Görschen Görschen : Die Vielfalt auf dem Lande

In anderen Dörfern fahren die Bewohner nach Naumburg zur Arbeit, in Görschen ist es genau umgekehrt. Mit Unternehmen der Branchen Baugewerbe, Maschinenbau, Gerüstbau, Fensterbau, Holzverarbeitung, Transport, Pharmatechnik und Entsorgung haben sich auf dem rund 1,57 Quadratkilometer großen Areal des an der Bundesstraße 180 gelegenen Görschener Gewerbegebietes zahlreiche Arbeitgeber angesiedelt. Die Unternehmen wissen dabei auch die Nähe der nur etwa zehn Kilometer entfernten Autobahn zu schätzen, wie Guido Rößler, Geschäftsführer und Inhaber der Görschener Firma Rößler GmbH für Metall-Komplettfertigung, zu berichten weiß. Seit ihrer Ansiedelung im Gewerbegebiet ist sie kontinuierlich gewachsen. 2016 wurde sie mit dem Unternehmerpreis des Burgenlandkreises und der Sparkasse geehrt. Görschen jedoch hat sich trotz des „industriellen Aufschwungs“ seinen dörflichen Charakter bewahrt. Über 520 Menschen leben in dem Ort, der 998 erstmals erwähnt wurde. Ein Zeuge der Geschichte und auch weithin sichtbar ist die Kirche des Ortes, der zusammen mit der Nachbarstadt Stößen ein Kirchspiel bildet. „Guter Geist“ und auch so etwas wie ihr „Glücksbringer“ ist Bernd Donath. Seit 1985 ist der Schornsteinfegermeister als ehrenamtlicher Prädikant im Evangelischen Kirchspiel tätig.
Einzug ins Pfarrhaus
Die Berechtigung, im Verkündigungsdienst wirken und damit Gottesdienste halten zu können, hat Donath in einem kirchlichen Fernkurs erworben. Gemeinsam mit seiner Frau war er Anfang der 80er-Jahre in das leerstehende Pfarrhaus des Dorfes gezogen, wollte sich kirchlich engagieren. Über die Jahre hinweg hat er mehrere Aufgaben übernommen. So ist Bernd Donath außerdem Vorsitzender des Gemeindekirchenrates des Kirchspiels Görschen-Stößen, das zwei Kirchen und zwei Pfarrhäuser zu unterhalten hat, und er leitet den Posaunenchor der Region. „Da kommt keine Langeweile auf“, berichtet Donath mit einem Schmunzeln. Jüngstes Projekt in der Kette der Aufgaben: die Reparatur der Kirchenorgel.
Von der Anhöhe, auf der das Gotteshaus steht, lässt sich ein Teil des Dorfes mit dem Eigenheim-Baugebiet, das bereits gut ausgebucht ist, auf der einen Seite und dem Waldhof von Familie Tiedge auf der anderen Seite gut überblicken. Am Ortsrand an der in Richtung Droitzen führenden Straße gelegen, bietet der Landwirtschaftsbetrieb im Nebenerwerb und seit 13 Jahren der Erlebnis-Bauernhof mit Pension Landwirtschaft zum Anfassen. Davon konnte sich jüngst auch Landrat Götz Ulrich bei einem Besuch überzeugen. Anlass war die Verleihung eines von 18 bundesweit von der Bio-Bauern-Initiative und Alnatura und dem Naturschutzbund Deutschland (NABU) vergebenen Förderpreise für Höfe, die ihre Produktion komplett auf ökologische Landwirtschaft umgestellt haben oder dies in einer zweijährigen Umstellungsphase tun. Überreicht worden war der Preis, um den sich 85 Betriebe beworben hatten, im Juni auf dem Umweltfestival in Berlin.
Susanne Tiedge berichtete dem Gast vom schweren Anfang, als sie gemeinsam mit ihrem Ehemann und Sohn 1998 den 500 Jahre alten verfallenen Hof übernommen hatte. Schritt für Schritt wurden die Gebäude und das Fachwerkhaus, das sich heute inmitten eines traditionellen Bauerngartens als Kleinod präsentiert, saniert und erneuert.
Beim Rundgang über den Hof und in den Ställen bekam der Landrat einen Einblick in die artgerechte Tierhaltung. Bis zum Jahr 2014 war es ein reiner Grünlandbetrieb, dessen Flächen für die eigene Futterproduktion bewirtschaftet wurden. Die Familie züchtet schottische Hochlandrinder der Rasse Galloway und Schweine der Rasse Duroc, die eine rostrote Farbe haben. Sie werden artgerecht auf Stroh gehalten und in der wärmeren Jahreszeit beweiden sie das Grünland. Im Hofladen wird Frischfleisch vom Rind und Schwein sowie nach alter Handwerkstradition hergestellte Wurst verkauft.
Zweijährige Umstellung
Zum Hof gehört noch eine Kuh, bei der man das Melken in natura erlernen kann. Esel Charly, Enten, Hühner, Tauben und Kaninchen, Katzen und ein Hund bereichern den Bauernhof. Besucher der Pension, die Ruhe und Entspannung suchen, aber auch Kindergruppen und Schulklassen können so erleben, dass Landwirtschaft und Tierhaltung durchaus im Einklang mit Mensch und Natur möglich sind.
Derzeit befindet sich der Hof von Familie Tiedge in der zweijährigen Umstellungsphase auf Bio-Produktion, die mit dem Förderpreis innerhalb der Bio-Initiative „Gemeinsam Boden gut machen“ einen weiteren Schub bekommen habe, wie Susanne Tiedge berichtete. Allerdings verhehlte sie nicht, dass konventionell arbeitende Landwirte die Bio-Bauern oft als Exoten betrachten.
