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Abtlöbnitz Abtlöbnitz: Zusammengeschmiedet

Von Andreas Löffler 10.05.2019, 10:07
Blick vom Ortsrand auf Abtlöbnitz mit dem romanischen Kirchenbau (links) als beherrschendem architektonischen Element.
Blick vom Ortsrand auf Abtlöbnitz mit dem romanischen Kirchenbau (links) als beherrschendem architektonischen Element. Andreas Löffler

Wer die Schmiede von Roland Kneist im Ortskern von Abtlöbnitz betritt, fühlt sich in eine längst vergangene Zeit zurückversetzt: Akkurat sind die ehedem von seinem Vater, der die Werkstatt 1929 eröffnete, und von ihm selbst angefertigten Schmiedezangen sowie jede Menge Hämmer aufgereiht.

In der Kohle-Esse brennt ein mit geübten Griffen entfachtes Feuer; der - elektrische - Blasebalg lässt sich alternativ auch ganz traditionell mechanisch per Seilzug betätigen. „Auch wenn ich mich eigentlich vor einem guten Jahrzehnt zur Ruhe gesetzt habe: So ganz ohne Werkeln kann ich einfach nicht“, räumt Kneist schmunzelnd ein. Für die Vereinigten Domstifter in Naumburg hat er vor ein paar Jahren ein Dutzend originalgetreue Nachbildungen mittelalterlicher Schwerter angefertigt; und bis zum heutigen Tag schwören zahlreiche Landwirte aus dem auch weiteren Umkreis auf die Handwerkskunst des 76-Jährigen und lassen die Scharen und Zinken ihrer Pflüge und Eggen in Abtlöbnitz instand setzen.

Das von Roland Kneist und seiner Ehefrau Ebba bewohnte urwüchsige Handwerkergehöft hat aber auch in anderer Hinsicht Bedeutung - nämlich als eine Art „Kraftzentrum“ des Ortes und als buchstäblich heißgeliebter Treffpunkt für einen Kreis alteingesessener Abtlöbnitzer: Immer montags wird dann bei einem Kasten Bier in dem urigen Domizil geklönt. Macht man sich folgendes sprachliche Bild zu eigen, lässt sich also sagen, dass der Handwerksmeister die Bewohner des Ortes ein Stück weit zusammengeschmiedet hat. Neben der Montagsrunde findet alljährlich auch die sogenannte Schmiedeweihnacht in Kneists „Arbeitszimmer“ statt. Und zwar stets musikalisch begleitet von einer bunt zusammengewürfelte Blaskapelle. „Die spielt ganz schön falsch, pardon: ganz schön und mitunter auch ein klitzeklein wenig falsch“, schildert Kneists Tochter Ines Hackbarth mit einem Lachen. „Sagen wir es so: Die Lieder erkennt man“, gibt sie augenzwinkernd die fröhliche Diplomatin. Und weil das weibliche Geschlecht bei der Schmiedeweihnacht ausdrücklich keinen Zutritt zur Männerrunde in der Werkstatt erhält, „treffen wir Frauen uns parallel eben im sogenannten Kutscherzimmer hier“, verrät die 48-Jährige.

Freilich sei auch jenseits der genannten Aktivitäten ihres Vaters das Zusammengehörigkeitsgefühl im Ort stark ausgeprägt. „Die Gemeinschaft ist intakt, alle halten zusammen. Wer ein Anliegen hat oder Hilfe braucht, kann hier praktisch überall hingehen“, betont Ines Hackbarth. Mit den meisten der gut 100 Einwohner von Abtlöbnitz (hinzu kommen rund 40 weitere im Ortsteil Mollschütz) sei man auch per Du - „eine gute Sache, die freilich auch ihren Haken hat“, wie Heinz Srocke witzelt. Was der 59-Jährige meint: „Wenn du jemanden immer nur beim Vornamen nennst, dessen Nachnamen aber gar nicht kennst, bist du natürlich keine große Hilfe für Paketboten, die nach einem bestimmten Empfänger suchen.“

Es gibt zahlreiche weitere Punkte, an denen sich der Gemeinschaftsgeist der Abtlöbnitzer ablesen lässt, ergänzt Rolf Werner, seit 1990 Bürgermeister des Ortes. „Wenn es im Frühjahr gilt, die Friedhofshecke zu verschneiden, gehen alle Männer mit hin, hält sich keiner raus“, nennt der 68-Jährige ein Beispiel. Ähnliches lasse sich über den unlängst vorgenommenen „Facelift“ für das Kriegerdenkmal und erst recht über die 2001/02 in Eigeninitiative erfolgte Renovierung der Kirche sagen: „Egal ob kirchlich oder nicht: Mitgeholfen haben alle.“ Auch der sehr auf Gemeinschaft und das Verbindende abzielende Ansatz des bereits lange in Abtlöbnitz tätigen Pfarrers Michael Greßler habe dazu beigetragen. „Da gibt es kein Wir und Ihr, im Gegenteil: Auch die konfessionslosen Abtlöbnitzer sind stolz auf ihre Dorfkirche“, meint Gemeindemitglied Brunhilde Röder.

