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Bistum Magdeburg Bistum Magdeburg: Katholische Kirche in Sachsen-Anhalt hat Millionen verzockt

Von Hendrik Kranert-Rydzy 23.01.2014, 07:00
Das Hundertwasserhaus in Magdeburg wurde für das Bistum zum Millionengrab. Es ist nicht die einzige Fehlinvestition.
Das Hundertwasserhaus in Magdeburg wurde für das Bistum zum Millionengrab. Es ist nicht die einzige Fehlinvestition. DPA Lizenz

Magdeburg/MZ - Das katholische Zentrum Sachsen-Anhalts liegt versteckt mitten in der Landeshauptstadt Magdeburg. In einem kleinen Park am Breiten Weg steht die Kathedrale St. Sebastian. Wer bei Kathedrale allerdings Bilder des Kölner Doms oder Kirchen vergleichbarer Größenordnungen vor Augen hat, wird enttäuscht sein. St. Sebastian ist eher klein, ein gotischer Bau, an dem die zwiebelförmigen Turmhauben die einzige Extravaganz sind.

Doch es ist nicht so, dass das Bistum nur in Bescheidenheit machte. Ganz im Gegenteil. Nur einen Steinwurf von Kathedrale und Bischöflichem Ordinariat entfernt ist die Extravaganz in rosaroten Beton gegossen und wurde mit bunten Türmen und goldenen Kuppeln verziert - wenngleich das Gebäude den etwas irreführenden Namen „Grüne Zitadelle“ führt.

Besser bekannt ist es unter der Bezeichnung Hundertwasserhaus. Ein Name, der zu Wortspielen reizt: Hundertwasser als Verniedlichung für versenkte Millionen. Nicht allein mit dem Gebäude, das im Jahr 2005 vollendet wurde. Sondern mit einem wirtschaftlichen Engagement, das - vorsichtig formuliert - als höchst fragwürdig bezeichnet werden kann. Im Dezember vergangenen Jahres konnte das Bistum die Immobilie zwar endlich verkaufen, doch zu Ende ist die Geschichte damit noch lange nicht.

Weg vom West-Tropf

Eine Geschichte, die bereits 1993 beginnt: Man wolle nicht ewig am Tropf des Westens hängen, wird ein Satz des damaligen Bischofs Leo Nowak überliefert. Ein verständlicher Wunsch - doch die Ausgangslage war schlecht. Das Bistum ist - gemessen an der Zahl seiner 88 000 Katholiken - geradezu winzig. Man lebt in einer doppelten Diaspora - nicht nur im Lande Luthers, sondern vor allem in einem zutiefst atheistischen Land. Da fließt die Kirchensteuer nur spärlich - nach Angaben des Bistums gerade mal zwölf Millionen Euro im vergangenen Jahr. Dazu kommen 5,3 Millionen Euro jährlich vom Land Sachsen-Anhalt - 9,4 Millionen des Jahresbudgets von gut 28 Millionen Euro zahlen die Brüder und Schwestern aus den reichen Bistümern im Westen über den Bistumsfinanzausgleich. Und erst in diesem Jahr jährt sich zum 20. Mal die faktische Selbstständigkeit vom Erzbistum Paderborn.

Angesichts eines Etats von 28 Millionen Euro erscheint es geradezu als Witz, dass das Bistum zur Jahrtausendwende beschloss, nahezu die gleiche Summe in den Bau des Hundertwasserhauses zu stecken. Zuvor hatten andere Investoren, darunter eine Magdeburger Wohnungsbaugesellschaft, die Idee des einstigen Oberbürgermeisters Willy Polte (SPD) zwar für toll, aber für nicht finanzierbar befunden. „Es war von Anfang an ein Fehler“, heißt es heute in der Bistumsverwaltung. Allerdings war es nicht der erste, der dem Bistum in Sachen Geldgeschäften unterlief.

Der wohl größte war die Gründung der Gero AG im Jahr 2002. 100-prozentiger Eigentümer ist das Bistum. Geldvermehrung scheint das oberste Ziel gewesen zu sein, dabei schaute man nicht immer auf Details. Etwa beim Engagement im Biotechnologie-Park Gatersleben, wo unter anderem an transgenen Pflanzen geforscht wurde. Für aus katholischer Sicht noch fragwürdigere Investments bediente sich die Gero AG ihrer Tochter BTV, die in Immobilienfonds, Zinswetten, Schiffsbeteiligung und ähnliche, oft noch riskantere Finanzgeschäfte einstieg.

Erst ein Wechsel an der Spitze des Bistums brachte die Wende. Just im Jahr, als das Hundertwasserhaus eröffnet wurde, kam Bischof Gerhard Feige ins Amt: „Exzessives wirtschaftliches Engagement ist nicht unser Aufgabe“, soll Feige sehr bald verkündet haben - offenbar nachdem er einen Blick in die Bücher geworfen hatte. Heute will sich Feige zum Finanzgebaren des Bistums in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht äußern. Bistumssprecher Thomas Lazar erklärt, man wolle Feige nicht unnötig damit belasten. Der Bischof ärgert sich wohl noch immer regelmäßig über das Geschehen. Doch von Feiges Amtsantritt bis zum endgültigen Ende der innerkirchlichen „Schlammschlacht“, wie die „Welt“ einst schrieb, sollte es noch Jahre dauern.

Zwischenzeitlich sorgte das Bistum mit dem Hundertwasserhaus für Aufsehen, weil es ein Ladengeschäft ausgerechnet an die bei Rechtsextremen beliebte Modemarke „Thor Steinar“ vermietete, sich aber wenig um die Vermarktung des Hauses scherte. Wohnungen standen lange leer, Geschäftsleute gaben wegen der Geschäftsgebaren der Gero AG auf. Als Problem machte das Bistum dann Gero-Vorstand Norbert Diehl aus - entließ ihn fristlos und lieferte sich mit ihm einen langen Rechtsstreit.

Millionen-Verlust

Nun also ist das Hundertwasser-Haus verkauft. Dem Vernehmen nach für 15 Millionen Euro - also gut die Hälfte des Baupreises von 27 Millionen. „Wir freuen uns darüber, das Haus verkauft zu haben“, sagt Bistumssprecher Lazar, über den genauen Preis sei Stillschweigen vereinbart worden. Und: „Die ersten Reaktionen der Mieter sind positiv.“ Und sonst? Die Gero AG ist jetzt eine GmbH und befindet sich in Auflösung. Die Beteiligungen seien bis auf zwei, drei Ausnahmen verkauft oder aufgegeben worden. Doch der Schaden ist enorm; beim Verlust von zwölf Millionen Euro aus dem Hundertwasser-Verkauf wird es nicht bleiben. Von 45 und 100 Millionen Euro ist die Rede.

Die 100 Millionen dementiert Bistumssprecher Lazar, räumt aber ein: „Dass es am Ende Verluste geben wird, steht fest.“ Wohl im zweistelligen Millionenbereich. Bischof Feige wird immer daran erinnert, wenn er auf dem Weg nach St. Sebastian einen Blick aufs Hundertwasserhaus wirft.

Luftbild des Biotech-Parks in Gatersleben
Luftbild des Biotech-Parks in Gatersleben
Frank Gehrmann