Weiku im Ausland Weiku im Ausland: Leon - ein Brasilianer aus Weißenfels
Weißenfels/MZ. - Für den zehnjährigen in Weißenfels geborenen Philip war es noch ganz klar: Er fieberte mit Deutschland, als sich Rudi Völlers Mannen und die Brasilianer auf dem Fußballfeld begegneten. Schließlich hat er auch für die anderen Spiele Deutschlands während der Weltmeisterschaft in seiner zeitweisen Heimat Brasilien extra schulfrei bekommen.
Sein Bruder Leon wird es zukünftig aber schwerer haben. Nicht nur, dass er doppelt so viel Schulausfall verkraften muss, vor allem wird er sich entscheiden müssen, für welches Team er die Daumen drückt, wenn Brasilien und Deutschland sich gegenüberstehen.
Denn ihm ist mit seiner Geburt am 21. Januar 2002 in Pomerode in Brasilien das Problem in die Wiege gelegt, Deutscher und Brasilianer zugleich zu sein - zumindest laut Staatsangehörigkeit. Hätten Kati und Arnd Kilian den Termin verpasst, bei der deutschen Botschaft für ihren dritten Spross die Staatsangehörigkeit seiner Eltern zu beantragen, hätten sie sogar einen "Voll-Brasilianer" in der Familie.
Dass ihr Leben einmal so aufregend werden würde, ahnte die Weißenfelserin Kati Berger nicht, als sie sich für den Beruf der Grundschullehrerin entschied und damit in Mutters Fußtapfen trat. Doch 1990 kam Arnd Kilian in ihr Leben. Der Hesse holte sich das Weißenfelser Herz. Und "nebenbei" baute er mit einem Partner Weiku, die Weißenfelser Kunststofffensterfabrik auf. Als die gerade "von alleine" zu laufen begann, juckte dem heute 36-Jährigen das Sitzfleisch wieder. "Er ist ein Abenteurer und echter Pionier", stellt seine Frau achselzuckend fest.
Und so packte sie mit ihm vor vier Jahren fünf Koffer zusammen und zog mit Philip, dem zweijährigen Julius und ihrem Mann ins südliche Brasilien. Denn wie einst in Weißenfels hatte Arnd Kilian während einer Urlaubsreise hier großen Bedarf an Fenstern entdeckt und die Idee geboren, Weiku Nummer 2 dort entstehen zu lassen. Angesichts immer schwieriger werdender Bedingungen im deutschen Baugewerbe konnte das auch für den Weißenfelser Betrieb, dessen Gesellschafter Arnd Kilian nach wie vor ist, nur von Vorteil sein. Dank der Tatkraft seiner Frau und des engagierten Einsatzes seines ersten brasilianischen Helfers Daniel Radins werden nun schon das vierte Jahr Weiku-Fenster auch in Pomerode gefertigt.
Mehr als 30 Beschäftigte hat der Betrieb mittlerweile, schon dreimal musste er umziehen, weil die Produktionsräume ihm zu klein wurden. Selbst eine Währungskrise Anfang 1999 hat er überstanden. Kilians haben sich große Anerkennung unter den Brasilianern verdient, aber auch unter den deutschen Geschäftsleuten, von denen es etliche im Süden des Landes gibt. An Rückkehr ist noch längst nicht zu denken.
Als Kati Kilian mit ihrem Jüngsten kürzlich zu Hause bei den Eltern war, hatte sie jede Menge Material mit in ihr brasilianisches Zuhause zu nehmen. Manches bietet der Markt dort einfach noch nicht, doch dafür das Land insgesamt so viel: herzliche und freizügige Menschen, reizvolle Natur, ein warmes Klima. Neben der Familie hat Kati Kilian seit Januar Beschäftigung als Lehrerin für Deutsch an einem Sprachinstitut. Die Kinder können längst Portugiesisch, die Eltern lernen es im Alltag - allerdings schwer, denn 80 Prozent der Pomeroder können Deutsch, erzählt die junge Frau (32).
Mit Leon drängt sich nun unwiderruflich Brasilien in die Familie - nicht nur weil er zwei Pässe hat. Zudem fiel sein Geburtstag genau auf den Pomerodes.