Deutsch-deutsche Geschichte Deutsch-deutsche Geschichte: Das Rote Telefon unter der Dübener Heide
Söllichau/Kossa/MZ. - Der Kontrast könnte kaum schärfer sein: Als unberührtes Stück idyllischer Natur bietet sich das Stück DübenerHeide auf sächsischer Seite der hier verlaufenden Landesgrenze. Der wahre Charakter dieses Reviers freilich, eines der wohlgehüteten Militärgeheimnisse der DDR, verbirgt sich im wahrsten Wortsinne unter der Oberfläche.
Eine schmale Betonpiste führt vom sachsen-anhaltischenSöllichau tief hinein in das früher für Normalbürgerverriegelte Waldareal mit seinen fast 300-jährigenBuchenbeständen. Ein Chemie- und Pioniertechnik-Ausrüstungslager der DDR-Volksarmee im vorderen Teil hatteeinst das militärische Sperrgebiet offiziell legitimiert. Selbst wenige Meter vor den gut in den bewaldeten Hängen versteckten Eingängen kaum zu entdecken, zieht sich ein System von Bunkern und Katakomben durch den Wald, voneinander abgeteilt durch hermetisch schließende Stahlschleusen-Tore.
Dies war der gedeckte Gefechtsstand, von dem aus im Mobilmachungsfalle eine komplette NVA-Reservistenarmeegeführt werden sollte. 600 Stabsoffiziere und Nachrichtensoldaten, so erläutert Dietrich Krumnow, hatten hier unter Bedingungen des Einsatzes von Massenvernichtungsmitteln ihr Stabsquartier zu beziehen. Und für diesen gedachten Ernstfall, so erklärt der letzteBunkerkommandant, sei die Anlage mit der seinerzeitmodernsten Militär- und Nachrichtentechnik versehen und mit eigener Energie- und Trinkwassergewinnung ausgestattet worden. Voll bezogen wurde dieser gedeckte Gefechtsstand freilich selbst bei den wenigen Stabsübungen nie.
Im Herzen der Anlage, die jetzt offiziell als Militärmuseum Kossa geöffnet wurde, sind die Uhren buchstäblich stehen geblieben. Drei große Wanduhren sind es, auf denen neben derOrtszeit und der für die Armeen der Warschauer Militärkoalition einheitlich geltende Moskauer Zeit auch die "taktische Zeit" (X plus ....) abzulesen war. Vollgestopft ist das Betongewölbe mit Großrechner, Lichttischen, Schreib- und Nachrichtentechnik auf dem höchsten Stand der Analogtechnik. Kartenmaterial, technischeDokumentationen, NVA-Uniformen erwecken den Eindruck, als sei der Bunker eben erst von seiner Besatzung verlassen worden. Farbige Telefone stehen auf dem Kommandeurs-Tisch.Das rote, so erläutert Ex-Bunkerkommandant Krumnow, stellte den direkten Draht zum Nationalen Verteidigungsrat her, das grüne gehörte zur Regierungs-Standleitung, ein weißes verband mit dem Oberkommando in Moskau.
Bedrückend wach geblieben ist in diesem authentischen Interieur die Zeit des kalten Krieges mit ihren Bedrohungs-Szenarien. Krumnow, Ex-Oberstleutnant der NVA und nach der Wende bis zur Aufgabe der Einrichtung im Jahre 1993in der Bundeswehr dienend, ist heute eines der Mitglieder des Trägervereins Eurocenter Sächsische Militärgeschichte Leipzig/Dübener Heide e.V. Fünf Jahre habe es bis zur jetzigen Eröffnung des Militärmuseums gebraucht, soerzählt er. Denn die Einrichtung der Bunkeranlage,die nach 1975 auf dem von Sowjettruppen gesprengtenGelände des "Objektes Buche", einer der größtenSprengstofffabriken des dritten Reiches, gebautworden war, sei längst in alle vier Windeverstreut gewesen. Tausende Originalstückewaren neu zu beschaffen und einzubauen, abgesoffeneBunker zu entwässern.
"Kompetente Geschichtsaufbereitung der Zeitdes kalten Krieges" nennt VereinspräsidentGerhard Straßenburger das wichtigste Anliegendes europaweit einzigartigen Museums. Undder Delitzscher Landrat Michael Czupalla (CDU)sieht die 1997 zum technischen Kulturdenkmalerhobene Bunkerwelt gar als weitere Chance,den "sanften Tourismus" in der Heideregionzu befördern: "Hier ist ein wetterunabhängigesErlebnis- und Bildungszentrum entstanden."Künftig solle hier ein Museum der mitteldeutscheMilitärgeschichte bis zurück in die Zeitendes Schwedenkönigs Gustav Adolf aufgebautwerden.