Hinzu komme, dass in dem Schmuckkästchen neben den etwa alle zwei Wochen stattfindenden Gottesdiensten einmal jährlich im Herbst auch Veranstaltungen der von Kantorin Dorothea Greßler initiierten „Woche der Kirchenmusik“ über die Bühne gehen.

Wenn auch schon mehr als drei Jahrzehnte vergangen, legte das tatkräftige Miteinander beim Ausbau des Dorfgemeinschaftshauses, von den Abtlöbnitzern nur „Saal“ genannt, ebenfalls ein beredtes Zeugnis über den Gemeinsinn der Einheimischen ab.

„Der Saal stand auf dem großflächigen Grundstück der einstigen Gaststätte ,Sommerfrische’. Wirtin Hanna Salomon hatte hier bis in die späten 1970-er Jahre Bier ausgeschenkt. In Eigenregie haben wir diesen Veranstaltungsraum, in dem bis heute Geburtstage, Silberhochzeiten oder Schuleinführungen gefeiert werden, aufgehübscht, gemalert und gestrichen und am 8. Mai 1985 eingeweiht“, erinnert sich „Ureinwohner“ Heinz Srocke.

Noch relativ neu im Kanon der gemeinschaftlichen Aktivitäten in Abtlöbnitz ist dagegen das von Anwohner Mario Bänsch und dessen Frau Uta vor gut fünf Jahren ins Leben gerufene Forellenangeln am Dorfteich.

Die diesjährige Frühlings-Auflage (eine weitere folgt im Herbst) der schnell zum Kult avancierten Veranstaltung ist gerade eine Woche her. Das Format speist sich aus einer so einfachen wie charmanten Idee: Bänsch, der passionierter Angler ist, besorgt jedes Mal etwa 80 Forellen, die er im Dorfteich aussetzt. Gegen Zahlung eines Obolus darf dann jeder Interessierte auf Fischzug gehen und eines der Exemplare angeln. „Anschließend werden die Fische von den Bänschs direkt vor Ort geräuchert und gebraten - das ist immer ein sehr schmackhaftes Erlebnis und ein stimmungsvolles Event“, findet auch Willy Hackbarth, der mit seinen 23 Jahren zu den Jüngeren im Ort gehört. „Leider ist uns nach der Wende im Grunde eine ganze Generation Heranwachsender verloren gegangen, die es nach Schule und Ausbildung jobbedingt in die alten Bundesländer zog“, bedauert der langjährige Bürgermeister Rolf Werner - und wähnt freilich wieder Land in Sicht: „In Abtlöbnitz, fast noch mehr in Mollschütz, gibt es auch wieder Kinder in Schul- und Vorschulalter.“ Nun werde auch wieder Halloween gefeiert, ergänzt Ines Hackbarth.

Rühmen können sich die Abtlöbnitzer allemal ihrer idyllischen landschaftlichen Lage. „Wir haben einen herrlichen Ausblick ins Saaletal, bis nach Camburg und bei klarem Wetter bis nach Jena“, hebt Heinz Srocke hervor. „Wenn wir die Wilhelmpromenade, so benannt nach einem früheren, dort emsig tätigen Gemeindearbeiter, hinunterspazieren, sind wir in 20 Minuten an der Saale und in weiteren 20 Minuten im Weingut Kaatschen. Und über Tultewitz lässt sich eine richtig schöne Wanderrunde komplettieren“, sekundiert Rolf Werner. Umso bedauerlicher ist, dass die Idylle seit Jahren wiederholt und einschneidend gestört wird. „Jugendliche haben den Wald rund um den Abtlöbnitzer Graben in Richtung Saale leider zu einer Art Motocross-Strecke für sich erklärt“, sagt Bürgermeister Rolf Werner verärgert. Die damit verbundene Lärm- und Abgasbelästigung nerve nicht nur Wanderer, sondern störe auch die Tierwelt. „Nicht zuletzt werden die Waldwege durch die Stollenreifen massiv beschädigt. Ich habe die illegalen Motocrosser auch schon darauf angesprochen; aber letztlich drehen die dir eine Nase, haben auch keine Nummernschilder an ihren Maschinen. Selbst eine vom Jäger zum Schutz installierte Schranke haben die wieder entfernt“, verschafft sich der Bürgermeister Luft. Letztlich sei das aber der einzige Brandherd im Ort mit seinen „zusammengeschmiedeten“ Einwohnern.