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Arneburg Arneburg: Abriss eines DDR-Milliardengrabs

Von Stefan Kruse 03.09.2008, 06:12
Die Ruine des Kernkraftwerkes in Arneburg (Foto: dpa)
Die Ruine des Kernkraftwerkes in Arneburg (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Arneburg/dpa. - In Arneburg bei Stendal, eingebettet in dieliebliche Kulisse des Elbvorlandes, läuft derzeit eines dergigantischsten Abrissprojekte in den neuen Bundesländern. Hier sollenin den kommenden Jahren die Bauten des größten DDR-Atomkraftwerksverschwinden. Das einstige Prestigeprojekt wurde nie fertig undendete als Milliardengrab.

Nachdem sich andere Firmen vergeblich an zwei Reaktorblöcken undanderen Ungetümen aus Stahlbeton versucht haben, rückt ihnen nun einUnternehmen aus Malente in Schleswig-Holstein zu Leibe, das bislangSchiffe und Fabrikhallen zerlegte. «Ein Atomkraftwerk ist für unsNeuland», sagt Juniorchef Tom Ferch, der die Arbeiten leitet. Seitgut einem Jahr arbeiten seine Männer in der Ruinenlandschaft, tragenmit schwerem Gerät 1,5 Meter dicke, in Stahl eingefasste Betonwändeund drei Meter dicke Decken ab oder zerlegen mittels Diamantseilenschwere Eisenplatten. «Es ist eine mühsame Arbeit», sagt Ferch. «15Leute reißen ab, was 10 000 Menschen aufbauten.»

Finanziert wird das Projekt laut Ferch allein durch den Verkaufdes gewonnenen Stahls und die Wiederverwertung der zerkleinertenBetontrümmer, etwa im Straßenbau. Bis zum geplanten Abschluss in zweiJahren will das Unternehmen 10 000 Tonnen Stahl und 120 000 TonnenBeton gewonnen und vermarktet haben.

Nach dem Abriss sollen sich auf dem 13 Hektar großen einstigenKraftwerksareal neue Unternehmen ansiedeln, erläutert Cornelia Lützevon der Berliner Firma «Das neue Haus», die das Grundstück 2001 auseiner Konkursmasse übernahm. Stehenbleiben soll dazu allein eineriesige Halle, die sich laut Lütze etwa für die Produktion vonGroßteilen eignet.

Schon jetzt gibt es gleich nebenan einen Industriepark mit mehrals 1500 Arbeitsplätzen, unter anderem mit einem Zellstoff- und einemPapierwerk. «Unserer Region eröffnet es neue Chancen, wenn neueFlächen für die Ansiedlung von Investoren dazukommen», sagt derVerwaltungsleiter der Verwaltungsgemeinschaft Arneburg-Goldbeck, EikeTrumpf. Der Abriss der Reaktorblöcke sei ein wichtiger Schritt.

Die Planungen für das Kernkraftwerk Arneburg - das nach Rheinsbergim heutigen Brandenburg und Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern dasdritte in der DDR gewesen wäre - begannen in den 70er Jahren. Vierrussische Reaktoren sollten 4000 Megawatt Leistung erzeugen, womitder Atommeiler der größte in Deutschland geworden wäre. 1,4Milliarden Mark Baukosten waren veranschlagt.

Das erste Reaktorgebäude entstand von 1982, das zweite von 1984an. Tausende Arbeiter waren daneben mit dem Bau von mehr als einemDutzend Verwaltungs- und Technikgebäude sowie mächtigen Kühltürmenbeschäftigt. Sie waren streng überwacht von der Stasi, die sichProtesten von Umweltgruppen gegenübersah und auf der mit Stacheldrahtund Wachtürmen gesicherten Baustelle Sabotage befürchtete. Im nahenStendal wurde für die Arbeiter extra ein neues Wohngebiet errichtet.

Nach Wende und deutscher Einheit wurde das Atom-Projekt 1991 wegenSicherheitsbedenken gestoppt, noch ehe der erste Reaktor in Betriebgehen konnte. Einer der massiven Reaktorblöcke war zu diesemZeitpunkt - nach fast zehn Jahren Bauzeit - zu 85 Prozent vollendet,vom zweiten standen 15 Prozent. Drei 150 Meter hohe Kühltürme wurden1994 und 1999 gesprengt, nun nehmen sich die Abrisstrupps denKernbereich des geplanten Atommeilers vor.

«Wir können hier eine Menge lernen», sagt Ferch. Seine Firma hofftmit Blick auf den beschlossenen Atomausstieg in Deutschland, nach demReferenzobjekt Arneburg künftig auch anderswo einen so gigantischenAbrissauftrag zu ergattern.