Radsport Radsport: Lossaer Tüftler im Biker-Olymp

Lossa - Daran hat selbst Bernd Iwanow in seinen kühnsten Träumen nicht geglaubt, dass einmal die gesamte Biker-Szene auf ihn und den kleinen Ort Lossa schaut. Er hat ein in der Fachwelt umjubeltes Fahrrad gebaut, das aus einem Stück Aluminium hergestellt wurde.
Vor nunmehr 14 Jahren wagte Iwanow mit seinem Unternehmen in einer ehemaligen Busgarage den Neuanfang und zugleich den Sprung in die Selbstständigkeit. Der heute 56-jährige Lossaer hatte zu DDR-Zeiten bereits den Beruf eines Werkzeugmachers im damaligen volkseigenen Elektro-Kombinat Robotron im benachbarten thüringischen Sömmerda erlernt; bis 1991 arbeitete er dort. Doch mit der Wende war dies alles Schall und Rauch. So reifte in ihm der Gedanke, zu seinen Wurzeln zurückzukehren; er fühlte sich wieder verstärkt zum Metall hingezogen. Mit seiner Firma CNC Future Technics fertigt Bernd Iwanow mittlerweile Teile für die Autoindustrie. Er ist Arbeitgeber für sechs Fachkräfte, die in seinem Unternehmen die verschiedensten Teile entstehen lassen.
Mifa-Insolvenz herber Rückschlag
Der Lossaer hat sich nebenbei aber ein zweites Standbein aufgebaut. Vor gut zwei Jahren bekam er von den damaligen Mifa-Werken Sangerhausen den Auftrag, einen Klappmechanismus für ein Fahrrad auf Basis eines E-Bikes zu entwickeln. „Es macht mir viel Spaß, mich an etwas Neues heranzuwagen und so lange zu tüfteln, bis alle mechanischen Teile zusammenpassen“, erzählt der Firmenchef. Doch die Insolvenz der Mitteldeutschen Fahrradwerke war ein mächtiger Rückschlag für das kleine Unternehmen von der Finne, das auf seinen Kosten sitzenblieb. Allerdings war dies für Iwanow zugleich auch ein Anstoß: „Ich wollte ein Fahrrad entwickeln, das es in dieser Form noch nicht gab und auch noch richtig cool ist. Dafür sprach ich mit Insidern, um auszuloten, in welche Richtung es gehen sollte.“
Idee vor anderthalb Jahren
Während des Weihnachtsfestes 2018 entstand der erste Rahmen. Doch dieser sei noch zu instabil gewesen, erinnert sich Iwanow, und damit begann die gesamte Entwicklung von vorn. „Es dauerte zwei Monate, bis die neue Konstruktion fertig war, und nun ging es ans Fräsen“, blickt er zurück. Zuerst wurde das Material bestellt. Bernd Iwanow entschied sich für Alu 7075, in Fachkreisen Flugzeug-Aluminium genannt. „Das hat hervorragende Eigenschaften in puncto Festigkeit und Biegeverhalten und war somit der Grundstein für den späteren Erfolg.“ Dabei habe er versucht, mit dem Material sehr sparsam umzugehen und wichtige Ressourcen zu sparen. Ein Teil des Stromes für die Fräsmaschine kommt direkt vom Dach des Firmengebäudes. „Das ist wichtig, um das Projekt nachhaltiger zu machen“, erklärt der Chef.
Schnell wurden die Komponenten für das Bike bestellt und dann sorgfältig mit dem Rahmen verheiratet, so heißt dies in der Fachsprache. „2014 hatte ein Schweizer schon einmal versucht, ein gefrästes Bike auf dem Markt zu bringen. Er hatte ein paar Prototypen in seinem Heimatland fertigen lassen und wollte die Serie in China fräsen lassen. Daran ist er dann gescheitert. Wir wollen alles Made in Germany oder - besser - Made in Lossa herstellen, um die Qualität und Präzision auch in der kleinen Serie sicherzustellen“, so Bernd Iwanow.
Im Mai vergangenen Jahres war der erste Prototyp fertiggestellt. Nun musste ein Experte her, der das neue Rad testen sollte. Iwanow fand einen ehemaligen Mountainbike-Profi. „Als ich ihm das Bike übergab, stieg mein Puls bis ins Unermessliche.“ Das Urteil des Ex-Profis lautete: „Ich bin begeistert, was du da gemacht hast. Das Bike fährt super. Du kannst stolz auf dich sein. Es ist alles tipptopp!“ Der Experte meinte, dass die Grundelemente schon ganz gut zusammenpassen, zum Beispiel der Lenkwinkel und die Kettenstrebenlänge. „Ganz wichtig ist es auch, die richtige Tretlagerhöhe zu finden. Es kommt auch in dieser Sportart auf die Passgenauigkeit an“, erklärt der Produktentwickler.
Auch Apolle gehört zu Testern
Schnell wurde auch die größte Fachzeitschrift der Szene, „Bike“, auf die Neuentwicklung aufmerksam. „Chefredakteur Henri Lesewitz setzte sich früh um 4 Uhr in sein Auto und kam persönlich nach Lossa“, so Bernd Iwanow, dessen Produkt dann im hauseigenen Labor der Fachzeitschrift auf Herz und Nieren geprüft und bei Testfahrten untersucht wurde. Bei einem vernichtenden Urteil wären Iwanows Pläne regelrecht über den Haufen geschmissen wurden. Das „Frace F160“ - so der Name des Fahrrads aus Lossa - bekam aber vom verantwortlichen Testleiter des Magazins, Peter Nilges, gute Kritiken. „Ein sehr hochwertig gearbeitetes Liebhaber-Bike mit guter Performance bergab“, schrieb er unter anderem. Der eigentliche Wow-Effekt sei gewesen: „Egal, wo man mit dem F160 auftauchte, die Leute starren fasziniert hinterher, als würden sie zum ersten Mal ein Mountainbike sehen.“
Bernd Iwanow und sein Team legen viel Wert auf das Besondere. So wird in jedes Bike auch der Namen des Erwerbers eingefräst. Zudem werden das Herstellungsdatum und eine fortlaufende Nummer eingraviert, damit die Kunden genau wissen, wann ihr spezielles Bike gefertigt worden ist. In das neue Bike verliebt hat sich auch der hessische Profi Jan Frederik Tobiasch aus Wächtersbach. Er wird künftig bei Wettbewerben der Enduro-Meisterschaft mit dem Gefährt unterwegs sein. „Dass ich mit meiner Neuentwicklung in die Elite-Liga der Biker vorgedrungen bin, kann ich noch gar nicht fassen. Was man doch mit Beharrlichkeit und auch einem gewaltigen Stück Bodenständigkeit alles schaffen kann“, ist Iwanow noch immer überrascht von seinem Erfolg. 20 dieser Bikes möchte er künftig pro Jahr fertigen.
Inzwischen hat auch Motorradfahrer Tim Apolle das neue Gefährt getestet. „Wenn es produziert wird, werde ich es im Training nutzen dürfen“, sagte der Enduro-Pilot aus Billroda. (hob/tok)

