Banker auf Touren Banker auf Touren: Mit der rollenden Filiale von Dorf zu Dorf
Hünfeld/Eisenach/dpa. - Bernhard Gärtner nimmt Homebanking wörtlich: Mit seiner rollenden Bankfiliale besucht der 60-Jährige die Menschen zuhause. Mit einem Spezialbus ist der Bankangestellte in der hessischen und thüringischen Rhön unterwegs von Dorf zu Dorf - und bringt alles mit, was eine Geschäftsstelle braucht: Kasse mit Bargeld, Geldzählmaschine, Formulare, Tresor - und natürlich auch einen Vorraum mit Sessel, Tisch und Couch.
Von Montag bis Donnerstag ist Gärtner mit dem Fahrzeug der Volks- und Raiffeisenbank Nordrhön mit Sitz in Hünfeld im Kreis Fulda auf acht wechselnden Routen in Osthessen und im benachbarten Wartburgkreis in Südthüringen unterwegs. In 48 Orten zahlt er Geld aus, nimmt Überweisungen entgegen und berät die Kundschaft. Zu Spitzenzeiten kommen bis zu 30 Personen pro Ort zu dem weiß-blauen Bus. „Manchmal ist er noch gar nicht aufgebaut, da steht schon der Erste im Schalterraum“, sagt Gärtner.
An diesem Morgen in Geisa-Geismar (Wartburgkreis) ist weniger Andrang: Der 60-Jährige kann in Ruhe die hydraulischen Standböcke und die Treppenstufen ausfahren und die Zugangstür aufschließen. Nach zwei Minuten ist das Geldinstitut einsatzbereit und Gärtner kann hinter Panzerglas die erste Kundin bedienen: „Gud'n Moin“, sagt er. „Moin“, sagt sie. Die beiden kennen sich seit Jahren. Gärtner füllt den Auszahlschein aus und öffnet die Kasse: „Ja, hier ist Platt Dienstsprache.“
Seit 30 Jahren betreut der Osthesse die Filiale auf sechs Rädern. Sie bietet fast alle Leistungen wie eine reguläre Zweigstelle: Geld abheben und einzahlen, Überweisungen, Kontoeröffnungen. Zu Kunden, die die eigenen vier Wände nicht verlassen können, kommt er nach Hause und ermöglicht ihnen auf diese Weise die Bankgeschäfte.
Nur einen Computer und einen Geldautomaten sucht man in dem acht Meter langen, 7,5 Tonnen schweren und rund 300 000 Euro teuren Spezialbus vergebens. Dafür ist das Verhältnis zu den Kunden umso enger: Seine etwa 850 Kunden kennt Gärtner fast alle mit Namen - und weiß die jeweilige Kontonummer auswendig. Denn die meisten sieht er alle 14 Tage - so oft kommt er in die Dörfer. Viele duzen den Banker und „manchmal wird auch Persönliches besprochen“.
Für Sicherheit ist gesorgt: Der Schalterraum ist unter anderem mit schusssicherem Glas und Stahlplatten gepanzert, es gibt spezielle Türschlösser und eine Alarmanlage. „Die Bank ist so sicher wie eine ganz normale Filiale“, sagt der Mobil-Banker. In seiner 30-jährigen Dienstzeit sei noch nichts passiert. Eine Wegfahrsperre verhindert, dass auf einen Schlag der ganze Bus entführt werden kann.
Genutzt wird das Angebot vor allem von älteren Menschen in der ländlich geprägten Region. Für sie sind die Wege zur nächsten Filiale oft zu beschwerlich. „Die nächste Filiale ist drei Kilometer weit und ich habe kein Auto“, erklärt eine Kundin. Ein Bus fahre in das Dörfchen am äußersten Zipfel Osthessens nicht. Mit Online-Banking kenne sie sich auch nicht aus, sagt die 82-Jährige.
Ähnlich äußert sich eine Kundin aus Geismar. Die 78-Jährige ist seit 20 Jahren Kundin von Gärtner. Sie habe noch nicht einmal eine EC-Karte, denn der Automat sei schwierig zu bedienen und mit Plastikkärtchen könne Missbrauch betrieben werden. An der mobilen Bank schätzt die Rentnerin das Angebot. „Es ist gut für ältere Leute, die nicht so schnell in eine richtige Filiale kommen“, sagt sie.
Das sieht auch der Pressesprecher der Nordrhöner Bank, Jörg Bachmann, so: „Die mobile Geschäftsstelle hat sich bewährt, das Angebot wird vor allem von älteren Kunden genutzt.“ Wo sich feste Dienststellen nicht lohnten, sei die mobile Bank eine gute Lösung.
Nach der deutschen Wiedervereinigung sei in Thüringen die Nachfrage sogar so groß gewesen, dass zeitweise ein zweiter Bus im Einsatz gewesen sei. Der Service müsse auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels gesehen werden. So könne trotz fehlender Zweigstellen der Kontakt gerade zu älteren und immobilen Kunden gehalten werden, erklärt der Banksprecher.
Dies ist auch andernorts der Fall: Nach Auskunft von Frank Schillinger von der Sparkassen-Finanzgruppe Hessen-Thüringen und von Brigitte Ott vom Genossenschaftsverband gibt es schätzungsweise sechs bis acht Geldinstitute in Hessen, die rollende Banken betreiben. Genaue Zahlen gebe es nicht. Dem Bankenverband Hessen und dem Bundesverband deutscher Banken (BdB) als Interessenvertretung der Privatbanken ist kein Mitglied bekannt, das solche Busse besitzt. Dabei ist das Ziel dieser Einrichtungen laut Ott überall das gleiche: Sie sollen die Bargeldversorgung und die Beratung vor Ort aufrechterhalten - auch dort, wo Filialen mit täglichen Öffnungszeiten sich betriebswirtschaftlich nicht rechnen.
Laut Ott entsteht derzeit neben den mobilen Bussen eine weitere Möglichkeit für ältere Kunden: die Bankagentur. Dabei wird in Geschäftsräumen ein kleines Angebot zur Verfügung gestellt. Ein ähnliches Konzept verfolgt die HypoVereinsbank (HVB): Sie will ihre Präsenz mit Hilfe von franchiseähnlichen Filialen, in denen freie Berater tätig sind, ausbauen. Die Tochter der italienischen Unicredit hat nach Auskunft von Sprecher Ralf Horak bereits grünes Licht von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) für das Konzept erhalten und will demnächst starten.