Antonov AN-225 Antonov AN-225: Größter Flieger der Welt nimmt Kurs auf Leipzig/Halle

Schkeuditz - Laut sei sie nicht, die Antonov AN-225. „Obwohl man das bei einer Maschine mit sechs Triebwerken denken könnte“, sagt Frank Heine. Der 73-jährige Rentner ist seit seiner Kindheit vernarrt in Flugzeuge. Eines seiner größten Erlebnisse hatte er vor ein paar Jahren am Flughafen Leipzig/Halle. „Damals war es möglich, sich die AN-225 mal von innen anzusehen“, erzählt Heine. Mit einer Besuchergruppe durfte er in den Bauch der Maschine. Ein Wahnsinnsereignis sei das gewesen.
„Dass sich dieser Koloss überhaupt in der Luft hält, ist unglaublich“, sagt Heine. Allerdings konnte sich der Rentner in diesem Jahr schon von der Flugfähigkeit der Antonov überzeugen. Am 9. April landete die AN-225 in Schkeuditz. Heine war am Rande des Flugfelds dabei. „Sie schwebte ganz ruhig durch die Luft“, erzählt der Rentner. Beeindruckend sei das gewesen. Es war der bisher letzte Besuch der „Mrija“ (ukrainisch für „Traum“) genannten Maschine.
Am Donnerstag allerdings ändert sich das. Dann kommt die AN-225 zum zweiten Mal in diesem Jahr nach Leipzig/Halle. Um 14.30 Uhr wird das größte Flugzeug der Welt erwartet. Ein Gigant der Lüfte, der die Herzen von Flugzeug-Fans höher schlagen lässt. Zu sehen ist das allein an der Fototour. Die organisierte der Flughafen extra für den Besuch des Riesenfliegers. Am vergangenen Freitag wurde die Online-Buchung freigeschaltet. 48 Tickets gab es. „Es dauerte nicht mal eine Stunde, dann waren alle Plätze weg“, erzählt Flughafensprecher Uwe Schuhart.
Vor allem die Ausmaße beeindrucken Luftfahrt-Enthusiasten. In den 1.300 Kubikmeter großen Innenraum passen 80 Autos oder 36.111 Kästen Bier. Die Maschine ist 84 Meter lang, 18 Meter hoch und hat eine Spannweite von 88,4 Metern. Nur ein Flugzeug in der Geschichte war ausufernder: Die „Spruce Goose“ („Schmucke Gans“) der Firma Hughes-Kaiser. Das Flugboot hatte 97,5 Metern Spannweite. Allerdings hob der Flieger nur einmal ab: 1947 für knapp zwei Minuten.
Alles begann Ende der 80er Jahre. Am 21. Dezember 1988 verließ die AN-225 erstmals sowjetischen Boden. Im März 1989 stellte sie im Rahmen der Flugerprobung gleich 106 (!) Gewichts-, Strecken-, und Höhenweltrekorde auf. Im Rahmen des Raumfahrt-Programms „Buran“ flog die Antonov diverse Mal mit einem Space-Shuttle durch die Welt. Im April 1994 – nach Beendigung des Raumfahrt-Programms – wurde „Mrija“ wieder eingemottet, da der Bedarf fehlte.
Erst im Mai 2001 wurde die Riesenflieger von „Antonov Airlines“ wieder in Dienst gestellt und war fortan als Transportmittel für besondere Aufgaben unterwegs. Der erste Flug im kommerziellen Dienst war im Januar 2002 von Stuttgart in den Oman. Es wurden 216.000 Fertigmahlzeiten für das amerikanische Militär transportiert. Die Nachfrage nach der Antonov hielt sich jedoch auch aufgrund der Finanzkrise in Grenzen: Bis ins Jahr 2012 wurden erst 5000 Flugstunden registriert. In dieser Zeit wurde zwar knapp 50 Mal die Erde umrundet – die Lebenszeit der Maschine beträgt aber 24.000 Flugstunden. Zu Spitzenzeiten ist „Mrija“ nur zwei bis drei Mal pro Monat im Einsatz. Bis 2035 soll sie – laut Hersteller-Angaben – aber noch im Einsatz bleiben.
Sein Name ist Vladimir Yurievich Mosin. Um die Antonov AN-225 fliegen zu dürfen, musste er zuvor mindestens fünf Jahre Kapitän des kleineren Typs AN-124 gewesen sein.
Die Antonov AN-225 fliegt unter der Kennung UR-82060, sie ist 84 Meter lang und 18 Meter hoch. Zum Vergleich: Eine Boeing 747-800 ist in der Länge acht und in der Breite 20 Meter kürzer. Selbst ein Airbus A380 wirkt gegen „Mrija“ klein. Die Reisegeschwindigkeit beträgt 850 km/h, beim Start zwischen 240 und 280 km/h, bei der Landung 295 km/h. Die sechs Triebwerke sorgen für eine Schubkraft von 140,5 Tonnen. Sechs Menschen (Kapitän, Erster Offizier, Navigator, zwei Flugingenieure und eine Funkoffizier) werden benötigt, um alle Instrumente des Riesenfliegers richtig zu bedienen. 365 Tonnen Kerosin kann die AN-225 aufnehmen. Ohne Ladung kann das Flugzeug 18 Stunden fliegen und eine Strecke von 15.000 Kilometern zurücklegen.
