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Berufungsprozess Berufungsprozess: Endspiel im Krimi um die Himmelsscheibe

Von Steffen Könau 26.09.2005, 18:25

Halle/MZ. - Noch einmal sind sie alle gekommen. Der Privatgelehrte aus Dortmund, der keinen Verhandlungstag verpasst hat. Der Künstler aus Halle, den die Neugier treibt. Und Scheiben-Finder Henry Westphal natürlich, der wie immer mit verschränkten Armen am Rand sitzt und nur durch hellwache Augen anzeigt, dass er jedes Wort aufmerksam verfolgt.

Geschichte geschrieben

Es ist der letzte Tag in einem Gerichtsverfahren, das nicht nur von Geschichte handelt, sondern selbst Geschichte schreibt. Vor genau 391 Tagen begann das Berufungsverfahren gegen Hildegard Burri-Bayer und Reinhold Stieber, die in erster Instanz wegen Hehlerei mit der Himmelsscheibe von Nebra verurteilt worden waren.

In den zwölf Monaten seitdem hat der Saal 155 des halleschen Landgerichts Dinge gesehen, die selbst der Vorsitzende Richter Torsten Gester als "schon äußerst ungewöhnlich" bezeichnet: Wissenschaftler schlugen mit Hämmern auf Bronzeplatten ein, ein Zeuge brachte ein Feuerwehrbeil mit, Kalender wurden als Beweismittel eingeführt und ein Dutzend Experten stritt sich um Mineralienspuren, Säurespuren und die Goldhandelswege der Bronzezeit. 78 Beweisanträge reichten die Verteidiger Elke Thom-Eben und Hans-Georg Kroll ein, ein Ortstermin führte ins Museum, in den sieben Aktenbänden zum Verfahren finden sich nach 33 Verhandlungstagen Bücher und Kataloge, Bronze-Nägel und Gipsabdrücke.

Das Urteil aber, auf dessen Aufhebung die 46-jährige Hildegard Burri-Bayer und ihr 66-jähriger Mitangeklagter Reinhold Stieber gehofft hatten, bleibt bestehen. "Im Verfahren sind etliche Ungereimtheiten deutlich geworden," sagt Hildegard Burri-Bayer, während das Gericht berät. Aber glauben an einen Freispruch mag sie nicht: "Hier wird niemand Zweifel haben."

Torsten Gester und seine beiden Schöffen jedenfalls sehen keine. Nach einer dreiviertel Stunde schon kommt die Kammer mit dem Urteil zurück: Berufung verworfen, die Strafhöhe von einem Jahr beziehungsweise sechs Monaten Haft auf Bewährung für die Angeklagten bestätigt. Reinhold Stieber atmet tief ein, Hildegard Burri-Bayer starrt blicklos vor sich auf den Tisch. Im Verlauf des Verfahrens hat die Hobby-Archäologin ihre Gaststätte aufgeben müssen, jetzt droht ihr und dem Mitangeklagten

die Übernahme der Prozesskosten in Höhe von mehr als 100 000 Euro. Und Trost bietet auch die Urteilsbegründung nicht. Torsten Gester, im Verfahren zuerst brüsk, später aber zusehends interessiert, sieht im Ergebnis der Beweisaufnahme "keinerlei Anhaltspunkte" dafür, dass die bronzezeitliche Pretiose nicht vom Mittelberg bei Nebra stammt. Unsicherheiten, die es diesbezüglich auch beim Gericht gegeben habe, habe die Aussage des Finders Henry Westphal ausgeräumt, sagt Gester: "Warum hätte er lügen sollen?" Die Angaben des Finders ständen zudem im Einklang mit den Erkenntnissen der meisten Wissenschaftler, die als Zeugen ausgesagt hätten. "Danach handelt es sich bei der Himmelsscheibe um keine Fälschung, sondern um ein Fundstück von unschätzbarem Wert." Die Angeklagten hätten sich damit der Hehlerei schuldig gemacht. Auch wenn ein Restrisiko bleibe, spräche die Mehrzahl der Indizien und wissenschaftlichen Gutachten, die im Verlauf des Verfahrens zusammengetragen wurden, eindeutig für die offizielle Fundgeschichte: "Insofern ist die Scheibe heute echter als vor diesem Verfahren."

Nicht der letzte Prozess

Das Verfahren wird wohl nicht das letzte rund um den Jahrhundertfund sein: Direkt nach der Urteilsverkündung teilten beide Verteidiger mit, dass ihre Mandanten eine Revision beantragen werden.