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Prominenter Verkäufer Prominenter Verkäufer: Aldi-Erben kaufen Acker im Burgenlandkreis

Von Steffen Höhne 04.11.2019, 09:00
Wem gehört der Acker? Bauernverbände kritisieren den Landkauf durch Investoren.
Wem gehört der Acker? Bauernverbände kritisieren den Landkauf durch Investoren. dpa

Halle (Saale) - Erneut hat ein Großinvestor landwirtschaftliche Flächen in Ostdeutschland erworben. Häufig wird die Übernahme ganzer landwirtschaftlicher Betriebe nicht öffentlich. In diesem Fall ist es anders, denn sowohl Käufer als auch Verkäufer sind prominent. Am Freitag veröffentlichte die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Mitteldeutschland (AbL) eine Mitteilung mit der Überschrift: „Thüringer Ex-Bauernpräsident verscherbelt Großbetrieb an Aldi“.

Und das ist passiert: Das Thüringer Agrar-Unternehmen ADIB, an dem der ehemalige Bauernpräsident Klaus Kliem wesentliche Anteile hält, hat die Geithainer Landwirtschafts GmbH, ein Großbetrieb südlich von Leipzig, an ein Unternehmen der Aldi Stiftung verkauft. Den Zukauf hat die Firma Boscor getätigt, dahinter steht die Lukas-Stiftung mit Theo Albrecht junior an der Spitze. Er ist der Sohn des Aldi-Gründers Theo Albrecht, die Stiftung verwaltet einen Teil des Aldi-Vermögens. „Wenn ein Discounter wie Aldi auf Einkaufstour geht, werden zukünftig weder heimische Landwirte noch die Verbraucher oder die Bienen etwas zu lachen haben“, sagte Landwirt und AbL-Vorsitzender Michael Grolm.

Investoren kaufen Äcker an - steigende Bodenpreise

Boscor-Geschäftsführer Constantin Freiherr von Reitzenstein hält das für haltlose Anschuldigungen. Der MZ sagte er: „Die Boscor-Gruppe bewirtschaftet in ganz Deutschland Wälder und Äcker. Wir sind ein landwirtschaftlicher Betrieb.“ Hinter Boscor stehe die Lukas-Stiftung, die der Familie Albrecht gehöre, bestätigt von Reitzenstein. Die Familie tätige die Investition aber privat. „Mit dem Discounter Aldi hat das nichts zu tun und wir beliefern auch nicht Aldi“, so von Reitzenstein weiter.

Die Milliardärsfamilie legt offenbar verstärkt ihr Vermögen in Ackerflächen an. Bereits im September 2019 wurde bekannt, dass sie über das Unternehmen Boscor bei dem Agrarbetrieb Kayna (Burgenlandkreis) eingestiegen ist. Wie aus dem Handelsregister hervorgeht, sind im Juli 2019 drei alte Vorstände ausgeschieden, dafür ist von Reitzenstein in den Vorstand eingezogen. Nähere Angaben zum Einstieg macht die Boscor-Gruppe nicht. Aufgrund der erhaltenen Agrar-Subventionen dürfte der Agrarbetrieb Kayna laut Medienberichten rund 2000 Hektar bewirtschaften. Zum Vergleich: Die landwirtschaftlichen Betriebe in Sachsen-Anhalt haben eine Durchschnittsgröße von 270 Hektar, der Bundesschnitt liegt bei lediglich 60 Hektar.

Landwirte schauen kritisch auf Acker-Verkäufe

Allein wegen der Größe beider Unternehmen dürften die Übernahmen von den Landwirten in Mitteldeutschland kritisch verfolgt werden. Unabhängig vom Aldi-Fall sagte der Präsident des Bauernbundes, Kurt-Henning Klamroth, zuletzt: „Nicht finanzstarke Geschäftsleute, sondern Bauern sollten Betriebe mit Ackerboden erwerben.“

Die Großinvestoren nutzten für ihre Käufe laut Klamroth häufig eine Gesetzeslücke. Eigentlich können die Behörden gemäß dem sogenannten Grundstücksverkehrsgesetz Käufe von Agrarland verhindern, wenn der Erwerber nicht Landwirt ist und ein Bauer die Fläche benötigt. Das kann umgangen werden, wenn der Käufer nicht das Land allein, sondern den Betrieb samt Boden kauft. Diese sogenannten Share-Deals werden rege genutzt. Ob Boscor so vorging, lässt sich wegen der verfügbaren Fakten nicht abschließend beurteilen.

Immer mehr Äcker im Osten gehören Ortsfremden

Das Thünen-Institut für ländliche Räume in Braunschweig veröffentlichte zu den Landkäufen eine viel beachtete Studie: Es untersuchte 853 Agrar-Firmen in zehn ostdeutschen Landkreisen. Dabei zeigte sich, dass mehr als ein Drittel (34 Prozent) der landwirtschaftlichen Betriebe Ortsfremden gehört. Vor zehn Jahren waren es erst 22 Prozent.

Zuletzt stand der Leipziger Autohausbesitzer Markus Hercher in der Kritik. Laut Agrarverband AbL soll Hercher neben mehreren Autohäusern mindestens acht landwirtschaftliche Betriebe in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mit einer Fläche von insgesamt 7000 Hektar besitzen. Damit zählt er zu den größten Landwirten Deutschlands.

Verkauf von Ackerflächen - umstrittenes Gesetz

Aufgrund der niedrigen Zinsen wenden sich große Kapitalanleger verstärkt dem Agrarmarkt zu. Durch Bewirtschaftung und Verpachtung von Land lassen sich noch einträgliche Renditen erzielen. Die Finanzinvestoren trugen auch dazu bei, dass die Ackerpreise deutlich gestiegen sind. Sie verdoppelten sich in Sachsen-Anhalt seit 2009 auf 22.500 Euro je Hektar. Die Zahlen beruhen auf Verkäufen der bundeseigenen BVVG, geben aber Hinweise auf die Gesamtentwicklung. Vielen Bauern fällt es bei den Preisen schwer, noch Land zu erwerben, beklagen die Bauernverbände.

Sachsen-Anhalts früherer Landwirtschaftsminister Hermann Onko Aeikens (CDU) ließ daher ein sogenanntes Agrarstrukturgesetz ausarbeiten, um auch Betriebskäufe staatlich zu regulieren. Das Vorhaben scheiterte jedoch ausgerechnet durch politischen Druck großer Agrar-Unternehmen aus Sachsen-Anhalt. So wie jetzt der Thüringer Landwirt Kliem wollen auch die großen Agrar-Firmen hierzulande frei sein bei ihren Verkaufsentscheidungen. Sie wollen sich nicht von einer Behörde vorschreiben lassen, an wen und zu welchem Preis sie Betriebsteile verkaufen. Sie sprechen sogar von „Enteignung“.

Aeikens Nachfolgerin, Landwirtschaftsministerin Claudia Dalbert (Grüne), nimmt nun einen neuen Anlauf. Doch auch sie stößt auf Widerstand in Teilen von CDU und SPD. Um sich „keine blutige Nase“ wie Aeikens zu holen, hat sie die Koalitionsfraktionen gebeten, einen Vorschlag auszuarbeiten. Bisher liegt noch keiner vor, heißt es aus dem Ministerium. Ob und wann ein Gesetz kommt, ist offen. (mz)