Mittelalter Mittelalter : War Reinsdorf Thüringer Königssitz?

Reinsdorf - Memleben und Reinsdorf - die zwei Orte an der Unstrut haben einiges gemeinsam. Da wie dort hat es einst ein Benediktiner-Kloster gegeben. Wird nahe Memleben die Kaiserpfalz der Ottonenzeit vermutet, könnte Reinsdorf indes bereits die Lösung für ein weiteres historisches Rätsel, allerdings eines des frühen Mittelalters, sein.
Geht es nach der Theorie von Wolfram Voigt, war der Nebraer Ortsteil, genauer gesagt das Flurstück „Alte Burg“, der letzte Sitz des Thüringer Königshauses im sechsten Jahrhundert. In den vergangenen Jahren hat sich der Bodendenkmalpfleger und Hobby-Archäologe aus dem thüringischen Willschütz nahe Schkölen intensiv mit dem Thema beschäftigt. Bei seinen Streifzügen und Begehungen stieß er auf Zeugen jener Zeit vor rund 1500 Jahren. „Unter Hunderten von Scherben befinden sich immer wieder charakteristische aus der Völkerwanderungszeit mit Ornamenten und Ritzungen sowie zahlreiche Spuren einer gewaltsamen Zerstörung“, so Voigt, der Mitglied der Archäologischen Gesellschaft sowohl in Sachsen-Anhalt als auch in Thüringen ist.
Schlacht an der Unstrut 531
Neben Überbleibseln historischer Keramik seien unter anderem in den 1960-Jahren vor der Errichtung der Reinsdorfer LPG-Ställe Brandschuttreste gefunden worden. „Damals hat besonders ein Student der Martin-Luther-Universität Halle, ein künftiger Agraringenieur, geforscht. Leider habe ich ihn bisher nicht ausfindig machen können“, erzählt der 57-Jährige. Die damalige Zerstörung könnte Ergebnis der Schlacht an der Unstrut im Jahr 531 sein, deren Schauplatz ebenfalls noch nicht sicher belegt ist und die den Untergang des großen Thüringer Reiches besiegelt hat. Der sächsische Geschichtsschreiber Widukind von Corvey (um 925 - 973) nannte als Ort „Runibergun“. Neben Herbsleben in Thüringen rückte auch Burgscheidungen in den Fokus der Historiker. Voigt vermutet jedoch den Ort der Schlacht nahe Vitzenburg mit den sogenannten Ronnebergsfeldern und dem Ronneberg. „Sicher ist, die Schlacht war nahe dem Königshof.“ Der historische Name von Reinsdorf „Regin-Heres-Dorf“ lässt sich mit „Dorf des alten Regierungssitzes“ übersetzen.
Gedenkstein im Pfarrhof
Der Thüringer steht mit seiner Theorie nicht alleine da. Zwar nennt der nicht unumstrittene Historiker Reinhold Andert in seinem 1995 erschienenen Band „Der Thüringer Königshort“ Herbsleben als Sitz. „Allerdings meint Andert auch, dass man sich Reinsdorf noch einmal näher anschauen sollte“, berichtet der Bodendenkmalpfleger. Mit dem bereits verstorbenen Pfarrer und Ortschronisten Heinz-Henning Bobbe, Vater des Winzers Hendrik Bobbe, ist Voigt häufig ins Gespräch gekommen.
Dabei wird der frühere Pfarrhof, das heutige Weingut, künftig eine besondere Stätte für eine besondere Persönlichkeit jener Zeit sein. Bereits am 13. August wurde anlässlich ihres Namenstages der thüringischen Prinzessin Radegunde unter der 1780 gepflanzten Linde ein Gedenkstein gesetzt. Blickt man auf ihr Leben (siehe Beitrag „Im neunten Jahrhundert ....“), könnte man sie als Vorgängerin der Elisabeth von Thüringen (1207 - 1231) beschreiben. Beide Frauen setzten sich für Arme und Kranke ein, beide wurden heiliggesprochen. Doch während Elisabeth von Thüringen bis heute verehrt wird, ist Radegunde, die Schutzpatronin der Weber und Töpfer, hierzulande kaum bekannt - im Gegensatz zu Frankreich mit seinen zahlreichen ihr geweihten Kirchen.
Doch das könnte sich ändern: Zu Allerseelen am 2. November soll während eines Gedenknachmittags nahe des Gedenksteins noch eine Keramik-Figur der Künstlerin Petra Töppe-Zenker aufgestellt werden. „Radegunde hat eine spannende Biografie vorzuweisen. Sie war eine bedeutende Person“, sagt Voigt, der noch weitere Pläne und Ideen hat; so eine Ausstellung, weitere Untersuchungen der Flächen sowie den Kontakt zu Radegunde-Gedenkstätten in Frankreich. Einige Funde des Hobby-Archäologen sind bereits an das Landesamt für Archäologie und Denkmalpflege in Halle gegangen. Elektronische Post an Gebietsreferent Matthias Becker und Direktor Harald Meller mit Voigts Gedanken blieben bis heute jedoch unbeantwortet.