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Brandfest Prießnitz  Brandfest Prießnitz : Rettungstat in grausamer Zeit

Von Roland Lüders 17.10.2016, 09:15
Auch die Kinder des Dorfes, so ist in der Schulchronik nachzulesen, werden an diesem frostigen Morgen von den napoleonischen Truppen auf den heutigen Angstplatz getrieben.
Auch die Kinder des Dorfes, so ist in der Schulchronik nachzulesen, werden an diesem frostigen Morgen von den napoleonischen Truppen auf den heutigen Angstplatz getrieben. Biel

Prießnitz - Der jüngste Sonntag: Er machte seinem Namen mit angenehmen Temperaturen und aus blauem Himmel strahlender Sonne schon am Morgen alle Ehre. Ganz anders war das in Prießnitz am 16. Oktober vor 210 Jahren. Am Morgen dieses Tages im Jahr 1806 herrschte im Ort klirrende Kälte. Bei diesen frostigen Temperaturen standen alle Einwohner des Dorfes, oft nur spärlich bekleidet, auf einem Platz am Ortsausgang Richtung Neidschütz. Noch schlimmer als die Kälte war aber die Angst, die die Herzen der Prießnitzer einschnürte. Denn sie waren nicht freiwillig hier, sondern wurden auf Befehl des Siegers der Schlacht zwischen Deutschen und Franzosen von Hassenhausen und Jena- Auerstedt, dem napoleonischen Marschalls Davoût, hier zusammengetrieben. Ihr Dorf wollten die Eroberer durch Feuer dem Erdboden gleichmachen, außerdem sollten fast alle männlichen Einwohner im Kugelhagel sterben. Warum? Weil Prießnitz Opfer einer Verwechslung wurde, man den Einwohnern vorwarf, französische Soldaten umgebracht zu haben.

An die grausamen Ereignisse von damals und die Rettung von sieben jungen Delinquenten erinnert das Prießnitzer Brandfest, das seit 1809 alljährlich begangen wird. Höhepunkt ist dabei immer die Prozession am 16. Oktober durch den Ort zu oben genannter Stelle, seit jenem Ereignis vor 210 Jahren Angstplatz genannt. Damals brannten 36 Häuser nieder. Nur 16 Gebäude, darunter Schule und Kirche, blieben unversehrt. Aller fünf Jahre, so auch 2016, wird diese Prozession als historischer Umzug gestaltet.

In sieben Bildern wurde das Geschehen von 1806 nachgestellt. So die französischen Besatzer, die zum Tod Verurteilten oder die restliche Dorfbevölkerung, die zum Platz getrieben wurde, wobei man einen Mann erschoss. Ein brennendes Haus symbolisierte die Verwüstung des Ortes durch die Feuersbrunst, Bauern und Handwerker zeigten, dass dank des Überlebenswillens und der Solidarität der Menschen nicht nur in Prießnitz der Ort bis 1809 wieder weitgehend aufgebaut werden konnte.

„Dass das Schlimmste verhindert wurde“, erinnerte Ortsbürgermeister Jörg Schütze auf dem Angstplatz, „ist sowohl dem Pfarrerssohn Gottlob Leberecht Großmann zu verdanken, der auf die Unschuld von sieben als Opfer herausgesuchten Jünglingen verwies, als auch dem französischen Hauptmann Gouvéan.“ Großmanns Intervention hatten seine Zweifel geweckt, das Flehen eines Jünglings, der um sein Leben bat, rührte sein Herz. Der Offizier beging eine Tat, die seine eigene Erschießung hätte nach sich ziehen können: Befehlsverweigerung. Er ließ gegen die ausdrückliche Order seiner Vorgesetzten über die Köpfe der jungen Männer schießen.

Nach der nachgestellten Scheinhinrichtung schlug Pfarrer Michael Greßler den Bogen in die Gegenwart. Ausgehend von der Botschaft des Apostels Paulus „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem“ verwies er darauf, dass nicht Hass, sondern Dankbarkeit über die Rettung die Herzen der Prießnitzer erfüllt hatte. Er forderte die Menschen auf, es den damaligen Einwohnern des Dorfes gleich zu tun und nicht den Botschaften von Hasspredigern Raum in ihrem Herzen zu geben.

Die Hinrichtung wird nur simuliert. Die Soldaten schießen über die Köpfe der Jünglinge hinweg.
Die Hinrichtung wird nur simuliert. Die Soldaten schießen über die Köpfe der Jünglinge hinweg.
Biel
Im Gotteshaus gibt auch der Naumburger Liedermacher Holger Vandrich ein Konzert.
Im Gotteshaus gibt auch der Naumburger Liedermacher Holger Vandrich ein Konzert.
Biel