Buch über Ostberliner Rechtsanwalt Wolfgang Vogel Buch über Ostberliner Rechtsanwalt Wolfgang Vogel: Der Strippenzieher im Hintergrund

Halle (Saale) - Etwa 14 Jahre betreibt Wolfgang Vogel sein diffiziles Gewerbe schon, als er 1967 zum ersten Mal vor den DDR-Bürgern öffentlich auftritt. Im Verfahren gegen den „BND-Agenten Latinsky“, wie die DDR-Nachrichtenagentur formuliert, taucht der Rechtsanwalt Wolfgang Vogel als Wahlverteidiger auf.
Der Beginn einer einmaligen Karriere im Schatten zwischen Ost und West, die aus dem gebürtigen Niederschlesier einen der mächtigsten Strippenzieher Deutschlands machen wird. Zwei Jahrzehnte später gilt Vogel den einen als Menschenhändler, den anderen als Gehilfe der DDR-Führung. Für dritte aber ist er der Brückenbauer im kalten Krieg.
Dabei war der Sohn eines Volksschullehrers ursprünglich nur angetreten, ein ganz normaler Anwalt zu sein. Schon nach dem 17. Juni 1953 aber bieten sich dem ehrgeizigen 28-Jährigen neue Perspektiven. Die Staatssicherheit verpflichtet ihn als „geheimen Informator“, wenig später hat er seine eigene Kanzlei und schon fünf Jahre danach ist Vogel erste Wahl, wenn es um Verfahren geht, die sich in der Grauzone zwischen Nichtanerkennung der DDR und dennoch notwendigen Versuchen zur Verbesserung der Beziehungen zum Westen abspielen.
Vogel ist nie weit entfernt
Ob Agenten ausgetauscht werden sollen oder DDR-Flüchtlinge ihre Kinder nachholen wollen, ob die SPD-Ikone Herbert Wehner einen diskreten Draht zu Erich Honecker sucht, die Sowjetführung Bedarf an einem Vermittler hat, der in den USA Verhandlungen über den Austausch von KGB- gegen CIA-Spione führt oder Ausreisewillige in der Prager Botschaft betreut werden müssen - Vogel ist nie weit entfernt. Er ebnet Ausreiseantragstellern unbürokratisch den Weg nach drüben, er trägt Brieflein so von Honecker zu Wehner, dass weder das Politbüro noch der KGB noch die SPD-Spitze etwas ahnen. Wird es kitzlig, geht es um viel oder gar alles, ist Wolfgang Vogel die Waffe der Wahl für beide Seiten. Diskret wahrt der Liebhaber von gediegenen Luxuslimousinen, der mit seiner Tätigkeit mehr als eine Million Mark im Jahr verdient, die Interessen aller Beteiligten. Volgel spielt virtuos auf der Klaviatur seiner Verbindungen zu Kirche, MfS, SED-Führung und nach Bonn und enttäuscht das Vertrauen seiner Mandanten nie.
Erst nach dem Mauerfall, als Vogel wie selbstverständlich die Vertretung von Erich Honecker übernimmt, kommen die Kritiker. Häuser habe ihnen der Anwalt abgeluchst, ehe er die Ausreise ermöglichte, heißt es nun. Vorwürfe, die am längst prominent gewordenen Juristen abprallen, weil Weggefährten wie Helmut Schmidt und Hans-Dietrich Genscher sich für ihn verwenden. (mz)
Mission Freiheit, Norbert F. Pötzl, Heyne-Verlag, 22,99 Euro