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Justiz-Affäre  Affäre um Justiz-Staatssekretär: Der verabredete Anruf

Von Hagen Eichler 21.06.2017, 04:00
Die Ministerin für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt, Anne-Marie Keding (CDU, l) und ihr Staatssekretär Hubert Böning.
Die Ministerin für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt, Anne-Marie Keding (CDU, l) und ihr Staatssekretär Hubert Böning. dpa

Magdeburg - Die Formulierung kommt friedlich und harmlos daher: „kollegiale Kaffeerunde“. Das klingt so ganz anders als der Vorwurf, der im Raum steht: unerlaubte Einflussnahme auf eine Richterin, Verstoß gegen Artikel 97 Grundgesetz. Von einer „kollegialen Kaffeerunde“ hat Justiz-Staatssekretär Hubert Böning (CDU) am Dienstag dem Rechtsausschuss des Landtags berichtet.

Gemeint war jener Anruf bei einer Richterin am Landgericht Magdeburg am 24. Mai, mit dem er den Berufungsprozess gegen den verurteilten Gewalttäter Paul G. aus Quedlinburg beschleunigen wollte.

Hinter der verschlossenen Tür des Ausschusses verteidigt Böning sein Vorgehen - und lässt selbst in den Reihen der Koalition einige Abgeordnete befremdet zurück. „Er hat kein Gespür dafür, dass er kein Staatsanwalt mehr ist, der mal irgendwo anrufen kann“, urteilt ein Teilnehmer der Runde. „Er ist sich nicht bewusst, dass er mit einer Richterin nicht auf Augenhöhe sprechen kann. Er ist der Staatssekretär“, sagt ein anderer.

Kein Einwand der Ministerin

Im Ausschuss sind es vor allem Linke, Grüne und Sozialdemokraten, die auf Erklärungen drängen. Ministerin Anne-Marie Keding (CDU) beantwortet keine Fragen, sie verweist an Böning. Der Staatssekretär kann nichts Falsches an seinem Handeln erkennen. Auch nicht, als es um die Unterbringung des Straftäters Paul G. direkt gegenüber einer Kita geht.

Das Justizministerium hatte Bönings Anruf bei Gericht unter anderem damit begründet, dass es unter den dortigen Eltern große Sorge gebe. Im Ausschuss stellt sich heraus: Dass G. dort wohnte, hatte der Soziale Dienst der Justiz selbst organisiert. Der Mann habe nichts anderes gehabt, argumentiert Böning im Ausschuss, die Unterbringung in der Obdachlosenunterkunft sei die beste Lösung gewesen.

Von Ministerin Keding bekam Böning an jenem 24. Mai kein Stopp-Signal. „Es gab vor dem Anruf ein Gespräch mit der Hausspitze, in dem der Soziale Dienst informiert hat“, bestätigt Ministeriumssprecher Detlef Thiel. „Der Staatssekretär hat am Ende des Gesprächs gesagt, er wolle bei der Präsidentin des Landgerichts zum Berufungstermin nachfragen mit Blick auf die besondere Gefährlichkeit.“ Keding billigte die Idee also - das ist neu.

Böning verweist im Ausschuss auf die frühere Praxis im Magdeburger Justizministerium. Anrufe bei Richtern habe es auch vor seiner Zeit gegeben - so schildern Sitzungsteilnehmer seine Aussage später. Ein früherer Justiz-Staatssekretär widerspricht auf MZ-Nachfrage empört: Burkhard Lischka, heute Bundestagsabgeordneter und Landeschef der SPD. „Alles, was auch nur nach Einflussnahme auf die richterliche Unabhängigkeit riecht, muss tabu sein. Daran habe ich mich stets gehalten.“

Die lauteste Unterstützung bekommt Böning im Ausschuss von der AfD. Mit ihren Fragen stellten die Abgeordneten von Linken, SPD und Grünen Täterschutz über Opferschutz, sagt der rechtspolitische Sprecher Mario Lehmann. Die CDU sieht Böning nach der Befragung entlastet. „Er hat die Grenze zur richterlichen Beeinflussung meiner Meinung nach nicht überschritten“, sagt Jens Kolze. Die Koalitionspartner SPD und Grünen hingegen vermeiden eine Festlegung: Man wolle zunächst das Ergebnis der Dienstaufsichtsbeschwerde abwarten, sagen Silke Schindler (SPD) und Sebastian Striegel (Grüne) fast gleichlautend.

Übernimmt die Staatskanzlei?

Wer dieses Verfahren bearbeiten soll, ist strittig. Ministerin Keding sagt der MZ, ihr Haus sei zuständig - Striegel hingegen möchte, dass die Staatskanzlei übernimmt. „Das Ministerium hat sich eindeutig hinter den Staatssekretär gestellt. Da darf nicht der Verdacht der Voreingenommenheit entstehen.“

Die Linke sieht Böning längst fehl am Platz. Der Verdacht gegen ihn habe sich erhärtet, sagt Eva von Angern. Auch sein fehlendes Unrechtsbewusstsein sei „seinem Amt als Staatssekretär nicht angemessen“. (mz)