1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Burgenlandkreis
  6. >
  7. Täter unbekannt: Täter unbekannt: Ermittlungen zu Tröglitz eingestellt

Feuer am Brocken

Täter unbekannt Täter unbekannt: Ermittlungen zu Tröglitz eingestellt

22.07.2016, 12:40
Zwei Anwohner mussten geweckt werden und sind unverletzt aus dem brennenden Haus in Tröglitz gerettet worden.
Zwei Anwohner mussten geweckt werden und sind unverletzt aus dem brennenden Haus in Tröglitz gerettet worden. Torsten Gerbank Lizenz

Tröglitz - Die Staatsanwaltschaft hat die Akten zum Fall Tröglitz geschlossen. Gut 15 Monate nach dem Brandanschlag auf die bezugsfertige Asylunterkunft in dem kleinen Ort im Burgenlandkreis stellte die Behörde die Ermittlungen ein. Es sei kein Täter gefunden worden, begründete die Staatsanwaltschaft am Freitag ihre Entscheidung. Wie sie erst jetzt mitteilte, wurde der Fall schon vor knapp zwei Wochen zu den Akten gelegt.

Weitere erfolgversprechende Ansätze seien derzeit nicht ersichtlich. „Es ist jetzt erst einmal ein Strich drunter“, sagte ein Behördensprecher. Sollten sich neue Ansätze ergeben, seien auch weitere Ermittlungen möglich.

Fall bleibt ungeklärt

Damit bleibt der Fall, der über die Grenzen Deutschlands hinaus Schlagzeilen machte, unaufgeklärt. Die Täter bleiben unbekannt. In der Nacht zu Ostersamstag waren sie in das fertig eingerichtete Haus eingebrochen, in das nur wenige Wochen später 40 Flüchtlinge ziehen sollten. Mit Brandbeschleuniger setzten die Täter an mehreren Stellen das Haus in Brand. Bewohner, die in unmittelbarer Nähe des Feuers schliefen, konnten von Nachbarn noch gewarnt werden.

Der ehrenamtliche Bürgermeister Markus Nierth informiert den Ortschaftsrat über die Pläne des Landkreises, in Tröglitz 50 Flüchtlinge unterzubringen. Kurz darauf macht er die Pläne publik, um auf Gerüchte zu reagieren.

Erstmals zieht eine Demo gegen das geplante Asylbewerberheim durch den Ort. Sonntag für Sonntag werden die Protestzüge mit bis zu 150 Teilnehmern von einem NPD-Kreistagsmitglied angemeldet.

Der Pfarrer der Gemeinde, Matthias Keilholz, richtet als Gegenveranstaltung Friedensgebete ein.

6. März: Markus Nierth legt sein Amt als ehrenamtlicher Ortsbürgermeister nieder. Weil eine der NPD-Demos vor seinem Privathaus entlangführen soll, tritt er zurück. Nierth sieht sich nicht ausreichend geschützt.

9. März: Die Nachricht vom Rücktritt Nierths löst bundesweit Bestürzung und Diskussionen aus. Am Abend entscheidet der Kreistag offiziell, dass 40 Flüchtlinge nach Tröglitz kommen.

16. März: Es wird bekannt, dass Nierth nach seinem Amtsverzicht bedroht wird. Das Landeskriminalamt stellt ihn unter Schutz.

31. März: Der für Tröglitz zuständige Landrat Götz Ulrich (CDU) informiert auf einer Einwohnerversammlung erstmals offiziell über die Aufnahme der Flüchtlinge.

4. April: In der Nacht brennt die noch nicht bezogene Asylunterkunft in Tröglitz. Schnell ist klar: Das Mehrfamilienhaus wurde absichtlich angezündet. Die 16-köpfige Ermittlergruppe „Kanister“ wird gebildet.

26. April: Die Ermittler bitten die Öffentlichkeit um Hilfe. Das LKA wendet sich auch über die MDR-Sendung „Kripo live“ an die Zuschauer und erhält 50 Hinweise.

Mai: Die Bürgerinitiative „Miteinander - füreinander“ bereitet die Ankunft der ersten Flüchtlinge vor. Ein Spendenkonto wird eingerichtet, Paten für die Ankömmlinge gesucht.

9. Juni: Die ersten drei Flüchtlingsfamilien aus Indien und Afghanistan ziehen ganz im Stillen nach Tröglitz um. Ex-Bürgermeister Nierth und seine Familie übernehmen die Patenschaft.

27. Juli: Die Polizei startet einen neuen Zeugenaufruf, um die Täter zu fassen. 1500 Flyer werden in Tröglitz verteilt. Gesucht werden sieben Menschen, die nahe dem Brandort gesehen wurden. Laut Ermittlern gibt es kaum neue Hinweise.

8. Oktober: Sechs Monate nach dem Brandanschlag hat die Polizei einen Verdächtigen. Das Amtsgericht erlässt Haftbefehl gegen den Mann. Details nennt die Staatsanwaltschaft aus taktischen Gründen nicht.

16. Oktober: Das Amtsgericht hebt den Haftbefehl wieder auf. Begründung: Der dringende Tatverdacht habe sich nicht bestätigt.

16. März: Bei den Landtagswahlen holt die rechtspopulistische AfD mit 31,9 Prozent die meisten Stimmen in der Gemeinde Elsteraue. Die NPD kommt auf 4,9 Prozent.

04. Juli: Die Soko „Kanister“ beendet ihre Arbeit und gibt mehrere Umzugskartons voll Akten an die Staatsanwaltschaft ab. Einen oder mehrere Täter für den Brandanschlag kann sie nicht präsentieren.

11. Juli: Die Staatsanwaltschaft Halle stellt die Ermittlungen zu den Brandstiftern ein. Der Fall bleibt damit vorerst unaufgeklärt.

Tröglitz lieferte damals bereits zum zweiten Mal Anlass für bundesweite Schlagzeilen: Zuvor hatte der Rücktritt des ehrenamtlichen Bürgermeisters Markus Nierth (parteilos) für Debatten gesorgt. Er hatte sich und seine Familie nicht ausreichend gegen Demos geschützt gesehen, die die rechtsextreme NPD als Protest gegen die Unterbringung der Flüchtlinge jeden Sonntag angemeldet hatte.

Hunderte Hinweise bleiben erfolglos

Nach dem Brandanschlag gründete die Polizei die Soko „Kanister“ und bat mit Fernsehauftritten und Flyern vor Ort um Hinweise. Eine Belohnung in Höhe von 20.000 Euro wurde für den entscheidenden Tipp ausgesetzt. Hunderte Hinweise gingen laut Staatsanwaltschaft ein, 250 Vernehmungen gab es. Doch die Bemühungen führten zu keinem Täter.

Zwar seien sechs namentlich bekannte Personen ermittelt worden, die mit dem Feuer in Verbindung stehen könnten, erklärte die Staatsanwaltschaft. Doch der Verdacht habe sich nicht bestätigt. Ein im Herbst verhafteter Tatverdächtiger musste freigelassen werden. Der Verdacht ließ sich nicht ausreichend erhärten. (dpa)