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Halbjahr zum Vergessen Halbjahr zum Vergessen: Wie die Jugendherberge Kretzschau mit der Corona-Krise umgeht

Von Matthias Voss 22.03.2020, 12:00
Jugendherbergsleiter Rico Thielsch.
Jugendherbergsleiter Rico Thielsch. René Weimer

Kretzschau - So wie zur Zeit alle Hotels und Gaststätten mit mangelnden Gästezahlen unter dem Coronavirus leiden, hat auch die Jugendherberge Kretzschau zu kämpfen. Hier aber vielleicht noch ein bisschen heftiger. Denn nach Auskunft von Leiter Rico Thielsch wurden sämtliche Reservierungen von zum Beispiel Schulklassen, den ansonsten treuen Kaufland-Azubis, die schon vor drei Wochen vorsorglich abgesagt hatten, oder einer Gruppe aus Frankreich storniert. Die Bücher sind sozusagen leer.

Aufgrund von Stornierungen durch Corona ist erstes Halbjahr gelaufen

„Das geht sogar bis in den Juli hinein, weil viele vorsorglich von ihrem Recht Gebrauch gemacht haben, acht Wochen vor dem geplanten Aufenthalt kostenfrei zu stornieren“, erklärt Thielsch. Dadurch sei die Planungssicherheit natürlich weg, „und das erste Halbjahr ist komplett für uns gelaufen. Das ist ein großes Problem, weil ich ja ganz normal wie ein Hotelier oder Gastronom eine Jahresplanung habe und kalkulieren muss“, ergänzt er.

Aber gefährdet ist die Einrichtung deswegen nicht unbedingt. Denn die Jugendherberge in Kretzschau ist eine von 15, die dem Landesverband von Sachsen-Anhalt angehören. „Wir haben hier zudem das Glück, dass wir, im Gegensatz zu anderen Herbergen, keine Miete zahlen müssen, weil das Areal dem Verband gehört“, erklärt der Leiter.

Eventuell betriebsbedingte Kündigungen vereinzelter Mitarbeiter

Und normalerweise werden Verluste in einem Solidarpakt mit den anderen Einrichtungen im Landesverband ausgeglichen. „Aber denen wird es sicher nicht viel anders gehen“, so Rico Thielsch. Was aber genau passieren wird, steht nicht unter seinem Einfluss.

Thielsch ist als Leiter auch nur Angestellter, die Entscheidungen werden beim Verband in Magdeburg getroffen. Etwa, ob es betriebsbedingte Kündigungen vereinzelter Mitarbeiter geben wird oder was mit den Häusern generell passiere. Persönlich betroffen von der Situation ist er aber trotzdem.

Jugendherberge sollte weiter zum Thema Wilder Westen und Indianer ausgebaut werden

„Die spezielle Auswirkung für uns hier in Kretzschau ist, dass Fördergelder für die Sanierung beantragt worden sind. Das fällt natürlich jetzt weg“, sagt Thielsch. Der Leiter hatte viel vor in diesem Jahr. Die Jugendherberge sollte weiter zum Thema Wilder Westen und Indianer ausgebaut werden, es sollte einen komplett neuen Abenteuer-Spielplatz geben und zum nahen See sollte ein Zugang geschaffen werden, den auch die Bevölkerung hätte nutzen können.

„Wir müssen jetzt erstmal schauen, wie es weitergeht. Aber ich bin der Meinung, dass auch die Politik in der Pflicht ist, den Druck generell von den Arbeitgebern zu nehmen“, findet er. Zur Zeit ist er fast allein in der Einrichtung, die Mitarbeiter sind seit zwei Wochen im Urlaub und sollen noch mindestens zwei weitere fern bleiben.

Hoffnung auf baldiges Ende der Corona-Pandemie

Vor vier Jahren feierte die Jugendherberge Kretzschau ihr 40-jähriges Jubiläum. Am 15. Mai 1976 wurde die Einrichtung als „Kreispionierlager“ mit einem „großen Fest der Jugend und der Freundschaft“ eröffnet, wie man aus der Chronik erfährt. Gleichzeitig startete auch das Strandbad in die neue Saison. Und am Abend des 15. Mai gab es dann einen großen Fackelkorso auf dem See. Seitdem wurde die Einrichtung ohne Unterbrechung zur Unterbringung von Kindern und Jugendlichen und Familien genutzt.

„Ich habe jedem Desinfektionsmittel mitgegeben und sie gebeten, sich so gut wie möglich zu schützen“, sagt Thielsch. Dass Corona so einen wirtschaftlichen Schaden auslöst, ist natürlich nicht schön, „aber in erster Linie geht es darum, dass niemand gefährdet wird. Und dann ist es natürlich unabdingbar, dass die Kontakte unter den Menschen so gering wie möglich gehalten werden.“

Er hofft, dass die Pandemie bald wieder abebbt und dass das zweite Halbjahr dafür umso besser wird. „Ein regelrechter Boom wäre dann schön, aber das betrifft ja die ganze Wirtschaft“, meint Rico Thielsch. (mz)