Strukturwandel Kohleaus: Im Kraftwerk Deuben gehen die Lichter aus
Eines der ältestes Braunkohlenkraftwerk Deutschlands geht am Dienstag außer Betrieb. Am Montag rollte der letzte Kohlezug ins Werk.
Deuben/MZ - Die E-Lok 1.301 fährt Punkt 10 Uhr in das Werksgelände Deuben ein: „Letzter Kohlezug Veredlungsstandort Deuben“ steht auf dem Transparent. Zehn Kilometer hat der Zug aus dem Tagebau Profen der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft (Mibrag) zurückgelegt und 44 Tonnen Rohbraunkohle für diesen symbolischen Akt geladen. Am Dienstag geht Deutschlands ältestes Braunkohlenkraftwerk nach 85 Jahren vom Netz und damit der Standort außer Betrieb.
Ein letztes Mal hält der Zug, werden die Klappen geöffnet und die Kohle fällt durch Lucken in die Tiefe. Ein großes Schaufelrad - ein Grabenschöpfgerät (Baujahr 1934) - fördert das schwarze Gold auf Transportbänder. So gelangt die Kohle zum Kraftwerk, früher noch zur Staub- und Brikettfabrik. „Ich bin in Deuben aufgewachsen und habe mein ganzes Arbeitsleben hier verbracht“, sagt Matthias Schubert. Sein Elternhaus steht nur 150 Meter von der „Kohlebude“ entfernt auf dem Holzberg.
Mitarbeiter Matthias Schubert geht nach 43 Jahren bei der Mibrag in Rente
„In Deuben hatten wir schon immer den Dreck, im benachbarten Naundorf gab es Abgase“, sagt Schubert. Daran hätten sich zu DDR-Zeiten alle hier gewöhnt. 1978 hat Schubert seine Ausbildung als Maschinist im damaligen Braunkohlenkombinat Erich Weinert begonnen. „Ich habe mir über meinen Berufswunsch nicht viele Gedanken gemacht. Das Kraftwerk lag vor der Haustür und man hat schon immer gutes Geld verdient“, erzählt der Steiger. Mit schönen Erinnerungen wird er „sein“ Werk verlassen. „Wir haben alle Jahrzehnte lang zusammen gearbeitet. Wir Kollegen kennen uns besser als den eigenen Ehepartner“, sagt er mit einem Augenzwinkern.
Es sei eine schöne Zeit gewesen. Rund 2.000 Beschäftigte gab es in den besten Tagen an diesem Standort, rund 10.000 im gesamten Kombinat. In Deuben gehörte eine ausgebaute Infrastruktur dazu. Das fing bei einer umfassenden ärztlichen Versorgung durch die eigene Poliklinik an, reichte über einen Betriebskindergarten, ein Kulturhaus bis zum Freibad. Schichtbusse und Züge brachten Hunderte Beschäftigte nach Deuben.
Die Brikettfabrik ist längst Geschichte, die Staubfabrik schloss am 17. November und jetzt gehen auch im ältesten Kraftwerk Deutschlands die Lichter aus. Bis zu 74 Megawatt Strom lieferte es für den Betrieb des Tagebaus in Profen. Mit der Stilllegung des Standorts geht ein Abschnitt regionaler Industriegeschichte zu Ende. Das Mibrag-Kraftwerk Wählitz wird die Versorgung des Tagebaus übernehmen.
Noch steigt weißer Rauch aus dem Schornstein, voraussichtlich am Freitag ist Schicht im Schacht. „Das heißt nicht, dass am Montag die Abrissbagger anrücken. Für Mibrag ist es noch immer ein attraktiver Industriestandort mit guter Anbindung“, sagt Sybille Weidner, Mibrag-Direktorin Kommunikation.
Kraftwerk Deuben: Zuletzt 135 Beschäftigte
Für Matthias Schubert geht dieses Jahr ein erfülltes Arbeitsleben zu Ende. Der 59-Jährige erhält Anpassungsgeld aus dem Fonds für Strukturwandel, hat sich längst im benachbarten Gröben ein Haus gebaut und will den Ruhestand genießen. „Ich freue mich auf meinen 16-Monate alten Enkel, bin leidenschaftlicher Angler und werde mir ein Ehrenamt suchen“, sagt Schubert.
Kollege Marcus Böhme klopft ihm auf die Schulter. Der 37-Jährige wird weiterhin bei Mibrag arbeiten, dann im Tagebau Profen. „Ich habe 2001 in Deuben eine Lehre als Schlosser begonnen und mag meinen handwerklichen Beruf“, sagt der Gosecker. 2010 hat er seinen Industriemeister Metall gemacht und arbeitet in der Rauchgasentschwefelungsanlage. Traurigkeit kommt an diesem historischen Tag nicht auf. „Ich freue mich auf meinen neuen Job“, sagt Böhme.
In Deuben gehen 135 Arbeitsplätze verloren. „Mit der Stilllegung des Kraftwerks sind die ersten direkten Auswirkungen des Strukturwandels im Burgenlandkreis spürbar“, sagt Landrat Götz Ulrich (CDU).