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Ärger in der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz Ärger in der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz: Ausgebootet im Wörlitzer Gartenreich

Von HENRIK KLEMM 22.03.2015, 21:17
Uwe Schüler am Sonntag am Wörlitzer See - ob er wieder Gondoliere sein darf, das ist vorerst ungewiss.
Uwe Schüler am Sonntag am Wörlitzer See - ob er wieder Gondoliere sein darf, das ist vorerst ungewiss. Thomas Klitzsch Lizenz

Wörlitz - Uwe Schüler steht am Wörlitzer See. Es ist Sonntag, im Gartenreich wird der Frühling begrüßt. Gondolieri messen ihre Kräfte bei der alljährlichen Wettfahrt. Eine gute Einstimmung auf die Saison, findet der 52-jährige Wörlitzer.

In einer Petition an den Landtag und einem Brief an Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD) haben sich 73 von 88 Mitarbeitern der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz über das schlechte Arbeitsklima beschwert. Verantwortlich dafür sei die Leiterin der Abteilung Verwaltung. Das Betriebsklima sei „innerlich zerrüttet“. Dorgerloh, Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung, sagte, der Brief zeuge davon, „dass da etwas nicht rund läuft“. Die Stelle der Abteilungsleiterin ist auf drei Jahre befristet und muss zum 1. Juli neu besetzt werden.

Am 1. April geht es dann richtig los. Touristen kommen in Scharen, um vom Wasser aus die Wörlitzer Anlagen zu bestaunen. Gondolieri bringen sie über den See und durch die Kanäle, sie erzählen vom Park und den Bauten.

Uwe Schüler indes wird nach heutigem Stand der Dinge nicht dabei sein, die zweite Saison ist er dann ausgebootet. Er hat sich mit der nun auch öffentlich in die Kritik geratenen Verwaltungsleiterin der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz angelegt und seinen Job als Gondoliere bereits im vergangenen Jahr verloren. Schüler klagt gegen dieses Vorgehen, will Gründe wissen. Am Mittwoch soll die Verhandlung, die sich schon über Monate hinzieht, vor dem Arbeitsgericht Dessau-Roßlau fortgesetzt werden.

Der Wörlitzer, der schon als Jugendlicher mit der Gondel aufs Wasser durfte und seit 2003 vertraglich für die Kulturstiftung als Aushilfsfahrer unterwegs war, hofft mit dem Prozess das Ruder herumreißen zu können.

Beschwerde an Kultusminister Dorgerloh

Zuversicht geben ihm dieser Tage auch jene Mitarbeiter der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, die in Schreiben an den Landtag und an den Vorsitzenden des Kuratoriums der Stiftung, Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD), auf das sich dramatisch verschlechternde Arbeitsklima in ihrem Haus hingewiesen haben. „Es ist gut, dass sie endlich den Mut finden, auf die Missstände aufmerksam zu machen“, sagt er.

Kein Anspruch auf Erholungsurlaub

Für Schüler beginnt der Konflikt mit seinem Wunsch, während der Saison 2013 zwei Wochen bezahlten Urlaub zu nehmen. Er schreibt also E-Mails an die Verwaltungschefin, erhält jedoch lange keine Antwort.

Erst als er mit dem Gang vors Gericht droht, trifft ein Lebenszeichen von der Gartenreich-Verwaltung aus dem Schloss Großkühnau in Wörlitz ein. Der Personalsituation sei es geschuldet, dass die Antwort auf seine Anfrage verspätet komme, informiert die Verwaltungsleiterin. Und: Ein Aushilfsfahrer habe keinen Anspruch auf Erholungsurlaub, unterliege mitnichten den Bestimmungen etwa des Bundesurlaubsgesetzes.

Ohne Aushilfskräfte geht nichts

Zur Einordnung von Schülers Tätigkeit muss man wissen, dass die Kulturstiftung etwa zehn Gondelfahrer jedes Jahr fest anstellt. Eine weitaus größere Anzahl arbeitet mit einer Vereinbarung, wird immer wöchentlich für Touren eingeteilt, kurzfristige Anforderungen sind ebenso zu beachten wie methodische und fachliche Hinweise. Kurzum, die Aushilfskräfte haben kaum anderes zu leisten als die Festangestellten. Ohne sie geht gar nichts auf dem See. Der Unterschied liegt nur in der Entlohnung.

