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"Adrian Ursache erschossen" Adrian Ursache angeschossen: Polizei stürmt Reich "Ur" in Reuden

Von Torsten Gerbank und Steffen Könau 26.08.2016, 10:53
Adrian Ursache (Mitte, mit Basecap) am Mittwoch  im Kreis von Unterstützern vor seinem Haus in Reuden.                             
Adrian Ursache (Mitte, mit Basecap) am Mittwoch  im Kreis von Unterstützern vor seinem Haus in Reuden.                              Andreas Stedler

Reuden - Die erste Meldung kommt über Facebook. „Adrian wurde grade erschossen vor meinen Augen, wenn ihr nichts mehr von mir hört, bin ich tot“, schreibt Arnold Jabrams. Jabrams befindet sich in Reuden, einem kleinen Örtchen in der Elsteraue, an dessen Rand eben jener angeblich erschossene Adrian seit zwei Jahren einen eigenen Ministaat zu betreiben vorgibt. Adrian, der eigentlich Adrian Ursache heißt, sich manchmal aber auch „Stefan“ oder „Ich Bin“ nennt, habe Widerstand geleistet, als am frühen Morgen rund 200 Polizeikräfte sein „Reich Ur“ überfallen hätten. „Ohne Rechtsgrundlage“, wie ein anderer Unterstützer in einem Forum der Ur-Fans berichtet. Ursache habe eine Waffe gezogen, daraufhin hätten Polizisten das Feuer eröffnet.

Unterstützer von Adrian Ursache fordern Rache

„Mord“, gellt es in den Stunden danach durch die sozialen Netzwerke. Unterstützer Ursaches fordern Rache, der vermeintlich Getötete wird als Märtyrer gefeiert, der für die gemeinsame Sache sein Leben gegeben habe.

Eine Turbokarriere ins Himmelreich der Anhänger von selbstgebastelten Staatsrechtstheorien und bizarren Selbstverwaltungskonzepten. Noch vor vier Jahren war Adrian Ursache ein ganz normaler Familienvater, verheiratet, zwei Kinder und nach Jahren als Mobilfunkverkäufer selbstständig mit einem Vertriebsunternehmen für Solaranlagen. Der Mann, der 1998 Mister Germany war, spielt damals Fußball und in einer Rockband, er empfängt Fernsehteams, die Homestorys drehen, und er lächelt bereitwillig in die Kamera.

Bis ihn diese Idee mit dem „Reich Ur“ überkommt, womöglich, er selbst hat das nie bestätigt, nach einer unangenehmen Erfahrung mit der Justiz, die ihn für eine Nacht ins Gefängnis bringt, weil er eine Geldstrafe nicht bezahlen will. Auf einmal hat Ursache danach eine Mission: Er erklärt den Familiensitz zu seinem Staatsgebiet und für unabhängig von der Bundesrepublik, malt sich eine Fahne und ein Wappen und wählt sich selbst an die Spitze eines Zwergenimperiums, das vom staubigen Alten Postweg in Reuden gerade bis zum Gartenzaun des Nachbarn reicht.

Unterstützung für Adrian Ursache

Ein Komiker? Ein Spinner? Adrian Ursache meint es ernst. Er sei keiner jener Vollidioten, die behaupten, das Deutsche Reich existiere fort, betont er noch am Mittwochvormittag, als er - umgeben von Dutzenden Unterstützern - darauf wartet, dass die Staatsmacht auftaucht, um ihn und seine Familie wegen aufgelaufener Kreditschulden zwangszuräumen. Sein Staat erhebe vielmehr den Anspruch, Verweser des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1871 bis 1918 zu sein. Er selbst jedoch sei berufen, den neuen Kaiser zu suchen, der „die Wahrheit hervorbringe“. Wichtig sei zudem, so Ursache, dass die DDR-Volkskammer wieder eingesetzt werde, damit ein Friedensvertrag geschlossen und „die Besatzer aus Deutschland vertrieben werden“ könnten.

Ex-Mister-Germany sorgt im Internet für Furore

Es ist ein krauses Gemisch aus Halbverdautem, Angelerntem und esoterisch verbrämtem Juristendeutsch, mit dem der gebürtige Rumäne im Netz Furore macht. Ursache, der der Liebe wegen aus Baden-Württemberg ins Burgenland zog, hält Vorträge vor Gleichgesinnten, er provoziert in Youtube-Videos, droht Behörden und Bankern mit Gewalt, sollten sie ihn zwingen wollen, einen Kredit über rund 100.000 Euro bei einer regionalen Bank zu begleichen.

