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Basketball Basketball: Höhenflug im Ostharz

Von THOMAS SCHAARSCHMIDT 19.10.2009, 21:11

ELBINGERODE/MZ. - "Es klang nach einer guten Chance, daher habe ich sofort zugesagt", erinnert sich der 23-jährige Basketballer. Ein Detail ließ der Anrufer allerdings weg: "Er hat zwar gesagt, die siebte Liga in Deutschland", erzählt Richardson, "aber er hat nicht gesagt wo".

Zwei Monate später schaut Everage Richardson aus dem Fenster seines Wohnheimzimmers in Elbingerode. "Ich bin glücklich und zufrieden hier, die Stadt ist meine neue Heimat." Längst ist er in dem 6 000-Seelen Ort im Harz kein Unbekannter mehr. Denn seit der 1,91 Meter große Basketballer für den Landesligaclub TuS Elbingerode aufläuft, hat er eine Euphoriewelle losgetreten. Drei Spiele, drei Siege, hunderte Fans in der kleinen Halle und ein Punkteschnitt von 46,7 Zählern pro Partie haben Richardson zu einer lokalen Berühmtheit gemacht. Ungewöhnlich ist das in Deutschland nicht für US-Basketballer - in dieser Liga jedoch schon. Ein Amerikaner in der siebten Basketball-Liga - das ist so, als würde Michael Ballack in die Fußball-Verbandsliga wechseln und fünf Tore pro Partie erzielen.

Hinter der ungewöhnlichen Verpflichtung steckt jedoch eine längere Geschichte. Seit 2005 betreibt Holger Neubert mit seiner Frau in Elbingerode eine Apotheke. Mitgebracht hat der gebürtige Hallenser damals neben seiner Arbeit sein Hobby: Basketball. "Ich habe viele Jahre in Halle gespielt und nach einer Weile gemerkt, dass mir der Sport hier fehlt", sagt der 31-Jährige. Vergangenes Jahr sprach er deshalb auf einem Freiplatz einige Jugendliche an, organisierte wenig später ein erstes Training und meldete die Mannschaft beim örtlichen Verein TuS an. Seitdem zeigt die Erfolgskurve nach oben. Schon in der ersten Saison stieg das Team aus der Bezirksliga auf.

Um noch mehr Begeisterung im bisher nicht gerade basketball-verrückten Harz zu wecken und seinem Team frühzeitig den Klassenerhalt zu garantieren, kam Neubert im Sommer die Idee, einen Spieler aus Amerika zu verpflichten. "Wir haben über einen Agenten mehrere Spieler kontaktiert", sagt der Unternehmer, "aber die meisten wollten nicht so tief spielen und bestanden auf einer Ausstiegsklausel". Richardson nicht. "Er wollte damals sofort und ohne Bedingungen kommen, das hat uns überzeugt." Neubert, bisher schon Abteilungsleiter, Trainer und Spieler, wurde auch noch Hauptsponsor. Wie viel er sich das Unternehmen "US-Profi" kosten lässt, darüber schweigt er allerdings.

Und Richardson? Seit er Mitte September in Deutschland einschwebte, muss er immer wieder auf dieselbe Frage antworten. Warum machst du das? "Das wollen alle von mir wissen", sagt der farbige Basketballer aus dem New Yorker Stadtteil Brooklyn. "Ich habe zu häufig auf falsche Freunde gehört, Angebote abgelehnt, zu lange auf bessere gewartet - und stand am Ende ganz ohne Verein da", erzählt er. Ein weiteres Jahr nach dem College auszusetzen, das konnte er sich nicht leisten, er wollte unbedingt spielen, seinen ersten Profivertrag. "Also habe ich mir keinen Kopf gemacht, zugesagt und bin nach Deutschland geflogen." Dass diese Reise ihn nach Elbingerode geführt hat, bereut er bisher nicht. "Ich fühle mich wohl, und das ist das Wichtigste." Sportlich muss sich Richardson wenig Sorgen machen - die Gegner in der Landesliga können ihm meist wenig entgegensetzen. "Doch es geht hier nicht nur um mich", sagt der US-Amerikaner, "ich will mein Team besser machen". Kapitän Chris Kilian kann das nur bestätigen. "Seit Everage mit uns spielt und trainiert, haben sich einige Dinge verändert. Wir besitzen mehr Selbstvertrauen, werden auf einmal in Elbingerode beachtet. Und mein Englisch wird immer besser", so der 19-Jährige. Kilian und seine Kollegen verbringen auch abseits des Basketballfeldes viel Zeit mit dem Amerikaner. "Er ist ein super Typ, nett, hilfsbereit und ohne Probleme, sich hier anzupassen." Nicht nur der Kapitän glaubt, "dass wir mit Everage viel mehr als nur den Klassenerhalt schaffen können."

Doch Richardson weiß: Wie gut er wirklich ist, kann er in der Landesliga nur schwer beweisen. Hier aber fällt er mehr auf als in höheren Klassen, hat die Chance, größere Vereine auf sich aufmerksam zu machen. "Das ist mein Ziel. Ich traue mir basketballerisch noch viel zu." Dazu absolviert er jeden Tag ein Fitnessprogramm, dienstags wird im Team trainiert. Nebenbei lernt er Deutsch. "Das bringen mir zwei Mädchen aus Elbingerode bei." Zwar hält der College-Absolvent engen Kontakt nach Hause, telefoniert täglich mit seiner Familie. Doch seine Konzentration gilt dem Basketball in Elbingerode. Richardson trainiert demnächst auch den Nachwuchs. Das Städtchen hat ihn bereits ins Herz geschlossen - seine Hautfarbe ist dabei kein Hindernis. "Die Menschen sind freundlich und entspannt hier, sie akzeptieren mich, wie ich bin."

Der Sportler sieht Elbingerode als Projekt: "Es fühlt sich nicht wie ein Job an, sondern wie ein Abenteuer." Und das wird zunächst bis März dauern, inklusive eines wohl kalten und schneereichen Winters. Der schockt Richardson wenig, eines aber kommt ihm komisch vor in der neuen Heimat. "New York", sagt der Amerikaner, "schläft nie. Elbingerode schon um halb zehn."