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Bildung und Erziehung Bildung und Erziehung: Pädagogen in Halle helfen Schulbummlern

Von Sabine Ernst 27.10.2005, 06:11

Halle/Magdeburg/dpa. - Freitag, 9.30 Uhr, «Clara-Zetkin»-Haus in Halle: Eigentlich sollte Heiko seit einer halben Stunde im Deutschunterricht sitzen - tut er aber nicht. Andreas Bunk, Leiter des Schulmotivationsaktivierungskurses (SMAK), greift zumTelefonhörer. Am anderen Ende der Leitung versichert Heikos Mutter, dass ihr 14-jähriger Sohn soeben schlaftrunken die Wohnung verlassen hat.

«Wenn alles gut geht, ist er in 15 Minuten hier», sagt Bunk.Nicht selten muss er Kursteilnehmer von zu Hause abholen.

Um «schulmüde» Jugendliche wieder an den Alltag im Klassenraum zu gewöhnen, wurde in Halle vor drei Jahren der SMAK gebildet.Unterrichtet wird in zwei Gruppen mit jeweils bis zu sechs Schülern. Lehrer, Sozial- und Heilpädagogen kümmern sich um die Bummelanten, die aus ganz unterschiedlichen Gründen «kein Bock auf Schule» haben.«Mobbing, Schulangst, Cliquenzwang oder eine Lernbehinderung könnenSchulabsentismus auslösen», sagt Bunk. Die Berufserfahrung habe abergezeigt, dass das Schwänzen häufig familiäre Probleme überlagert.

Ein «Zuhause-Plan», der den Umgang daheim regeln soll, nimmt auchEltern in die Pflicht. Der von jedem Schüler aufgestellte «Ich-schaffe-es-Plan» widmet sich dagegen dem Miteinander im Mini-Klassenraum. Hausaufgaben, Hefterführung und Höflichkeit können -mitunter immer wieder neu - erklärte Ziele sein. «Mit dem 'Ich-schaffe-es-Plan' bekommen die Schüler die Chance, Punkte zu sammeln.Bei 20 Punkten dürfen sie am wöchentlichen Projekttag außerhalb derSchule teilnehmen», sagt Mitarbeiterin Katrin Fäller.

Kleine Schritte, kleine Erfolge: Mit Blick auf dieSchulpflichterfüllung strebt das SMAK-Team eine behutsameReintegration an. «Dazu gehört auch, dass die Schüler lernen,Misserfolge auszuhalten», ergänzt Fäller, die auf Familienarbeitspezialisiert ist. Insgesamt dürfe sich aber nicht nur der Schülerallein entwickeln. Auch das Klima um ihn herum müsse mitwachsen.«Sonst fällt er in alte Verhaltensmuster zurück.»

Auf eine Verbesserung des subjektiven Schulerlebens setzt auchTitus Simon, Professor für Jugendarbeit und Jugendhilfeplanung an derHochschule Magdeburg-Stendal. Elektronische Fußfesseln fürBummelanten beispielsweise seien langfristig gesehen relativwirkungslos. «Das packt das Problem nicht an der Wurzel», sagt Simon,der kein Vertreter der «Kuschel-Schule» sei. Natürlich gebe es auchFälle, in denen eine ordnungspolitische Intervention denrechtzeitigen Schuss vor den Bug darstellt.

Acht solcher speziellen Projekte gibt es derzeit in Sachsen-Anhalt. Erste Erfolge sind bereits sichtbar: Etwa 90 Prozent derSMAK-Teilnehmer konnten nachhaltig wieder in den Schulalltagintegriert werden. Doch weitere Initiativen scheinen erforderlich,denn die Zahl der Schulschwänzer in Halle und Magdeburg ist in denletzten Jahren weiter gestiegen. So meldet die Stadt Halle für dasSchuljahr 2004/2005 mehr als 240 Schulverweigerer, 2000/01 waren esnoch 65. In Magdeburg stieg die Zahl der Schüler, die regelmäßigBlaumachen machen, in der gleichen Zeit von 132 auf 360 Schüler.Während in Halle ein Großteil der Bummelanten an Sekundar- undBerufsschulen verzeichnet wird, stammen sie in Magdeburg vorwiegendvon Lernbehindertenschulen.

Im Kampf gegen Schulschwänzer setzen die Ordnungsämter beiderStädte zunehmend auf Ordnungswidrigkeitsanzeigen und Bußgelder. Zudemwurde das Meldeverfahren von Schulbummlern verschärft. Weil diewenigsten Schüler verhängte Geldstrafen zahlen können, werden derzeitzahlreiche Bußgeldbescheide in gemeinnützige Arbeitsstundenumgewandelt.