Nicht die einzigen Schulden der Familie: Auch das Finanzamt, der Abwasserverband und eine Kindertagesstätte warten zusammen auf eine fünfstellige Summe. Doch die Mühlen des Rechtsstaates mahlen langsam. Mehrfach triumphiert der Staatsgründer mit gezückter Smartphone-Kamera über Beamte, die ihm Urkunden zustellen wollen. Adrian Ursache muss wissen, dass er nur Pyrrhussiege feiert. Das Haus, um das es geht, ist längst zwangsversteigert, die neuen Eigentümer haben sich schon vorgestellt. Er hat sie höhnend abtreten lassen: „Ihr könnt keine Besitzer sein, ich besitze den Staat.“

Reaktionen zu Adrian Ursache und dem Polizeieinsatz

Aber im Netz jubeln sie ihm zu, die vom Rechtsstaat Enttäuschten und von der Politik Entsetzten, die Wahrheitssucher, Reichsbürger und Verschwörungsvermuter. Im winzigen Garten des Reichs Ur drängen sich Männer, die die Polizei für eine Wortmarke, die Bundesrepublik für eine GmbH und den Agrarkonzern Monsanto, die Bankiersfamilie Rothschild oder aber ein Konsortium aus namenlosen „Mächtigen“ für die Herren der Welt halten. Fakten können nicht widerlegen, was sie mit all der Kraft glauben, zu der Enttäuschung befähigt: Geheime Zeichen in Ausweisen, Richter, die das Weiße Haus bestimmt. Und Adrian Ursache, der dem Ränkespiel der Weltregierung im Wege steht.

Für viele ist Adrian Ursache ein Held

Angela Merkel nennen sie nur „Frau Ferkel“, aber ansonsten sind es alles nette Leute, friedlich und sofort zur Stelle, wenn einer von ihnen sich in Rage redet und Journalisten bedroht, dass man sie alle eines Tages kriegen werde.

Für diese Männer ist Adrian Ursache ein Held, dem sie bereitwillig zur Seite eilen. Alte und Junge sind da, allesamt „Leute aus dem Widerstand“, wie einer zusammenfasst. Adrian Ursache genießt es, so umschwärmt zu werden. Der 41-Jährige sonnt sich im Ruhm, der auf einmal so real scheint. Richtige Menschen hängen ihm an den Lippen, wenn er über das „faschistische Regime“ ätzt und die Kanzlerin auffordert, zuzugeben, dass sie eine „Nazisau“ sei. Je härter er argumentiert, desto lauter wird der Applaus. „Meine Pflicht ist es, diese Fratze in die Öffentlichkeit zu zerren“, sagt er, ganz gefangen vom Messiaskomplex. „Ich habe keine Angst.“

Auch nicht vor Gewalt. Das Reich Ur sei „bereit, die Freiheit mit Blut und Eisen zu verteidigen“, drohte er im Frühjahr, als die Zwangsversteigerung des Hauses langsam bedrohlich wurde. „Wenn alle Menschen Angst haben, wir haben keine“, versicherte er noch am Mittwoch, ganz im Gefühl des erneuten Triumphes über die Staatsmacht, die zum angesagten Zwangsräumungstermin nicht erschienen war. Adrian Ursache fühlte sich wie ein unbezwingbarer Feldherr, ein echter Staatsmann. Er weiche nicht, auch wenn man ihn zwingen wolle, sagte er. „Du willst Gewalt, du Arschloch“, kündigte er Richtung Polizei und Gerichtsvollzieher an, „dann komm’, ich zeig’ dir, was Gewalt ist.“

Adrian Ursache schwer verletzt

Keine 24 Stunden später wird er Polizisten mit einer Waffe angreifen. Die Beamten schießen. Adrian Ursache wird schwer verletzt. (mz)

Am Donnerstagmorgen kam die Polizei nach Reuden, um eine Zwangsräumung zu schützen.
Am Donnerstagmorgen kam die Polizei nach Reuden, um eine Zwangsräumung zu schützen.
Torsten gerbank