Justiz Justiz : Bewährung nach Bombendrohung zum Kirschfest 2017

Halle/Naumburg - Mitten in der Urteilsverkündung verließ die Angeklagte schweigend, aber spürbar innerlich kochend den Saal. Ihr lediglich mit den Augen bis zur Tür folgend, setzte der Vorsitzende Richter am Landgericht Halle Montagnachmittag unbeirrt die Urteilsverkündung fort. Wegen der Störung des öffentlichen Friedens und des Notrufmissbrauchs in fünf Fällen verurteilte die 10. Große Strafkammer die Frau zu zehn Monaten Haft, die zur Bewährung für die Dauer von vier Jahren ausgesetzt werden sollen. Das schien der Angeklagten alles andere als zu gefallen.
Nicht nur nicht gefallen haben dürfte den gut 10.000 Gästen des 2017er-Kirschfests, dass sie nachts die Naumburger Festwiese wegen einer Bombendrohung schleunigst räumen mussten - und das gewiss mit einer Portion Angst. Dass die mit einer computeranimierten Stimme von der am Kramerplatz aufgestellten Telefonstele aus bei der Polizei eingegangene Drohung auf das Konto der Angeklagten geht, stand für die Staatsanwältin wie für das Gericht nach mehrtägiger Beweisaufnahme (wir berichteten) fest.
Ebenso kam man zu dem Schluss, dass sich die Naumburgerin fünfmal des Notrufmissbrauchs schuldig gemacht hatte. Damit blieb nur ein Bruchteil der angeklagten Missbrauchsvorfälle übrig. Zum Prozessauftakt Mitte August war in der Anklage, die bereits im Jahr 2018 im Landgericht eingegangen war, noch die Rede davon, dass die Frau von August bis November 2017 etwa 300-mal vom Handy oder von diversen in Naumburg aufgestellten Münztelefonen aus die 110 grundlos gewählt und damit für ernste Fälle blockiert haben soll. Sie habe stets den Hörer aufgelegt, sobald sich ein Beamter am anderen Ende der Leitung gemeldet hat. Der Großteil dieser Notrufmissbräuche war während des Prozesses ebenso eingestellt worden wie der letztlich nicht nachweisbare Vorwurf, dass die 44-Jährige schon einmal am 10. Mai 2017 mit einer computeranimierten Stimme mit einer Bombe gedroht haben soll. Damals ging es um das Saale-Unstrut-Klinikum Naumburg. Der Landkreis als Träger des Krankenhauses schaltete einst umgehend die Polizei ein. Nachdem Beamte den noch nicht evakuierten Gebäudekomplex durchkämmt hatten, gaben sie Entwarnung.
Von den schließlich übrig gebliebenen sechs Vorwürfen wollte der Verteidiger seine Mandantin freigesprochen sehen. Ganz anders die Staatsanwältin. Sie hatte für anderthalb Jahre Haft und deren Aussetzung zur vierjährigen Bewährung plädiert.
Warum die Strafkammer die einschlägig vorbestrafte Frau zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilte, wenn auch noch nicht rechtskräftig, erklärte der Richter auch damit, dass man „nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen“ wolle und einst nichts weiter passiert sei. 2017 habe die Einzelgängerin, die aus dem nächtlichen Naumburger Stadtbild bekannt sei, wieder in schwierigen Umständen gelebt. Sie steckte in einer Betreuung und nahm Medikamente ein. Zurück reichten ihre Probleme wohl bis in die 1990er-Jahre, in denen sie als Brandstifterin aufgefallen war. Eine ihrer Zündeleien in Wohnhäusern geriet außer Kontrolle und forderte ein Menschenleben. Daraufhin wurde sie im psychiatrischen Fachklinikum Uchtspringe untergebracht. Allerdings habe, laut Gutachter, die Therapie nicht funktioniert, worauf sie nach 15 Jahren entlassen worden war.
Nachdem die Angeklagte zum ursprünglich im Frühjahr terminierten Prozessauftakt nicht erschienen war, hatte der Richter sich nach Naumburg zum Gespräch mit der Frau und deren Betreuerin begeben. Während diesem sei deutlich geworden, dass man von einer erneuten Unterbringung in einem Fachklinikum absehen würde. Aus heutiger Sicht, so der Richter zur Urteilsbegründung, könne man sagen, dass die Frau „nicht gefährlich ist und im Ruder laufen kann“. Sie sei „nicht dumm und könne“, sagte er, „einschätzen, wo Gefahren liegen“.