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Ausland  Ausland : Begegnungen in Independencia

Von Constanze Matthes 30.08.2016, 08:24
Landschaft in Paraguay, wo Nicola Anna Dietzel ein halbes Jahr gelebt hat.
Landschaft in Paraguay, wo Nicola Anna Dietzel ein halbes Jahr gelebt hat. Privat

Naumburg - Mit dem Flieger ist sie um die halbe Welt gejettet, um am Ziel ihrer langen Reise eine besondere, weil auch befremdliche Überraschung bei der Ankunft zu erleben. „Ich sah Straßenschilder mit der Aufschrift Sachsen-Allee oder Berliner Straße und schaute noch einmal auf das Flugticket, ob ich wirklich richtig war“, erzählt Nicole Anna Dietzel. Eine zugegeben merkwürdige Entdeckung, wenn man wie die junge Naumburgerin in Paraguay landet. „Ich wollte nach meinem Abitur erst einmal raus in die Welt und nahm Kontakt zum Freiwilligendienst Kulturweit auf. Dass es Südamerika wurde, war ein Zufall“, blickt die 20-Jährige zurück.

Ihre Aufgabe war es, in der Schule in der deutschen Kolonie Independencia Kinder in deutscher Sprache zu unterrichten und Projekte zu koordinieren. Erfahrungen hatte sie dafür bereits während ihrer eigenen Schulzeit am Droyßiger Christophorusgymnasium gesammelt, indem sie Nachhilfe gab, unter anderem in einer Kooperation mit der Naumburger Salztorschule mitwirkte.

Darüber hinaus erlebte Nicole Anna Dietzel Land und Leute. In der Kolonie traf sie auf deutsche Einwanderer, die zu verschiedenen Zeiten und auch aus unterschiedlichen Gründen heraus ihr Heimatland verlassen hatten. Die ersten kamen Ende des 19. Jahrhunderts, eine Vielzahl nach dem Ersten Weltkrieg, vor allem aus dem Sudetenland. Bis heute dauert der Zustrom an. Eine Entwicklung, die nicht ohne Spannungen verläuft, wie die Naumburgerin betonte; vor allem zwischen den verschiedenen Generationen der Einwanderer. Ihre Erlebnisse und Begegnungen mündeten in ein Buch mit dem Titel „Zwischen Mangobäumen, Kühen und Deutschen“. Den Großteil des Bandes nehmen Interviews mit den Einwohnern der deutschen Gemeinde ein. Die Gesprächspartner berichten darin von der Reise und den Gründen ihrer Ausreise nach Südamerika, dem Alltag und der Pflege deutscher Traditionen sowie vom Verhältnis zu den Einheimischen. „Ich musste mich einfach damit auseinandersetzen und meine Erfahrungen aufarbeiten. Ein Teil des Wissens vor Ort zu Deutschland beruht allerdings auf Klischees“, sagte Nicole Anna Dietzel, die ihren Aufenthalt in Paraguay zudem nutzte, um andere südamerikanische Länder wie Argentinien, Bolivien, Peru und Chile zu bereisen.

Als Binnenstaat in Südamerika grenzt Paraguay an Brasilien, Argentinien und Bolivien. Hauptstadt des Landes mit seinen rund 6,7 Millionen Einwohnern ist Asunción. Mit einem Staatsgebiet von knapp 407000 Quadratkilometern ist das Land ungefähr so groß wie Deutschland und die Schweiz zusammen. Amtssprache ist Spanisch, doch es gibt 20 weitere Sprachen. Der Anteil der deutschstämmigen Bevölkerung liegt bei fünf bis sieben Prozent. Neben der Landwirtschaft spielt die Wasserwirtschaft eine große Rolle. Das Kraftwerk Itaipú war bis zum Jahr 2006 das größte der Welt.

Sie selbst bezeichnet sich als Weltenbummler. Sofort würde sie wieder in den Flieger steigen, um in die Ferne zu reisen. Nachhaltig habe sie der Aufenthalt geprägt, sagt sie. „Ich habe ein facettenreiches Land und eine Vielzahl toller Menschen kennengelernt, zu denen ich weiterhin in Kontakt bleiben will.“ So wird ihre Mentorin sie in Kürze in Naumburg besuchen. Die Domstädterin kann jedem Jugendlichen einen solchen Auslandsaufenthalt ans Herz legen. „Man wächst mit seinen Aufgaben und gerade in der Auseinandersetzung mit einer fremden Kultur, Sprache und Mentalität. Und auch ein spontanes Ziel hat seinen Reiz, wenn man sich darauf einlässt“, meint sie. Spontan wird ihre nächste Lebensetappe nicht sein. Nicole Anna Dietzel hofft, im Herbst ihr Studium der Medizin aufnehmen zu können.

Nicole Anna Dietzel hat ein halbes Jahr in Paraguay gelebt. In der deutschen Kolonie Independencia arbeitete sie als Deutschlehrerin. Über ihre Erfahrungen hat sie ein Buch geschrieben.
Nicole Anna Dietzel hat ein halbes Jahr in Paraguay gelebt. In der deutschen Kolonie Independencia arbeitete sie als Deutschlehrerin. Über ihre Erfahrungen hat sie ein Buch geschrieben.
Torsten Biel