Warum ein General Präsident wird
Jena/Naumburg. - Der Generalstaatsanwalt des Freistaates Thüringen, Winfried Schubert sitzt zwischen gepackten Kartons in seinem Dienstzimmer. Das befindet sich im fast 50 Jahre alten Hochhaus am Jenaer Leutragraben, direkt gegenüber dem so genannten Denkersilo. Bis gestern standen ihm gleich zwei Umzüge zur Wahl. Einmal den in das neue Thüringer Justizzentrum am Jenaer Westbahnhof oder den ins Naumburger Oberlandesgerichtsgebäude. Die Entscheidung ist gerade gefallen: Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer, hat den Thüringer "General" zum Obersten Richter unseres Bundeslandes berufen. Der neue Präsident des Oberlandesgerichtes (OLG) mit Sitz in Naumburg heißt ab 1. April Winfried Schubert. Am Mittwoch, 7. April, soll die bereits seit August ausgeschiedene OLG-Präsidentin Gertrud Neuwirth offiziell verabschiedet werden und Winfried Schubert gleichzeitig seine Ernennungsurkunde erhalten. Der 53-jährige Vollblut-Jurist freut sich sichtlich auf seine neue Aufgabe, scheidet jedoch auch mit einem weinenden Auge aus seinem bisherigen Amt. Sein Mitarbeiterstab in der Thüringer Universitätsstadt ist keinesfalls begeistert davon, sich nach fast neunjähriger Zusammenarbeit vom "General" verabschieden zu müssen, weil Schubert gleich zweimal die Fronten wechseln will: Den Freistaat verlassen und vom obersten Ankläger zum OLG-Präsidenten wechseln.
Der erste Eindruck vom designierten OLG-Präsidenten entspricht so gar nicht den gängigen Klischees, die Juristen im Staatsdienst gemeinhin auf sich vereinen. Schubert ist aufgeschlossen, lebhaft, strahlt Lebensfreude aus, ist selbstironisch, schlagfertig und ausgesprochen humorvoll.
"Die Saale ist mein Schicksal", sagt er augenzwinkernd, und setzt hinzu: "Der Satz hört sich an, als sei er aus einem Heimatfilm geklaut." Aber tatsächlich taucht dieser Fluss in der Biografie von Schubert immer wieder auf. Geboren wurde er am 7. Februar 1951, genau dort, wo die Saale entspringt, im fränkischen Hof. Nach Jahrzehnte langen Zwischenstationen an der Spree (Berlin), der Isar (München) und der Gera (Erfurt) kam er 1995 nach Jena und folgt nun 33 Kilometer weiter Richtung Norden dem Flusslauf der Saale. (Da drängt sich die Frage auf, wie lange es wohl dauert, bis er die Mündung des Flusses in die Elbe erreicht hat und in Magdeburg gelandet ist.)
Der Mann, der von sich sagt, er sei "Jurist aus Trotz" geworden, lebt für seinen Beruf. Und er liebt in allen seinen Facetten. Wenn Schubert wie ein gestandener Entertainer aus seinem Richterdasein in München erzählt, dieses oder jenes Erlebnis mit Klägern und Beklagten oder auch Angeklagten zum Besten gibt, stellt er das unter Beweis. Die Geschichte mit der angeblich geschenkten Handtasche der Lena Valaitis wird wohl niemand vergessen, der sie einmal gehört hat. Und wenn Schubert so ganz nebenbei erwähnt, dass er Lehrbeauftragter in der Jenaer Friedrich-Schiller-Universität ist, kann man sich lebhaft vorstellen, dass sich die jungen Studenten bei seinen Vorlesungen wohl kaum eine Minute lang langweilen.
Schubert merkt in seinem Lebenslauf unter dem Punkt "Sonstiges" noch zahlreiche andere Aktivitäten an. Er veranstaltet zum Beispiel internationale Seminare zum Thema illegale Beschäftigung, hält Vorträge vor russischen Staatsanwälten in Moskau, war Initiator eines internationalen Seminars "Kriminalität in Europa", hielt Vorträge bei Konferenzen in Frankreich, Spanien und Belgien. Außerdem ist er Veranstalter des jährlichen Seminartages zum Thema "Rechtsradikalismus" im ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald.
So nebenbei, aber wohl auch nicht ganz nebenbei, ist Schubert noch im Vorstand des Fördervereins Klosterkirche Thalbürgel tätig. Der Musikfreund organisiert die alljährlich stattfindenden Konzerte in der romanischen Basilika mit. Schubert ist zudem Rotarier.
Der "Neue" am OLG ist seit fast 19 Jahren verheiratet mit Ehefrau Marion, die in Erfurt beim Zoll in leitender Position tätig ist. Das Paar wohnt in einem 500-Seelen-Dorf namens Kleinromstedt bei Apolda. "Recht hat gewisse Regeln", sagt Schubert. Und eine der wichtigsten Regeln heißt für ihn: "Rechtsprechung muss gerecht sein". Wie das zu bewerkstelligen ist - "in der Hauptsache mit einem gesunden Menschenverstand"- das versucht er in seinen Seminaren, Referaten, Vorlesungen vor allem den jungen Leuten zu vermitteln.
Er räumt dabei auch ein, dass sich in der Rechtsprechung eine eigene, für Nichtjuristen "zuweilen schwer verständliche Sprache" entwickelt hat. Die gelte es, juristischen Neulingen nahe zu bringen, ihnen auch, wenn es sein muss, zu übersetzen.