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Für den erfahrenen Anwalt Ulrich Nitz aus Wittenberg ist die Urlaubsablehnung nicht nachvollziehbar. „Dem Mann steht selbstverständlich Urlaub oder eine entsprechende finanzielle Entschädigung zu“, sagt er. Auch Werner Theis sieht das so. Der unter anderem für Stiftungen öffentlichen Rechts zuständige Mann bei der Gewerkschaft Verdi in Magdeburg verweist auf gesetzliche und tarifliche Regelungen. Für das Verhalten der Kulturstiftung habe er kein Verständnis. Sollte sie generell so verfahren, sei das ein Skandal.

Prozess endet im Vergleich

Schüler zieht also vor das Arbeitsgericht Dessau-Roßlau. Der Prozess endet im Februar 2014 mit einem Vergleich. Die Anwälte der Kulturstiftung hatten zuvor geschrieben: „Auch ist unstrittig, dass ihm noch 14 Tage Urlaub zustanden und dass er den Urlaub nicht in natura in Anspruch nehmen konnte. Ihm steht ein Anspruch auf Zahlung der Urlaubsabgeltung für 14 Tage zu.“

Bewerbung wird abgelehnt

Mit Beschluss des Gerichts erhält Schüler 290,77 Euro brutto plus Zinsen und ist guter Dinge. Doch die Verwaltungschefin habe seine Weiterbeschäftigung als Gondelfahrer verhindert, obwohl er sich für die Saison 2014 wie jedes Jahr beworben hat, sagt Schüler. Eine offizielle Antwort erhält er indes erst einmal nicht, auf der Liste der Gondolieri fehlt sein Name, einen Vertrag kann er auch am 1.?April 2014 noch nicht vorweisen. Nach mehrmaligem Ersuchen um Auskunft folgt doch noch eine Reaktion der Kulturstiftung. Ein leitender Mitarbeiter bestätigt die Absage und rät wohl in guter Absicht „vor einer Entscheidung, wie die, gegen Ihren Arbeitgeber zu klagen - ob Sie im Recht sind, oder auch nicht -, sollten Sie zukünftig sehr intensiv nachdenken oder sich freundschaftlichen Rat einholen“.

Schüler platzt der Kragen, er erhebt Widerspruch und schreibt erneut an die Verwaltungsleiterin: „Vor Gericht habe ich gegen Sie gewonnen, letztendlich aber doch verloren. Sie stellen mich nicht wieder ein. Herzlichen Glückwunsch!“

Erneut vor Gericht

Der Ex-Gondoliere zieht abermals vor das Arbeitsgericht, will wissen, warum er nicht mehr Gondoliere sein darf. Eine gütliche Einigung kommt nicht zustande. Dann wird der Prozess mehrmals verschoben. Gleichwohl empfiehlt die zuständige Richterin am Arbeitsgericht „den Parteien, dringend über eine gütliche Einigung auf der Basis einer Beschäftigung des Klägers als Gondelfahrer ab dem Jahr 2015, im Falle einer Bewerbung von seiner Seite, nachzudenken“. Und Anwalt Nitz geht noch einen Schritt weiter. „Die Stiftung wird Schüler wieder einstellen müssen“, sagt er.

Verwaltungschefin lehnt Gespräch ab

Auf eine schon vor etlichen Wochen gestellte Anfrage der MZ zum Fall Schüler antwortet die Pressestelle der Kulturstiftung, dass es nichts zu sagen gebe, weil es sich um ein laufendes Verfahren vor dem Arbeitsgericht handele und personenbezogene Informationen dem Datenschutz unterliegen. Ein Gespräch lehnt die Verwaltungschefin ab.

Was indes so alles möglich ist, das erfährt Schüler sehr deutlich. Da geht beispielsweise die Aufforderung aus dem Verwaltungssitz der Stiftung heraus, die Mitarbeiter anweist, Schüler zu fotografieren und zu melden, falls er Touristen durch die Wörlitzer Anlagen führt. Und als der Mann unlängst eine kostenpflichtige Qualifizierungsveranstaltung der Kulturstiftung für Gartenführer im Auftrag eines Tourismusanbieters besuchen möchte, wird er des Raumes verwiesen. Platzmangel, heißt die Begründung. (mz)

Im Schloss Großkühnau in Dessau-Roßlau sitzt die Verwaltung der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz.
Im Schloss Großkühnau in Dessau-Roßlau sitzt die Verwaltung der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz.
Lutz Sebastian Lizenz