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Werkzeugschleiferei im Burgenlandkreis Werkzeugschleiferei im Burgenlandkreis: Scharfe Sache mit Schliff

Von Petra Wozny 26.11.2017, 15:00
Die 26-jährige Christine Wartenberg ist Werkzeugschleiferin.
Die 26-jährige Christine Wartenberg ist Werkzeugschleiferin. Petra Wozny

Gerstewitz - Christine Wartenberg hat richtig schwer zu schleppen. Die junge Frau wuchtet ein Sägeblatt so groß wie ein Wagenrad zu einer Maschine. Jeder einzelne Zahn soll wieder scharf geschliffen werden. Die 26-Jährige spannt die Metallscheibe ein und los geht es. Angst vor den scharfen Zacken hat sie nicht. Warum auch.

„Ich habe hier die beste Ausbildung bekommen, die man als Werkzeugschleifer bekommen kann. Stimmst, Chef?“, meint sie lachend. Peter Kungl schmunzelt, erinnert er sich doch noch ganz genau, wie eben Christine Wartenberg vor fünf Jahren vor ihm stand. „Ob ich ausbilde, und ob ich auch Frauen ausbilde, hat sie mich gefragt. Ich brauche geschickte und zuverlässige Leute. Das Dilemma ist, dass der Beruf des Werkzeugschleifers so an sich nicht mehr ausgebildet wird. Also mache ich es selbst“, meint der Meister aus Gerstewitz.

Werkzeugschleiferei: Begonnen hat alles im Kohleschuppen

Der Handwerksbetrieb sieht in diesem Jahr auf drei Jahrzehnte erfolgreicher Arbeit zurück. Begonnen hat alles im Kohleschuppen, plaudert Kungl, dessen Vater Josef die Firma 1986 gründete. Nicht selten war er nicht nur für die Betriebe, sondern auch für die Bauern auf dem Land der einzige Ansprechpartner, um eine Sense, eine Schrotsäge oder eine Schere wieder scharf zu machen.

Drei Jahre darauf stieß Sohn Peter hinzu. Zur Wende habe er mit dem Vater noch allein gearbeitet. „Doch dann ging es steil bergauf“, schildert der Fachmann. Heute sind im Familienbetrieb elf Mitarbeiter beschäftigt, darunter seine Frau Regine und auch Sohn Johannes. Alle Werkzeuge, die irgendwie zum Schneiden und Sägen verwendet werden, benötigen nach gewisser Zeit wieder einen Schliff.

Viele Unternehmen haben eigene Werkzeugschleifereien ausgelagert

Da viele Unternehmen die eigenen Werkzeugschleifereien ausgelagert haben, ist der Gerstewitzer Betrieb die erste Adresse. „Irgendwann kriege ich sie alle“, sagt Peter Kungl und lacht über das ganze Gesicht. Aus ganz Mitteldeutschland kämen sie aus der Metall-, Holz-, Kunststoff- und Lebensmittelbranche.

So unter anderem auch vom Weißenfelser Fleischzerlegebetrieb Tönnies oder auch Kaufland von Osterfeld. Hier würden die Zerlegemesser ebenso gewartet wie die Fleischwölfe und Schleifmaschinen. Peter Kungl sieht beispielsweise am Gehacktem an der Fleischtheke, ob die Messer des Fleischwolfes scharf waren. Unter den rund 90 Stammkunden im Monat seien auch namhafte Chemieunternehmen aus der Leunaer Region.

Kleinste Mikrofräser in Abmessungen von zwei Millimetern

Kleinste Mikrofräser in Abmessungen von zwei Millimetern gehen ebenso in Auftrag wie Metallarbeiten, die per Computer und unter einer Lupe scharf gemacht werden können.

Natürlich freut sich Peter Kungl über den Zuspruch für das Handwerk durch die Industrie in Mitteldeutschland. Doch nicht immer sei auch in seinem Betrieb alles glatt gegangen. „Wir haben ständig gebaut und neue Maschinen gekauft, um wirklich fit zu sein. Doch zehn Jahre nach der Wende, also etwa 2001 und dann zur Finanzkrise, bekamen wir zu spüren, dass es der Wirtschaft nicht so gut ging. Etliche Unternehmen gingen den Bach runter. Da haben wir manchen Abend beim Blick in die Kasse auch geheult“, erinnert sich Regine Kungl.

Seit drei Jahren laufe das Unternehmen in sicherem Fahrwasser. Zwischenzeitlich ergänzt mit dem 30-jährigen Johannes die nächste Generation den Familienbetrieb. „Ich bin der Meister und Johannes ist Ingenieur - das passt und ergänzt sich hervorragend“, lobt der Vater seinen Sohn, der durch den Einsatz von Computertechnologien frischen Wind in die Werkstatt bringt. (mz)