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Neue Stiftung Neue Stiftung: Mäzen Marzona will "Saalecker Werkstätten" wieder aufleben lassen

Von Günter Kowa 16.01.2019, 18:47
Die Pfeife als Markenzeichen: Der Deutsch-Italiener Egidio Marzona will die „Saalecker Werkstätten“ wieder aufleben lassen und dort künftig auch Stipendien vergeben.
Die Pfeife als Markenzeichen: Der Deutsch-Italiener Egidio Marzona will die „Saalecker Werkstätten“ wieder aufleben lassen und dort künftig auch Stipendien vergeben. Andreas Stedtler

Halle (Saale) - Leer und verlassen stehen die Bauten der „Saalecker Werkstätten“ hoch über dem Saaletal und unterhalb der Burg Saaleck bei Bad Kösen (Burgenlandkreis). Nur das Torhaus der von 1901 bis 1930 aktiven Handwerkerschule ist teils vermietet. Dahinter wölben Bäume ihre Kronen über die Wohn- und Gartenanlage des konservativen Reformarchitekten und NS-Rasseideologen Paul Schultze-Naumburg.

Auch dort brennt kein Licht. Am Rand liegt das „Architektenhaus“, dessen verwahrlostes Inneres den Niedergang jener „Saalecker Werkstätten“ spiegelt, die ein zwielichtiger Schultze-Naumburg-Verehrer in den Jahren um 2000 mehr als Kult- denn als Kulturstätte betrieb.

Doch all das ändert sich gerade spektakulär. Werkstätten, Wohnhaus und Garten haben einen Käufer gefunden. Dieser hat eine Stiftung gegründet, die eine zeitgemäße, schöpferische Aktivität entfalten und den historischen Ort mit einem neuen Geist entwickeln will. Wer aber ist es, der diesen Neuanfang wagt?

Egidio Marzona - Sohn eines Betonfabrikanten

Landläufig wenig bekannt, ist der Name Egidio Marzona in der Kunstwelt ein Begriff, genauer gesagt der Inbegriff des Mäzens. Der 1944 geborene Deutsch-Italiener, Sohn eines zugewanderten Betonfabrikanten, ist Kunstsammler, Verleger und Stifter - etwa eines Skulpturenparks im Herkunftsort seiner Familie nahe der norditalienischen Stadt Udine. Den Staatlichen Museen Berlin überließ er 2002 zu einem Drittel des Marktwerts 700 Werke aus seinem Kosmos von Nachkriegs- und zeitgenössischer Kunst, 2014 folgten weitere 372 Werke. 2017 erhielten die Dresdner Kunstsammlungen sein „Archiv der Avantgarden“.

Seine Sammeltätigkeit nicht nur von Kunst, sondern auch Quellenmaterial begann er 1968 aus Interesse am Bauhaus, was er bald auf Minimal Art, ,,Land Art“ und Konzeptkunst ausdehnte.
Ortstermin in Berlin, in Marzonas Wohnhaus und Sitz des „Marzona Archivs“ in Charlottenburg. Den Hausherrn flankieren die beiden anderen Mitbegründer und Hauptakteure der gerade erst konstituierten „Marzona Stiftung/Neue Saalecker Werkstätten“: Aus Hamburg der freiberufliche Kulturwissenschaftler, Denkmalpfleger und Bauherren-Berater Arne Cornelius Wasmuth, und neben ihm ein bekanntes Gesicht aus Halle, der Anwalt und Kandidat von CDU und FDP für die Oberbürgermeisterwahl, Andreas Silbersack.

Freundschaft verbindet alle drei. Es stellt sich heraus, dass es Wasmuth war, der Marzona mit seiner Begeisterung für das Baudenkmal in Saaleck ansteckte, ebenso Silbersack. Marzona selbst gibt sich zurückhaltend, will seine Person nicht in den Mittelpunkt stellen. Was über seine Beweggründe zu sagen ist, sagt Wasmuth: „Er ist kein Investor; er ist Stifter. Er will etwas Gutes anstiften.“ Marzona scherzt, er freue sich darauf, in der Saale zu angeln. Ihn reizen die Anlage, die Landschaft, aber auch das kulturell-historische Umfeld. „Wir haben einen Blick auf die Traditionen in der Region.“

