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Biker Biker: Kurvenjäger am Kyffhäuser

Von ANTONIE STÄDTER 14.08.2011, 17:16

KYFFHÄUSER/MZ. - Endlich kommt die Sonne an diesem Sonnabend-Nachmittag heraus, Karla Zach sitzt mit ihrem Mann im Garten - da unterbricht ein ansteigendes Dröhnen vor ihrem Haus am Fuße des Kyffhäusers die Stille. "Das war noch leise", kommentiert sie das vorbeifahrende Motorrad, als das Geräusch langsam wieder verstummt. Wenn die Sonne am Wochenende scheint und die Fahrbahn hinauf auf den Kyffhäuser trocken ist, dann höre das Dröhnen gar nicht mehr auf.

Denn die Zachs wohnen dort, wo für Motorradfahrer der Spaß beginnt: direkt am Start jenes Abschnittes der B 85 von Kelbra (Mansfeld-Südharz) aus hinauf, der mit seinen 36 Kurven "einfach geil" ist, wie die Biker sagen. Und sehr gefährlich, wie die Polizei betont. "Wir hoffen immer auf mieses Wetter, um unsere Ruhe zu haben", sagt Karla Zach. Im Haus verstehen die Eheleute wegen des Krachs oft ihr eigenes Wort nicht. Darum fordern sie von den Behörden seit langem die Förderung von Lärmschutzfenstern - bislang erfolglos.

Als sie ihr Haus vor zehn Jahren gekauft haben, da sei das mit der "Raserei noch nicht so schlimm gewesen", erzählt sie. Natürlich: Die Serpentinen auf den Kyffhäuser faszinieren Motorradfahrer schon viel länger und sie habe auch nichts dagegen, "wenn ordentlich gefahren wird". Doch heute sei manchmal von früh um acht bis abends um zehn die Hölle los. "Wenn man da das Fenster zur Straße aufmacht, kommen Benzinwolken rein." Denn: "Vor unserer Tür geben sie richtig Gas." Und das nicht nur, weil es hier auf gerader Strecke möglich ist - auch wenn Tempo 70 gilt. Schräg gegenüber befindet sich auch der Treff "Biker-Oase" - "da wollen sie vor den anderen zeigen, was sie draufhaben". Ein Schauspiel, das sich auch an diesem Wochenende eindrucksvoll beobachten lässt.

"Die Biker sind ein umgängliches, lustiges Volk. Aber manchmal sind auch welche dabei, die denken, dass die Straße ihnen gehört", sagt Jutta Seibt, die in der "Biker-Oase" Würstchen, Kaffee und Kuchen verkauft - und hier als "Biker-Mutti" gilt. Manchmal nimmt sie sich die Unverbesserlichen zur Seite. Dann ermahnt sie: "Jungs, langsam fahren!" Wenn die Polizei auf der Strecke kontrolliert, hängt "Jutta", wie sie von allen genannt wird, zur Warnung ein rotes Fähnchen heraus. "Dann wird bedachter gefahren", begründet sie das. Auch die Polizei weiß davon.

Die Biker - hunderte an schönen Tagen - kommen aus ganz Deutschland und sogar aus dem Ausland hierher, um die Strecke zu testen und "Benzingespräche" rund um ihre Maschinen zu führen. Dann ist der Parkplatz am Fuße des Kyffhäusers rappelvoll. Manche sind jedes Wochenende da. Zigmal fahren die Kurven-Fans die Serpentinen hoch und runter. Viele verabreden sich in Internetforen, manche stellen Filme von ihren Fahrten auf Videoplattformen. Fotograf Matthias Arndt macht hier ein gutes Geschäft: In der Saison lichtet er die Biker jedes Wochenende auf der Strecke ab und verkauft die Bilder im Internet. Kaum überprüft er die gerade geschossenen Fotos auf dem großen Bildschirm im Kofferraum seines Autos, bildet sich eine ganze Traube von Fahrern um ihn. "Ich habe heute schon 650 Fotos gemacht", erzählt er. Am Männertag seien es 5 000 gewesen.

"Das ist die beste Strecke, die ich kenne", schwärmt Maik Kutscher, der seine 186-PS-Suzuki seit zwei Jahren fährt. "Hier sind viele Kurven sehr steil - da kann man sich richtig reinlegen", so der 26-jährige Leipziger, der mit zwei Freunden angereist ist. Dabei fahre er nicht schneller, als erlaubt - das sei bei den Kurven ohnehin nicht drin.

Bei der Polizei schaut man indes mit Sorge auf das Treiben am Kyffhäuser: "Wenn wir nicht präsent wären, würde dort munter gerast werden", sagt der Sprecher der Polizeidirektion Nordhausen, Thomas Soszynski. In dieser Saison sei die Polizei jedes Wochenende vor Ort. Allerdings nicht nonstop: An diesem Nachmittag hängt jedenfalls keine rote Fahne vor dem Biker-Imbiss, ist kein Polizist an der Strecke zu sehen.

Zwar konnte man die Unfallzahlen an der Strecke in den Vorjahren mit Warntafeln, doppelten Leitplanken und aufgerauter Fahrbahn senken - doch der Abschnitt sei wegen der Motorradfahrer weiter ein Unfallschwerpunkt, so Soszynski. Und: Dieses Jahr gab es dort bereits deutlich mehr Unfälle als 2010 (siehe "Elf Schwerverletzte"). Oft komme es dazu, weil zu schnell in die Kurven oder zu dicht an der Mittellinie gefahren wird. Vor zwei Jahren hat Imbiss-Verkäuferin Jutta Seibt einen tödlichen Unfall miterlebt: "Es war ein Stamm-Biker. Das geht einem nahe."

"Es hilft nicht, an die Vernunft der Fahrer zu appellieren. Sie brausen manchmal mit mehr als 100 Sachen durch den Ort", sagt Hans-Ulrich Kloas, der mit seiner Frau in Kelbra direkt an der B 85 wohnt. "Es ist ein Alptraum", fügt sie hinzu. Deshalb wünschen sich die Anwohner sehnlichst verkehrsberuhigende Maßnahmen. Trotz vieler Beschwerden habe sich aber bislang nichts getan.

"Wenn die Motorradfahrer richtig aufdrehen, dann dröhnt es durch den ganzen Ort", erzählt eine andere Mieterin an der Straße. Noch schlimmer sei aber die Gefahr, die mit Rasern immer mitfährt - nicht nur für die Biker selbst. Kaum einer der Bewohner wählt am Wochenende mit dem Pkw in Richtung Bad Frankenhausen die direkte Strecke über den Kyffhäuser. "Das ist doch lebensgefährlich", sagen sie hier.