Brand in der Silvesternacht Brand in der Silvesternacht: Aufräumen in Quedlinburg
Quedlinburg/MZ. - Eine historische Häuserzeile möglicherweise von Brandstiftern angezündet, dazu Randale auf dem Marktplatz, bei der das Rathaus Feuer fing: Quedlinburg steht seit Silvester unter Schock (die MZ berichtete). Nach ersten Untersuchungen sagen Fachleute, es hätte weit schlimmer kommen können.
Denn was immer gegen ein Uhr nachts in dem leer stehenden Haus Kornmarkt Nr. 3 geschah, das Feuer im Dach breitete sich laut Augenzeugen zwar verdächtig schnell und auf breiter Front aus, aber die Feuerwehr war wegen der Ereignisse am nahen Marktplatz sofort zur Stelle. Wäre es anders gewesen, hätte die ganze Straße abbrennen können - im Schatten der Marktkirche eine von Quedlinburgs kostbarsten in Architekturvielfalt, Detailreichtum und Maßstabssprüngen.
Für das gewaltige Walmdach des Eckhauses kam die Hilfe zu spät. Zwei Dachgeschosse und das Gebälk sind Schutt und Asche. Das ursprüngliche Renaissancehaus bekam seinen Umriss um 1730, als es aufwendig barockisiert wurde. Im Innern sind originale Türen, Messingbeschläge, eine Holztreppe und ein Kachelofen erhalten. Doch der vom Löschwasser völlig durchweichte Bau ist gesperrt und noch kann niemand sagen, ob er und sein Innenleben zu retten sind.
Mit verheerender Wirkung regneten die Wassermassen auch auf das kleine und schmale Fachwerkhaus nebenan. Es steht geduckt zwischen seinen hohen Nachbarn und so übersprangen es die Flammen und griffen die Nr. 5 an, das Palais Salfeldt. Sie hatten kein leichtes Spiel, denn durch den Brandgiebel, die Schieferdeckung und die steinerne Bauweise war dieser Barockbau feuerfester als die meisten Häuser in der Altstadt. Allerdings auch ein gefährdetes Objekt ersten Ranges. 1734 stattete es der Ratsherr und Kämmerer Röttger Salfeldt mit unerhörter Pracht aus, von der die reiche Fassadenzier sowie das kunstvolle Stuckornat an Wänden und Decken noch zeugen. Quedlinburg schaut mit besonderem Stolz auf das Palais, weil 2001 der größte Wohltäter der Stadt, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, darin ihre einzige Außenstelle eröffnete.
Als Achillesferse erwies sich das hölzerne Gesims, das den charakteristischen Knick im Mansarddach markiert, wo der steile Winkel der unteren Hälfte auf den flacheren Winkel der oberen trifft. Dort schlugen die Flammen durch. Der obere Teil des Dachstuhls stand bereits in hellen Flammen, als die Feuerwehr die Schläuche ansetzte. Der Brand war einzudämmen, aber das Löschwasser regnete durch alle Decken. Nach ausreichender Trocknung könnte der Stuck das Fiasko dennoch unbeschadet überstehen, glaubt der Architekt der Stiftung, Eberhard Gernandt.
Vielleicht sind es aber die verkohlten Blätter im Rankwerk an der Fassade des Rathauses, die in der Stadt das eigentliche Menetekel hinterlassen. Falls es kriminelle Energie war, die den Kornmarkt ins Verderben stürzte, so sind nämlich noch ganz andere Schlüsse aus dem Spuk am Marktplatz zu ziehen. Berichten doch Augenzeugen von einer entfesselten, alkoholisierten Menge, die Leuchtraketen erst auf Häuser, dann auf Menschen abschoss. Unter anderem auf die beherzten Helfer, die die Flammen am Rathaus löschten, noch bevor die Feuerwehr eintraf.
Nach eigenen Angaben ist es der Bürgermeister, Eberhard Brecht, der die Diskussion um den Schutz des wahrlich entflammbaren Kulturerbes der Stadt mit dem Vorschlag beleben will, in der Altstadt das Abbrennen von Feuerwerk zu verbieten. Dem Rat will er eine entsprechende Satzungsänderung allerdings erst nach "gründlicher Prüfung" verschiedener Aspekte vorlegen. Fraglich sind außer dem politischen Willen im Rat vor allem die rechtliche Belastbarkeit sowie die Durchsetzbarkeit eines Banns.
Noch aber sind auch noch nicht alle Fragen beantwortet, die sich aus den Ereignissen der Silvesternacht geradezu aufdrängen - zum Beispiel, warum das Rathaus nicht bewacht war.