Aber was ist mit der historischen Last, die auf dem Namen Schultze-Naumburg liegt? Immerhin nährte er mit dem Buch „Kunst und Rasse“ die Ideologie von der „Entarteten Kunst“, half, das Bauhaus zu Fall zu bringen, gingen bei ihm NS-Größen ein und aus. „Wir wollen uns wissenschaftlich mit ihm und dem Ort auseinandersetzen und über ihn ein Dokumentationszentrum einrichten“, sagt Wasmuth. „Wir unterschlagen das Kritische nicht. Dies ist ein ,unbequemes Denkmal’, es kommt darauf an, was man daraus macht.“ Und darüber erfährt man im Gespräch Erstaunliches. Zunächst betonen alle drei, dass weitere Zu-Stifter, Paten und Unterstützer gefunden werden müssen. „Wir prüfen Verbindungen zur deutschen Wirtschaft“, sagt Wasmuth.

Umbauphase wird mindestens drei Jahre dauern

Ein erstes Konzeptpapier, das weiter präzisiert werden soll, spricht von einer Akademie für „Gestalter im Handwerk, ambitionierte und visionäre Designer, Architekten und angehende Unternehmer aus den entsprechenden Disziplinen“. Sie will sie „fördern und mit ihren Ideen, ihren Produkten und auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit unterstützen“. Marzona nennt die Villa Massimo in Rom, das deutsche Stipendiatenhaus für Künstler und Literaten, als ein partiell vergleichbares Vorbild. Um die plüschigen Möbel, die Schultze-Naumburg für die Auftraggeber seiner Gutshäuser schreinern ließ, geht es also nicht mehr, allenfalls um die handwerklichen Standards, die er hochhielt.

Die Planungs-, Bauforschungs-, Sanierungs- und Umbauphase wird mindestens drei Jahre dauern, heißt es. Es stehen Unterstützer bereit, Fördergeld vom Bund ist bestätigt und vom Land in Aussicht gestellt. Es soll anfangs acht, später maximal 16 Stipendien geben. In Frage kämen Studienabsolventen aus aller Welt. „Wir wollen namhafte Dozenten gewinnen, und auch die Handwerkskammer.“ Von fünf festen Mitarbeitern und einem Direktor ist die Rede.

Wohnräume und Ateliers würden eingebaut, ebenso Seminarräume und eine Bibliothek. Nicht auszuschließen ist, dass auch das „Architektenhaus“ dazu kommt. Darüber sei man in konstruktiven Gesprächen mit der noch existierenden Stiftung, dessen Nachfolge-Vorstand dem Anliegen Marzonas offen gegenübersteht.

„Es soll der Freiraum entstehen, um Produkte oder innovative Ideen zur Marktreife zu entwickeln“, sagt Marzona. Silbersack nennt es einen „Ort von geistigem Austausch, Internationalität und Handwerklichkeit“.

Mit der Region verknüpft

Auch die Region soll davon profitieren. „Ein Prozess kommt in Gang, an dem die Bevölkerung, der Land- und Kreistag und die Stadt Naumburg inhaltlich teilhaben sollen“, sagt Sachsen-Anhalts Kulturminister Rainer Robra (CDU). Ähnlich äußert sich Silbersack. „Wir wollen die Bevölkerung mitnehmen.“ Man sei im Gespräch mit dem Landrat und Vertretern der Stadt Naumburg. Für das geplante Kuratorium wolle man Persönlichkeiten aus der internationalen, nationalen und regionalen Bühne berufen. Veranstaltungen seien für die örtliche Bevölkerung offen, die Gartenanlage würde touristisch erschlossen.

Vom Potenzial dieser Ideen sind alle drei überzeugt. Wasmuth rühmt die zentrale Lage in Deutschland, „im Herzen einer Kulturlandschaft“. Der Kulturwissenschaftler sagt: „Die Welt soll hierherkommen und Neues entwickeln.“ Und auf diese Weise würde sich der Kreis wieder zu den historischen „Saalecker Werkstätten“ schließen, bei aller Beengtheit ihrer damaligen Ausrichtung auf den großbürgerlich-konservativen Geschmack am handwerklich veredelten Luxus.

Unter den Dozenten von Schultze-Naumburgs Saalecker Werkstätten waren mit Heinrich Tessenow und Otto Bartning auch spätere Protagonisten der Moderne. Letzterer hatte unter anderem Saaleck in Erinnerung, als er 1919 zusammen mit Walter Gropius den Lehrplan des künftigen Bauhauses entwickelte. Gut möglich, dass der Plan für Marzonas „Neue Saalecker Werkstätten“ sein Wohlwollen fände.   (mz)