasselbe Schicksal ereilt das Triplette und den kleinen Diamanten, die einst aufwendig in beide Ringe eingearbeitet wurden.
Spätestens an diesem Punkt fällt einigen Kunden der Abschied schwer. "Wer noch emotional an seinen Schmuck gebunden ist, dem rate ich grundsätzlich von einem Verkauf ab", sagt Juwelierin Kerstin Folter, die einen Schmuckladen in Halle führt. Vor allem wenn es den Leuten schwer falle, ein kostbares Stück zu verkaufen, seien sie vom Angebot schnell enttäuscht.
Einen Grund zur Enttäuschung gibt es bei Petra Schauberg (Name geändert) aus Halle nicht - jedenfalls nicht, weil sie mit ihren ausgekramten Schmuckstücken unvergessliche Erinnerungen verbindet. Genauso wie ich hat sie in alten Schränken gesucht und ist fündig geworden. "Diesen Goldring mit dem großen grünen Klunker dran habe ich nie getragen - viel zu auffällig für mich", sagt die 63-Jährige. Kurzen Prozess macht sie auch mit einem weiteren Ring und Ohrringen. Der Grund: Geldnot. Wie viel sie bekommen hat, will die Rentnerin nicht verraten, nachdem sie aus Kerstin Folters Geschäft kommt. Nur soviel: "Mir hilft's. Aber mir helfen auch schon zehn Euro."
So wie Petra Schauberg nutzen derzeit viele Menschen den hohen Goldpreis, um ihren Kontostand aufzubessern: "Es kommen etwa 50 Prozent mehr als in den Vorjahren", erzählt Goldschmied Marco Schulz. Seit 16 Jahren führt er in der Innenstadt von Halle ein Juwelier-Geschäft. In der vergangenen Woche, sagt Schulz, hat der Preis mit 40 Euro pro Gramm verarbeitetem Feingold einen neuen Höchststand erreicht. Nach einem leichten Fall liegt er nun wieder bei 37 Euro. Der Juwelier ist sich dennoch sicher: Der Preis wird weiter nach oben gehen.
Goldige Aussichten prognostizieren auch Analysten: "Gold wird weiter glänzen", sagt Anlage-Berater Sören Bley von der Deutschen Bank. Ambitionierte Einschätzungen im Internet sehen den Goldpreis bis 2012 auf 2 300 Dollar klettern. Von solchen Zahlen sollten sich Verkaufswillige aber nicht blenden lassen. So lauern gerade bei Angeboten im Internet Gefahren. Dubiose Anbieter locken mit hohen Preisen. Schicken Interessenten ihren Schmuck dann tatsächlich ein, soll er am Ende doch nur ein Bruchteil der versprochenen Summe wert sein, erklärt Uhrmacher Jürgen Krause.
Auch der Bundesverband der Juweliere (BVJ) mahnt zur gesunden Skepsis und rät beim Verkauf bei reisenden Händlern oder mobilen Goldankaufs-Stellen zur Vorsicht. "Goldkauf und -verkauf sind Vertrauenssache. Kunden sollten sich im Zweifel vom Juwelier oder Schmuck-Fachgeschäft ihres Vertrauens beraten lassen", sagt BVJ-Präsident Karl-Eugen Friedrich.
Es könne aber auch jeder Interessierte selber den Wert seines Schmuckes berechnen. Wenn ich zum Beispiel meinen Ring aus 585er Gold in Zahlung gebe, entspricht der Feingoldanteil bei acht Gramm Gewicht des Ringes 4,68 Gramm. Bei einem Ankaufspreis von Feingold für 37 Euro je Gramm liegt der Materialwert des Ringes bei 173,16 Euro. Davon abgezogen werden müssen die Kosten für die Schätzung des Ringes, den Versand und das Einschmelzen - das macht in der Regel 30 Prozent des Materialwertes aus. Seriöse Händler machten Angebote, die bei 70 bis 80 Prozent des Marktwertes liegen. Somit würden für den Ring 121,21 Euro herausspringen.
Ob der alte Goldschmuck echt ist, sehen erfahrene Schmuckhändler wie Jürgen Krause meist auf den ersten Blick. Sind sie sich einmal unsicher, behelfen sie sich mit einem Trick. Sie reiben mit Ring oder Kette vorsichtig über einen Schieferstein, so dass sich eine feine, goldige Linie abzeichnet. Mit einer Prüflösung, die Salpetersäure enthält, pinseln sie dann leicht darüber - beginnend mit dem Indikator für eine 750er Legierung. Bleibt der Abriebstrich bestehen, so ist es 750er Gold oder höher. Verschwindet der Strich, so ist es Gold mit geringerer Legierung oder eine Fälschung. Auch für 585er und 333er gibt es diese Prüfsäuren.
Ich kann erleichtert sein - mein Schmuck ist echt. Am Ende muss ich noch meinen Ausweis vorlegen, Anschrift und Geburtsdatum werden notiert. Eine Unterschrift darunter, die versichern soll, dass es sich nicht um Diebesgut handelt, besiegelt meinen Entschluss. Dann gibt es kein Zurück mehr. Mein Schmuck - vielmehr mein Altgold - ist weg und wird schließlich den Weg in die Schmelze finden. 336,22 Euro wandern dafür in mein Portemonnaie.