"Der Maler auf dem Weg nach Tarascon" "Der Maler auf dem Weg nach Tarascon": Wo ist der Magdeburger van Gogh?

Magdeburg - Wäre das Leben wie im Film „Monuments Men“ mit George Clooney als Kunstretter, dann gäbe es ein Happy End für diese Geschichte aus dem Zweiten Weltkrieg. Seit 70 Jahren vermisst das Kulturhistorische Museum in Magdeburg seinen Vincent van Gogh. „Der Maler auf dem Weg nach Tarascon“ aus dem Jahr 1888 zeigt den Künstler vor einem Getreidefeld, vollgepackt mit Malerutensilien, flirrende Sommerhitze liegt in der Luft. „Er hing hier oben im ersten Geschoss“, erzählt Museumschefin Gabriele Köster bei einer Podiumsdiskussion. Wehmut schwingt im Saal mit.
Das Bild gehört zu den verschollenen 400 Gemälden aus dem damaligen Kaiser Friedrich Museum, darunter Werke von Cezanne, Liebermann und Corinth. Diese wurden während des Kriegs in ein heute längst geflutetes Salzbergwerk in Staßfurt südlich von Magdeburg ausgelagert. Dort sind sie wahrscheinlich bei zwei Bränden im April 1945 zerstört worden. Oder doch nicht? Der Wissenschaftler Tobias von Elsner hat sich lange mit den Museumsverlusten befasst. Aufgeben will er nicht: „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“
"Es ist vieles verbrannt, aber nicht alles"
Für Kunstdiebe hätte es damals theoretisch die Gelegenheit gegeben, Bilder beiseite zu schaffen, ist auch in einem Fachartikel zu lesen. In Frage gekommen wären: US-Soldaten, Nazi-Offiziere, Zwangsarbeiter oder Zivilisten. „Es ist vieles verbrannt, aber nicht alles“, erzählt von Elsner. So sei etwa eine Bibliothek aus dem Schacht geborgen worden, der halb so groß wie ein Fußballfeld war. Von den Gemälden soll es nicht einmal Aschereste gegeben haben.
70 Jahre nach dem Ende des von Deutschland verursachten Zweiten Weltkrieg ist ein neues Interesse da, was mit den Kunstschätzen aus den Museen passierte. In Berlin-Friedrichshain brannte 1945 ein Flakbunker gleich zweimal. Auch er wurde als Depot genutzt, Spitzenwerke wurden zerstört. Das Bode-Museum zeigt derzeit in der Ausstellung „Das verschwundene Museum“, was aus den Sammlungen verloren ging oder beschädigt wurde.
Das Magdeburger Bild von Vincent van Gogh (1853-1890) steht seit Jahren in der Datenbank „Lost Art“, in der vermisste Kunstwerke gelistet sind. In der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt sitzt seit Januar das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste. Eine zentrale Stelle zur Aufklärung von Beutekunst und möglicher NS-Raubkunst wie im Fall Gurlitt - und auch eine Anlaufstelle für deutsche Museen, die Verluste in den Kriegswirren machten. In der Datenbank finden sich nicht nur Gemälde, sondern auch Kuriosa: So fehlen dem Magdeburger Museum für Naturkunde bis heute 7000 Schwanzlurche.
Der Kulturdezernent der Stadt, Matthias Puhle, hielt es bei einer Podiumsdebatte für wenig wahrscheinlich, dass heute noch jemand ein vielleicht 20 bis 30 Millionen Euro teures van-Gogh-Gemälde bei sich im Wohnzimmer hängen hat. Außer kostbaren Luther-Handschriften ist nur wenig aus dem Staßfurt-Bestand aufgetaucht. Daher hat Puhle wenig Hoffnungen für die verschollenen Gemälde. „Das nährt den Verdacht, dass sie physisch nicht mehr existieren.“ Aber träumen dürfe man weiterhin, sagt von Elsner. „Die Tür bleibt auf.“ (dpa)