Im Frachtraum finden theoretisch 16 Container Platz. Alternativ auch 80 Autos oder der Rumpf einer Boeing 737. Der Frachtraum ist 70 lang, 6,5 Meter breit und 4,5 Meter hoch.
Die Antonov AN-225 ist so schwer, dass ihre Räder beim Rollen auf dem Asphalt einen Abdruck hinterlässt. Es wurde 1998 sogar begonnen, eine zweite AN-225 zu bauen. Bis heute ist sie allerdings nicht fertiggestellt – und wird dies wohl auch nie werden. Auch eine AN-325 mit acht Triebwerken war in Planung, wurde aber nicht realisiert.
Ungeschlagen ist die AN-225, wenn es um das Gewicht geht. Voll beladen wiegt sie 650 Tonnen - in der Luft war nie etwas schwereres unterwegs. In ihren Bauch passt eine Nutzlast von 250 Tonnen. Der nächst größere Frachter, die Boeing 747-8F, kann gerade einmal 140 Tonnen transportieren. Allerdings ist eine volle Beladung selten. Die maximale Auslastung wurde nur ein einziges Mal erreicht. Damals lud man fünf Kampfpanzer in den Rumpf der Maschine. Die wogen zusammen 253 Tonnen. Das ist bis heute Weltrekord - nur einer von 240, die der Größte unter den Jumbos hält.
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Wenn sie am Donnerstag nach Leipzig/Halle kommt, wird die Antonov mit 190 Tonnen Material beladen sein. „Equipment für die Öl- und Gas-Industrie“, wie Sprecher Schuhart erklärt. Die lädt der Frachter schon heute am Robin Hood Flughafen im britischen Sheffield ein. Dorthin ist die Maschine am Morgen vom ukrainische Heimatstandort Gostomel nahe Kiew aufgebrochen. Ziel des Transportes ist Baku (Aserbaidschan). Allerdings kann der Riese nicht so viel Benzin mitnehmen, dass er die Strecke auf einen Ruck schaffen würde - dann wäre er nämlich zu schwer.
In Leipzig/Halle muss deswegen für rund zwei Stunden zwischengestoppt werden. In den vergangenen Jahren setzten die 32 Räder der Antonov schon häufiger auf den Betonbahnen des Flughafens auf. „Wir liegen sehr zentral in Europa“, erklärt das Schuhart. Hinzu komme, dass Antonov in Schkeuditz die zweitgrößte Basis in Europa hat. Das Unternehmen Volga-Dnepr Technics parkt hier dauerhaft zwei Antonovs 124-100. Die werden von Deutschland und 14 weiteren Nato-Nationen genutzt, um Militär- und Hilfsgüter in die Welt zu verschicken.
Für die meiste Fracht reichen diese „kleineren“ Flieger, die immerhin 120 Tonnen transportieren können. Nur wenn es noch umfangreicher wird, kommt die AN-225 zum Einsatz. Dabei war der Riesenvogel einst für einen anderen Zweck gebaut. „Er sollte die russische Buran-Raumfähre huckepack transportieren“, erzählt Clemens Aulich. Er ist Gründer und Chef des Luftfahrtmuseums in Wernigerode (Harz). Knapp 70 originale Flugzeuge und Hubschrauber hat er in seiner Ausstellung. Für die AN-225 wäre allerdings kein Platz. „Die passt in keine meiner Hallen“, sagt Aulich.
Von dem Giganten wurde aber auch nur ein Exemplar produziert. 1988 war die „Mrija“ fertig. Mit dem Untergang der Sowjetunion endete Anfang der 90er Jahre auch das AN-225-Projekt. Nur 14 Mal hob der Jumbo mit der Buran auf dem Rücken ab. Dann wurde er eingemottet. „Nach der Jahrtausendwende belebte Antonov den Flieger aber wieder“, erzählt Museums-Chef Aulich. Die Ukrainer sahen damals Potenzial für einen kommerziellen Betrieb des Großflugzeugs. Es wurde überarbeitet und neu lizenziert. Im Januar 2002 machte die AN-225 ihren ersten privaten Auftragsflug von Stuttgart in den Oman.
Seitdem ist sie für Flugzeugverhältnisse aber eher selten im Einsatz. Im Schnitt hebt der schwere Vogel zwei bis drei Mal im Monat ab. „Von den Flugstunden her ist sie ein eher junger Flieger“, sagt Aulich. 30 bis 40 Jahre könnte „Mrija“ deswegen noch fliegen. Der Besuch des Frachters auf dem Flughafen Halle/Leipzig wird also nicht der letzte gewesen sein. (mz)
