748 Euro für vier Personen 748 Euro für vier Personen: Was zum Leben übrig bleibt
Röcken/MZ. - Neulich haben ihnen Freunde von einem Trip in die USA ein paar T-Shirts mitgebracht. Für viele andere wäre das ein nettes Reisegeschenk. Für Birgit und Gerald Ulbricht und ihre beiden Kinder ist es: eine Ausgabe weniger. "Wir sind auf geschenkte Sachen angewiesen", erzählt die 35-Jährige, die mit ihrer Familie von Hartz IV lebt.
In Zahlen ausgedrückt, heißt das: 748 Euro. Soviel bleibt Ulbrichts aus Röcken bei Weißenfels nach Abzug der Kosten für Miete und Heizung sowie nach Anrechnung des Kindergelds für den gemeinsamen Sohn Tobias (15) und die 20-jährige Heike, die Tochter von Birgit Ulbricht.
748 Euro für eine vierköpfige Familie - das reicht kaum, um die täglichen Ausgaben zu bestreiten. Wenn Birgit Ulbricht die Angebote der Einkaufsmärkte vergleicht oder Räumungsverkäufe abpasst, dann ist das nicht die Jagd nach dem Super-Schnäppchen, sondern der Versuch, so gut wie möglich über die Runden zu kommen. Verwandte und Freunde helfen dabei, zum Beispiel mit Kleiderspenden. Und neulich hat die 35-Jährige sich ein paar Turnschuhe für fünf Euro gekauft. "Die tun's doch auch", sagt sie nüchtern.
748 Euro - das reicht erst recht nicht für das, was über die täglichen Ausgaben hinausgeht. Ein Ausflug? Kaffeetrinken gehen? Gerald Ulbricht winkt müde ab. "Wir besuchen mal das Dorffest", erzählt der schmächtig wirkende 47-Jährige. "Da ist der Eintritt frei." Schließlich müsse man ja unter Leute. Und Urlaub? Demnächst wollen sie zu Verwandten in den Hunsrück, "da kostet uns die Übernachtung nichts".
748 Euro. Manchmal ist es etwas mehr. Wenn Birgit Ulbricht wieder mal einen Ein-Euro-Job hat. Grünflächenpflege in der Gemeinde bringt 120 Euro im Monat. "Schwere Arbeit, aber es macht Spaß", sagt die gelernte Wäscherin und Manglerin. "Leider ist jetzt erst mal wieder Schluss." Dafür bleiben vom 400-Euro-Job von Tochter Heike beim Burger-Brater an der Autobahn unter dem Strich knapp 120 Euro übrig - der Rest wird angerechnet auf Hartz IV.
Daneben erhält die 20-Jährige Bafög, 192 Euro monatlich. "Aber das geht komplett drauf für Fahrt- und Schulgeld", erzählt sie. Sie braucht ein eigenes Auto, weil sie täglich zu einer Fachschule ins sächsische Borna muss, wo sie zur Hauswirtschafterin ausgebildet wird. Bruder Tobias dagegen besucht eine Förderschule in Hohenmölsen. "Wenigstens kostet uns seine Fahrkarte nichts", ist seine Mutter froh.
Die Familie hat sich arrangiert. Jammern? Nicht die Art von Birgit Ulbricht. "Ich bin ein optimistischer Mensch", sagt die Frau mit dem rotblonden Haarschopf und den blitzenden blaugrauen Augen, "man muss halt das Beste draus machen." Vor drei Jahren verlor sie ihren letzten festen Job in einer Wäscherei. "Sie haben Stellen abgebaut und befristete Verträge nicht verlängert."
Der tiefe Einschnitt im Leben der Röckener aber liegt noch länger zurück. Im Jahr 2000 wurde Gerald Ulbricht, Zaunbauhelfer mit fester Stelle, krank - Probleme mit der Halswirbelsäule und der Lunge. Grüner und Grauer Star. Eine Rente bekommt er bis heute nicht. "Sie haben es immer wieder abgelehnt, dabei schaffe ich es kaum noch, schwer körperlich zu arbeiten."
Der 47-Jährige, seine Frau und die Kinder wohnen mit im Haus seiner Eltern. "Wenn sie nicht wären", sinniert Birgit Ulbricht, "wären wir noch schlechter dran." Dann müssten sie Kartoffeln, Tomaten, Möhren, Porree oder Bohnen kaufen statt von Omas und Opas kleiner Landwirtschaft zu zehren, in der sie soweit wie möglich mithelfen. Dann wäre der zwölf Jahre alte Opel, der neulich muckte, wohl immer noch kaputt. Von Freunden mag sich Birgit Ulbricht kein Geld leihen: "Ich weiß ja nie, wie ich es zurückzahlen soll."
Was sie sich wünschen? "Ich würde so gerne mal nach Afrika", schwärmt die 35-Jährige von ihrem großen Traum, "einfach weil ich die Wärme mag." - "Mehr Geld wäre natürlich schön", sagt ihr Mann, "aber mir wäre Gesundheit noch viel lieber." - "Sonst bringt das ganze Geld ja nichts", sagt Tochter Heike leise.