Deutsche Bahn Deutsche Bahn: Das große Zittern

Halle (Saale)/MZ. - Mit großen Koffern - aber eben auch mit Hindernissen, wie ein Blick zu den Schlangen am Servicepunkt und auf die Anzeigetafel darüber verrät. Der IC zur Ostsee ist 35 Minuten später dran, der nach Oldenburg 25. Für den IC Köln-Leipzig werden gar zwei Stunden Verspätung angezeigt. Es klemmt bei der Bahn.
Da ist gut beraten, wer wie Carolin Heilmann aus Würzburg rechtzeitig in die Weihnachtsferien startet. Eigentlich hätte die Studentin noch bis Donnerstagnachmittag Vorlesungen in Köthen gehabt. "Da kommt man dann wirklich nicht mehr weg." Also ist sie jetzt schon unterwegs nach Hause. Mit einer halben Stunde Verspätung im ersten Zug und einem verpassten Anschluss. Das geht gut los, aber die 24-Jährige nimmt es gefasst. "Ich bin's gewohnt", sagt sie. 18 Uhr müsste sie nun in Würzburg sein, an 20 Uhr glaubt die junge Frau. Vier Stunden später und durchgefrorener als geplant. Aber wenigstens rechtzeitig zum Fest.
Alternativen zum Zug hätte es für die Studentin nicht gegeben. Das unterscheidet sie von denen, die kurz vor Heiligabend die Wahl haben: Auf den Straßen klemmt's, Flughäfen werden immer wieder mal geschlossen und die Bahn kämpft mit zugefrorenen Weichen und immer neuem Schnee. Da ist guter Rat teuer, denn im schlimmsten Fall reduziert sich die Entscheidung auf die Frage: Wo steckt man am liebsten fest? Svenja Paul aus Hamm / Westfalen wäre vermutlich mit dem Auto heimgefahren, gäbe es nicht die Schreckensmeldungen von den Straßen. Und eine Bescherung im Stau oder auf gesperrten Autobahnen, die hat nun einmal wenig von Weihnachtsromantik. "Heiligabend im Zug aber auch nicht", sagt die Studentin. So richtig wohl ist ihr nicht dabei, am 24. nach Hause zu fahren. 13 Uhr soll es los gehen, 18 Uhr ist die Ankunft geplant. Damit ist sie zur Bescherung ohnehin schon spät dran. Und dann auch noch dreimal umsteigen. Dreimal bibbern, ob der Anschluss klappt. "Ich habe wirklich Angst, dass ich nicht nach Hause komme", sagt die 23-Jährige. Der klamme Studenten-Geldbeutel habe ihr keine andere Wahl gelassen als das Sparangebot zum Fest per Regionalbahn. Dabei hat sie vermutlich nicht mal den schlechtesten Reisetag gewählt. Den größten Ansturm erwartet die Bahn am 23. Dezember, in etlichen Fernzügen sind Sitzplätze längst ausgebucht. Heiligabend könnte es entspannter werden). Wäre da nicht das Wetter.
Andere haben sich wie Maria Zothe ob des Schnee-Chaos längst von ihren Plänen verabschiedet. Die 72-Jährige wollte über die Feiertage zur Nichte nach Sylt. Am Samstag hat sie die Reise abgeblasen - um nun über Geld zu verhandeln. Von wegen unkomplizierte Erstattung, wie die Bahn sie versprochen hat. Den reinen Fahrpreis hat die Seniorin zwar zurückerhalten, 24 Euro für Platzkarten und Sparticket-Gebühr aber nicht. Dafür, hat sie gerade erfahren, hat sie einen Tag zu früh storniert, die Rückerstattungs-Regelung gelte erst seit Sonntag. "Ich hoffe jetzt auf Kulanz", sagt die Rentnerin.
Am besten dran ist wohl, wer ohnehin daheim bleiben wollte. "Ich bin froh, dass wir nicht Weihnachten fahren und auch niemanden von außerhalb erwarten", sagt Inge Schlegel. Erst am Montag soll es per Bahn in den Silvesterurlaub nach Oberhof gehen - streichen ließ der sich nicht mehr. Jetzt ist Hoffen auf Entspannung angesagt. "Irgendwie müssen wir hin."
Irgendwie. Irgendwann. Reisen mit Fragezeichen. Der IC nach Leipzig hat inzwischen laut Anzeige schon 130 Minuten Verspätung.