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Hochwasser 2013 Hochwasser 2013: Ein Dorf steht zusammen und verteidigt seine Heimat

Von Yvette Meinhardt 12.06.2018, 12:00
Hunderte Freiwillige am Deich in Predel atmen auf.
Hunderte Freiwillige am Deich in Predel atmen auf. Lothar Stahl

Predel - Die Gemeinde Elsteraue und vor allem die Wasserdörfer leben seit Jahrhunderten mit wechselnden Pegelständen und Hochwasser. Ostrau, Reuden und Predel gelten bis heute als Überflutungsgebiete der Weißen Elster. So leben die Menschen in zeitlichen Abständen mit der Flut. „Der gemeinsame Kampf um den Erhalt unserer Dörfer hat uns als Gemeinschaft zusammengeschweißt“, sagt Ortsbürgermeister Lothar Stahl.

So haben sich etwa 40 Leute in einem Verein namens Lumpazi zusammengeschlossen. Sie treffen sich gemeinsam und haben zum fünften Jahrestag des Hochwassers einen Gedenkstein gesetzt und eine Tafel aufgestellt.

Hochwasser 2013: Das erste Warnsignal in Richtung Gemeinde

Lothar Stahl hat seine Erinnerungen an das Hochwasser 2013 schriftlich festgehalten: Am 1. Juni, am Samstag kurz nach 21 Uhr, setzte Benno Steinhauf das erste Warnsignal in Richtung Gemeinde ab, weil der starke Wind Wasser von Süden in ein privates Grundstück in Predel drückte und den Damm zu überspülen drohte.

Der Gemeindewehrleiter stellte gegen 22.30 Uhr fest, dass in der Nacht keine weiteren technischen Maßnahmen notwendig seien, doch die Predeler trauten der Aussage nicht und bauten. Sonntagmorgen, 2. Juni: Der Katastrophenstab legt fest, den südlichen Deichabschnitt mit drei Reihen Sandsäcken zu erhöhen und hält dies für ausreichend. Die Predeler schauen dem steigenden Wasser nicht tatenlos zu, hunderte Säcke werden aus privaten Beständen zusammengetragen und Gero Kämpfe fährt die ersten Fuhren Sand auf eigene Rechnung.

Hochwasser 2013: Sand und Säcke zum Deich beordert

Sonntagnachmittag: Bürgermeister Manfred Meißner (parteilos) beordert Sand und Säcke zum Deich nach Predel und die Einwohner bauen. „Ich habe mehr als 90 Helfer gleichzeitig am Damm gezählt, die ja auch alle notwendig waren, weil der landseitige Deichfuß schon lange nicht mehr mit Fahrzeugen zu erreichen war“, erinnert sich Stahl. Menschenketten müssen Technik ersetzen, weil ein Deichverteidigungsweg bisher nicht in das Budget des Landes gepasst hat.

Sonntagnachmittag: Die Fachleute vom LHW stellen fest, dass der Deich durch die Arbeiten der Helfer stark zertreten sei und Sickerwasser durch den Damm dringt. Die Standsicherheit des Deiches sei nicht mehr gegeben. Dem Gemeindewehrleiter obliegt es, diese Botschaft zu überbringen und den Damm räumen zu lassen. Dieser Anweisung widersetzen sich alle Helfer in Predel und bauen weiter an dem Strohhalm in Grün, der sie vor dem Untergang ihres Dorfes schützt.

Hochwasser 2013: Deiche in der Elsteraue sind nach der Flut von 1954 erhöht worden

Sonntag: 18.30 Uhr, der Pegel in Zeitz steht bei 5,66 Meter. Es werden weitere 90 Zentimeter erwartet. Die Deiche in der Elsteraue sind nach der Flut von 1954 erhöht worden und auf einen Pegelstand von 6,30 Meter ausgelegt. Ein Überspülen ist nicht abzusichern und deshalb legt der Katastrophenstab fest, alle Deichverteidigungsarbeiten einzustellen. Man bereitet die Evakuierung von Maßnitz, Göbitz, Ostrau, Predel Etzoldshain, Traupitz, Minkwitz und Bornitz vor. Den Reudenern am Wiesenweg wird die Evakuierung angeraten. Die Profener Feuerwehr hilft, weil alle Reudener in Predel sind.

Doch aufgeben gibt es nicht. Die Predeler stehen weiter am Deich. Sie wollen ihr Dorf nicht untergehen lassen. Montag, 3. Juni: Das Wasser steigt, der Deich hält und wird weiter erhöht. An einigen Stellen liegen fünf Reihen Sandsäcke übereinander. Die Sickerstellen nehmen bedrohliche Ausmaße an. Die Predeler Feuerwehr hat alles fest in der Hand. Alles läuft fast blind und in einer unglaublichen, fast gespenstigen Ruhe ab.

Hochwasser 2013: Am Dienstag scheint die Sonne

Für 16 Uhr kündigt der Bürgermeister einen Zug Bundeswehrsoldaten an. Kurz nach 20 Uhr treffen zirka 50 Soldaten ein und entlasten für die nächsten eineinhalb Stunden die erschöpften Helfer am Damm. Die Soldaten verschwinden 22 Uhr, weil ein gefahrloses Arbeiten im Dunkeln nicht gesichert werden kann. Im Taschenlampenschein verschwindet der Pegelstein auf dem Scheitel des Dammes im Wasser - die Bereitschaft der Predeler bleibt.

Der Pegel in Zeitz erreicht 6,52 Meter. An einigen Stellen steht das Wasser 30 Zentimeter über der Deichkrone. Die Nacht ist kalt, aber die Predeler stehen an ihrem Damm und stellen gegen 2 Uhr fest, dass das Wasser nicht mehr steigt. Am Dienstag scheint die Sonne. (mz)

Flut in Predel: Der Deich ist nur noch zu erahnen.
Flut in Predel: Der Deich ist nur noch zu erahnen.
Lothar Stahl